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Extremsportler Extremsportler: «Wo ich bin, da renne ich»

Von Katrin Löwe 19.08.2005, 17:34

Hohenmölsen/MZ. - Die Erinnerung an Bagdad ist bei René Gose noch lebendig. Daran, dass es am Simpelsten fehlte, um die im Krieg verletzten Kinder behandeln zu können. Auch daran, dass er den Verwandten am Telefon berichtete, es sei alles ruhig, während sein Kompagnon Robby Clemens dem Fernsehen nahezu zeitgleich ein Interview über ein Bombenattentat gab, das gerade vor der Unterkunft geschehen war.

Die beiden Extremsportler aus Halle und Hohenmölsen hat die Situation im Irak vor zwei Jahren nicht davon abgehalten, 500 Kilometer zu laufen, um Geld für Kinder zu sammeln. "Man hat uns empfohlen, die Aktion abzubrechen. Aber wenn wir uns etwas vornehmen, ziehen wir das durch", sagt Gose.

Durchziehen heißt es für die beiden auch ab kommenden Montag. Dann starten sie nach dem Irak-Lauf 2003 und dem von Athen nach Österreich 2004 ihre dritte soziale Extrem-Tour: Anlässlich der 925-Jahr-Feier von Hohenmölsen werden beide bis zum 28. August eine genau 925 Kilometer lange Strecke von der Partnerstadt Bad Friedrichshall nach Hohenmölsen zurücklegen. Spendengelder, die sie dabei einsammeln, gehen an den Verein "Dia-Bolus", der Vorsorgekuren für diabeteskranke Kinder unterstützt.

Wer die Idee zu der Aktion hatte, lässt sich heute nicht mehr ganz klären. "Wir haben so vor uns hingesponnen", erzählt Marathonläufer und Mit-Organisator Mathias Griesbach über den Sonntagslauf, der ihn und Anke Brückner an den Hohenmölsener Mondsee führte. Irgendwann im Sommer 2004 war das. Und Robby Clemens, der dort auch seine Runden drehte, sagte spontan zu. "Aber so richtig ernst genommen haben wir das damals nicht", erinnert sich Griesbach.

Gut ein Jahr später gehen die Vorbereitungen im sechsköpfigen Organisationsteam gerade in die letzte Phase. Auf der eigens eingerichteten Internetseite werden Tage, Stunden und Sekunden bis zum Start heruntergezählt. Eine 18 Seiten lange Liste führt alle bereits mit dem Auto abgefahrenen Anlaufpunkte auf. Landkreise und Städte sind informiert, bürokratische Hürden überwunden.

Im Stundenrhythmus werden sich die beiden Extremläufer voraussichtlich abwechseln - einer von beiden wird rennen, während sich der andere im Begleitfahrzeug erholt. "Es wird ein neuer Grenzbereich für uns, so eine Strecke zu laufen", sagt Gose. Aber das ist für die beiden nichts Ungewöhnliches. Auch wenn die Geschichte von Robby Clemens ebenso unwirklich wie beeindruckend klingt. "Ich habe vor acht Jahren noch 120 Kilo gewogen, hatte Herzrhythmusstörungen, Schweißausbrüche schon bei ein paar Treppenstufen", erzählt der durchtrainierte Hohenmölsener. Damals hat er beschlossen, etwas zu ändern. Hat einen Wochenendkurs belegt, sich teure Laufschuhe gekauft und ging ins Stadion. "Nach der ersten halben Runde habe ich schon überlegt, ob ich mir jetzt lieber einen Notarzt oder ein Sauerstoffzelt wünsche", sagt er heute lachend. Aber von Mal zu Mal wurden die Distanzen länger, heute legt er bis zu 300 Kilometer wöchentlich zurück. "Es hat mich gereizt zu wissen, wie weit mein Körper in Grenzbereiche gehen kann." Eine Erfahrung, die auch Gose kennt, der als Triathlon-Trainer in Halle sein Geld verdient und selbst schon bei Zehnfach-Ironmans gestartet ist.

Clemens hat den Extremsport längst zum Beruf gemacht. "Wo ich bin, da renne ich", sagt er, der seinen ersten Extremlauf von Hohenmölsen nach Ludwigshafen vor rund fünf Jahren einer verlorenen Wette zu verdanken hat. Ehefrau Bärbel wird diesmal dabei sein, sorgt im Begleitfahrzeug unter anderem für die Lebensmittelversorgung. Zwölf Liter Wasser und sechs Liter Cola soll es täglich für jeden Läufer geben. Dazu leichtes Essen. Kartoffeln, Quark, Käse, Obst.

Ist verrückt, wer sich solchen Strapazen aussetzt, die allein beim Erzählen manchem die Schweißtropfen auf die Stirn treiben? "Für mich ist es Freiheit zu laufen", sagt Gose. Anstrengung, die gibt es wohl. Vieles, erklären die beiden Sportler, sei aber nur eine Sache des Kopfes. Außerdem: "Da wird so viel Adrenalin ausgeschüttet, da hört man einfach nicht auf zu rennen", erklärt der Hallenser, der sich kaum Schöneres vorstellen kann, als in die Morgenröte hineinzulaufen, Wälder und Berge zu sehen. "Da genießt man einfach nur noch."