Fernseh-Produktion Fernseh-Produktion: In Bitterfeld wird die Schönste ermittelt
Halle/Zörbig/MZ. - Schon den Jahreswechsel 1990 / 91 hat Stefan Jakob mit seiner Familie in Blankenburg verbracht. Ein paar Monate später sind sie dann im Erholungsheim der IG Wismut Aue abgestiegen, "die haben uns alle ganz komisch angeschaut", sagt er. Doch die Disziplin sei toll gewesen, und die zum Kinderfest aufgebaute Hüpfburg in der Bibliothek zumindest interessant. Stefan Jakob - bärtiger, freundlicher Produzent aus Köln - ist herum gekommen im Osten. Jetzt saß er in einer Zörbiger Turnhalle und erzählte, hinter sich eine karnevalsreife Ostalgie-Parade, Marschrichtung Essenausgabe.
Ein gescheitelter Langhaarträger mit Hornbrillen lüftet den karottenfarbenen Einreiher, unter dem ein lindgrünes Polyesterhemd hervor blinkt. Ein Mädchen zieht die orangene Joop-Strickjacke fester über das pionierblaue Baumwollkleid - denn es ist frisch hier. Mittagspause beim Dreh. Die Verantwortlichen - Produzent Stefan Jakob, Regisseur Matthias Tiefenbacher und Redakteurin Barbara Buhl - sind im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks (WDR) angereist für einen Film, der hier spielt und sich versteht als "komödiantischer Abgesang auf die DDR".
In "Die Schönheit von Bitterfeld" geht es um etwas, das in der DDR fast bis zum Ende keinen Platz fand - um Schönheitswettbewerbe. "Die Arbeiterinnen eines Chemiekombinats wollen zum 1. Mai 1989 etwas Glamour in den grauen Alltag bringen", heißt es in einer Pressemitteilung. An ihrer Spitze stehen Volksbühnen-Diva Astrid Meyerfeldt als Gisela und Doreen Jacobi als Marlene, Oliver Korittke gibt einen Bruno. Für die Rolle eines friedensaktivistischen, umweltbewegten West-Pfarrers auf Ost-Mission wurde immerhin Hannes Jaenicke ("Trenck") gewonnen, der sich in einem Alter sieht, "wo ich alles annehme, was ich noch nicht gespielt habe".
Der Westpfarrer, so scheint es, soll nicht zuletzt all jenen den Zahn ziehen, die bei der Kombination DDR und Schönheitswettbewerb gleich vermuten, hier würden westliche Gepflogenheiten wohlfeil zum Gegenstand östlicher Sehnsucht stilisiert. "Dieser Pfarrer", winkt Jaenicke ab, "hat Null Ahnung vom Osten und kriegt schön den Kopf gewaschen, als er die Arbeiterinnen mahnt, sie sollten doch nicht alles vom Westen übernehmen." Im übrigen ist er sicher, "dass die DDR-Vergangenheit uns noch viele wunderbare Filme bescheren" werde.
"Die Schönheit von Bitterfeld" spielt tatsächlich in Bitterfeld, aber auch in einer Dortmunder Zeche wurde gedreht, die wichtigen Kirchenszenen stammen aus Zörbig. "Da ist das Gotteshaus älter und passt besser ins Konzept", sagt Stefan Jakob. Natürlich waren sie auch im Bitterfelder Kulturpalast, bei Industrieruinen - und selbst in der halleschen Silberhöhe. Jakob betont immer wieder, dass sein Film "auf keinen Fall museal" werden soll, dass ihn beeindruckt habe, "wie diese Gisela ihr Schicksal in die Hand nimmt und das Leben anpackt". Das Teure an der 1,5-Millionen-Euro-Produktion sei "das Historische", sprich: die Kostüme, die bei einer Miss-Wahl naturgemäß keine unwichtige Rolle spielen.
Damit die Film-DDR auch echt wirkt, haben sie einen Ausstatter aus Ostdeutschland verpflichtet, das Drehbuch stammt von Regine Kühn, Tobias Saalfeld und Andreas Klich. Auch Arvid Birnbaum kennt das Land zum Film, in dem er jetzt einen Polizisten gibt, noch als Staatsbürger. Seine Uniform sitzt, doch Birnbaum flucht. Wohl fühlt er sich darin nicht.
"Die Schönheit von Bitterfeld": ARD, 5. November, 20.15 Uhr