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Exportschlager mit Tradition Exportschlager mit Tradition: Sachsen ist Hochburg der Hortensien

Von Lars Müller 16.07.2013, 06:33
Hortensienzüchter Michael Wiedemann posiert in Dresden mit seinen gezüchteten Hortensienzüchtungen.
Hortensienzüchter Michael Wiedemann posiert in Dresden mit seinen gezüchteten Hortensienzüchtungen. dpa Lizenz

Dresden/Radebeul/dpa - Schwüle liegt in den Gewächshäusern im Dresdner Stadtteil Omsewitz. Dicht gedrängt stehen Hortensien verschiedener Sorten. Bei einer färben sich die Schmuckblätter, die einst dunkelrosa waren, allmählich grün. Züchterin Katrin Meinl zeigt auf winzige Samenkapseln dazwischen. Die Befruchtung der Pflanzen erfolgte aufwendig mit Pinsel, nichts wurde dem Zufall überlassen. Ob aus den Samen jedoch eine neue Sorte für den weltweiten Markt entsteht, wird erst in sechs bis acht Jahren feststehen. Solange werden die Pflanzen unter verschiedenen Bedingungen getestet und danach zum Sortenschutz angemeldet.

Mit Hingabe umsorgt

Die Firma Jungpflanzen Kühne in Dresden hat sich unter anderem den Hortensien verschrieben und setzt in Sachsen damit eine fast 100-jährige Tradition fort. Der erste Züchter in Sachsen war ein Friedrich Matthes aus Ottendorf-Okrilla nördlich der Landeshauptstadt, der nachweislich 1923 seine ersten vier Sorten vorstellte. „Die Hortensien erleben derzeit eine Renaissance“, sagt Meinls Kollege Michael Wiedemann. Es gebe kaum einen Spielfilm und kaum eine Sommershow, in denen Hortensien als Dekoration fehlen. Ganzseitige Anzeigen in Gartenzeitschriften bewerben die üppigsten Exemplare. Die Züchter wissen, dass nicht alle Sorten der Hydrangea - so die Fachbezeichnung - überall gleich gut gedeihen. Doch darauf nehme der Handel, der mit Werbung gezielt Trends setze, wenig Rücksicht.

Mitunter tauchten sogar uralte Sorten als vermeintliche Neuheiten wieder auf. Dabei gebe es inzwischen Neuzüchtungen, die pflegeleichter und kompakter im Wuchs seien. Auf die Zucht solcher Sorten setzt der Betrieb. „Wir haben 16 eigene Sorten schützen lassen und auf den Markt gebracht“, sagt Wiedemann nicht ohne Stolz. Die meisten Hortensien aus der Saxon-Serie tragen Namen sächsischer Sehenswürdigkeiten oder von bekannten Touristenorten. Unter den Neuzüchtungen sind zwei- und dreifarbige Hortensien. Regelrechte Prachtexemplare werden für die Hortensienausstellung im Landschloss Pirna-Zuschendorf vorbereitet und seit Wochen mit Hingabe umsorgt.

Für ausländischen Markt bestimmt

Vom 20. Juli bis zum 4. August werden auf dem Landschloss etwa 800 bis 1000 Pflanzen in 80 bis 100 verschiedenen Arten und Sorten zu sehen sein. Die dortigen botanischen Sammlungen, die zur TU Dresden gehören, beherbergen nach Angaben von Matthias Riedel, der die Pflanzen betreut, 400 Sorten und Arten. Sie gelten als größte Hortensiensammlung Deutschlands. Zugleich bilden sie einen Genpool, der unter anderem der Firma Kühne bei der Zucht neuer Sorten dient.
Fast jedes Jahr gelingt es Züchterin Meinl und ihrem Kollegen Wiedemann, eine neue Sorte zu etablieren. Im Herbst sollen zwei Hortensiensorten mit englischen Namen vorgestellt werden, die vor allem für den ausländischen Markt bestimmt sind. Lizenznehmer hat die Dresdner Firma nach eigenen Angaben inzwischen von Australien bis Kanada. Nur wer eine Lizenz dafür kauft, darf die Dresdner Kreationen über Stecklinge vermehren und vertreiben. Etwa 160.000 Töpfe mit sogenannter Rohware bringt Kühne in jedem Jahr selbst auf den Markt - Jungpflanzen, die von Gärtnereien später selbst bis zur Blüte getrieben und verkauft werden.

Es gibt richtige Sammler

Eine zweite Größe der Szene in Sachsen ist die Gärtnerei Ullmann in Radebeul. Der Familienbetrieb, der sich seit den 1960er-Jahren den Hortensien verschreibt, hat einst den gesamten Binnenmarkt der DDR mit Bauernhortensien versorgt. Damals habe es etwa acht bis zehn Sorten gegeben, sagt Gärtner Reinhard Ullmann. Heute umfasse das Standardsortiment 15 Sorten. Dazu hält die Spezialgärtnerei noch 59 unterschiedliche Raritäten für Liebhaber bereit, darunter etwa Rispen-, Teller- oder Schneeballhortensien und immerblühende Sorten oder solche mit auffälligen Blättern, die an Eichenlaub erinnern. „Es gibt richtige Sammler, die ständig neue Sorten kaufen“, sagt Ullmann. Der Trend gehe zu dekorativen Großpflanzen, mit denen stattet die Gärtnerei auch Feste, Filmdrehs und Hochzeiten aus.

Das Hauptgeschäft bildet aber auch bei Ullmann der Vertrieb von Rohware, die zwischen Frühling und Spätsommer in Deutschland und nach Skandinavien versendet wird - etwa 200 000 Töpfe pro Jahr. Noch immer beliebt seien die blau blühenden Sorten - die gibt es von Natur aus gar nicht. Sollen Hortensien blau blühen, müssten frühzeitig geeignete rosarot blühende Pflanzen mit Aluminium behandelt und der pH-Wert des Bodens beeinflusst werden, erklärt Ullmann. Allgemein gelten Hortensien, die es halbschattig und etwas feuchter mögen, als pflegeleicht. Lediglich Mehltau im Freien, Rote Spinnen in Gewächshäusern und Wintergärten sowie Schnecken können den Gehölzen zusetzen.
Sachsen gilt nach Angaben des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und Geologie neben dem Münsterland und dem Niederrhein als eine der Hochburgen der Hortensienkultur in Deutschland. Im Freistaat bilde die Hortensienzucht „eine Traditionslinie, die immer wieder neue Blüten treibt“, sagt der Referent für Zierpflanzenzucht im Landesamt, Stephan Wartenberg.

Die Hortensienzüchtung «Schloss Wackerbarth».
Die Hortensienzüchtung «Schloss Wackerbarth».
dpa Lizenz