Existenzgründung Existenzgründung: Kampf um den Traum
Halle (Saale)/MZ. - Es war ein Spaziergang an einem Frühlingstag des Jahres 2009, als Matthias Nolte eine Villa im halleschen Paulusviertel sah, die ihn begeisterte - und bis heute nicht losgelassen hat. Sicher, das Haus stand schon eine ganze Weile leer, es müsste einiges daran getan werden. Doch dieser Gedanke ging ihm nicht mehr aus dem Kopf: Dort, in dem Anfang des vorigen Jahrhunderts errichteten Bau, der zuletzt als Bürogebäude vom Landesverwaltungsamt genutzt wurde, ließe sich ein tolles Café einrichten. Die Idee von der beruflichen Selbständigkeit hatte der Bäckermeister, der gerade in das Viertel mit den vielen schönen Altbauten gezogen war, damals schon länger gehabt. Auch, wenn er zu diesem Zeitpunkt noch als Bezirksleiter einer Großbäckerei angestellt war.
"So ein Objekt gibt es nicht noch einmal", sagt Matthias Nolte heute, mehr als anderthalb Jahre später - und klingt dabei aufgebracht und verzweifelt gleichermaßen. Denn sein Lebenstraum, wie er es nennt, ist vorerst geplatzt: Gerade hat ihm die landeseigene Immobilienfirma Limsa mitgeteilt, dass aus dem Café in der Villa nun endgültig nichts wird. Bereits seit Monaten liegen Nolte und ein Freund, mit dem er es eröffnen möchte, mit dem Land deshalb im Clinch. Im Dezember haben sie Klage eingereicht, mit der der Abschluss eines Mietvertrages erreicht werden soll.
Denn eigentlich hatte es bereits mündliche und schriftliche Zusagen gegeben, dass das Erdgeschoss der Villa von den beiden gemietet werden kann, erzählt der 37-Jährige. Und er holt ein Schreiben der Limsa vom Juni 2010 hervor, in dem bestätigt wird, dass ein Pachtvertrag zum Zweck des Cafébetriebs möglich sei. Auch zu einem Antrag auf Umnutzung der Villa, der beim Bauordnungsamt gestellt werden musste, gibt es eine schriftliche Zustimmung der Limsa.
Aus diesen Gründen hatten die beiden Existenzgründer schon in ihr Vorhaben investiert - mehr als 30 000 Euro. So wurden zum Stil des Baus passende Möbel gekauft und aufgearbeitet, mit Innenarchitekten die Gestaltung geplant, notwendige Gutachten in Auftrag gegeben und Schulungen besucht. Ein detaillierter Mietvertragsentwurf von der Limsa lag voriges Jahr vor und der Termin für die Unterzeichnung stand fest, berichtet Nolte. "Im November sollte er in Kraft treten."
Zum Verkauf ausgeschrieben
Doch davon will das Land nichts mehr wissen. Nach den ausführlichen Planungen "kam Anfang Oktober völlig überraschend das Aus", erzählt er. Seither habe es unterschiedliche Begründungen dafür von Seiten des Landes gegeben - etwa jene, dass der Abschluss eines Mietvertrages einem beabsichtigten Verkauf des Objektes wertmindernd entgegen stünde.
Die Liegenschaft wird nun zum Verkauf ausgeschrieben, heißt es auf MZ-Anfrage aus dem Magdeburger Finanzministerium. An der Vermietung von Immobilien, die nicht mehr für Verwaltungszwecke benötigt werden, gebe es grundsätzlich kein Interesse. "Als Vermieter müsste das Land das Gebäude in einen Zustand bringen und während der Vertragsdauer auch erhalten, der für den Betrieb eines Cafés geeignet wäre", so Sprecher Rainer Metke. Da die Villa stark baufällig sei, wäre demnach eine Investition für das Land unwirtschaftlich - "weil sie sich im Falle eines späteren Verkaufs der Immobilie nicht vollständig auf den Kaufpreis umlegen ließe".
Warum das Land aber nicht bereits vor Monaten zu dieser Erkenntnis gekommen ist und den möglichen Pächter so in die Irre geführt hat, wird indes mit dem Verweis auf das schwebende Verfahren nicht beantwortet. Das Land habe außergerichtliche Vergleichsverhandlungen zur Regulierung des möglicherweise entstandenen Schadens angeboten, heißt es lediglich. "Wir möchten keine Entschädigung, sondern den Mietvertrag, um uns eine Existenz aufzubauen", sagt dazu Matthias Nolte.
Eröffnungstermin geplatzt
Und dann, wenn er von dem Café spricht, treten der Ärger und die Enttäuschung in den Hintergrund - und Euphorie an deren Stelle. An dem Projekt, sagt er, "hängt so viel Herzblut". Café Kronprinz soll es genannt werden, weil die dortige Straße einst Kronprinzenstraße hieß. Das würde auch zum Ambiente passen: "Man spürt noch das hochherrschaftliche Flair", sagt Nolte über die stuckverzierten hohen Räume der Villa, in der einst der Präsident der Landwirtschaftskammer zu Hause war.
Und er schwärmt davon, wie vor dem Gebäude ein Café-Garten entstehen könnte. Eigentlich hätten die beiden Existenzgründer das Café im März eröffnen wollen. Stattdessen hängt nun ein Schild mit der Internetseite des geplanten Cafés am Zaun vor dem leer stehenden Gebäude. Matthias Nolte hat es dort angebracht, um darauf aufmerksam zu machen. "Es gab Momente, in denen ich alles hinschmeißen wollte", sagt er. Doch seine Hoffnung und der Wille, um das Café zu kämpfen, sind stärker. Der Kredit von der staatlichen KfW-Bank zur Verwirklichung des gesamten Projektes liegt seit Monaten bereit, die Stadt Halle hat längst die Baugenehmigung erteilt. Eine Sprecherin teilt auf Anfrage mit, dass der Businessplan für das Café nicht nur von der Stadt, sondern auch anderen, wie der Industrie- und Handelskammer, als trag- und zukunftsfähig eingeschätzt wurde.
Sein Lebenstraum sei greifbar nah gewesen, sagt Matthias Nolte. Das möchte er nicht so einfach aufgeben./p>