Erstes Reparaturcafé Sachsen-Anhalts Erstes Reparaturcafé Sachsen-Anhalts: Lötkolben und Kaffee in Stendal
Stendal - Die Frau schaut genervt. „Also muss ich die Maschine jetzt wegwerfen“, fragt sie Dietrich Zosel. Der zögert und nickt dann leicht gequält. Eigentlich würde er den Kaffeeautomaten gerne reparieren. „Aber die Heizplatte ist kaputt und die gibt es nicht einzeln zu kaufen“, erklärt er der Frau. Die Unternehmen würden nicht wollen, dass man das repariert. „Dabei wäre das gar nicht schwer.“
Enttäuscht verlässt die Frau den Laden. Die Maschine hat sie unter dem Arm. „Jetzt landet ein noch funktionstüchtiges Gerät auf dem Müll“, ärgert sich Zosel und wendet sich seinen nächsten Kunden zu. Und von denen gibt es an diesem Donnerstagnachmittag viele im Reparaturcafé in Stendal (Altmark): Eine Frau mit einer defekten Brotschneidemaschine etwa, und einen Mann mit seinem Staubsauger: „Der gibt keinen Mucks mehr von sich.“
Zosel, 65 Jahre alt, Diplomingenieur und jetzt Rentner, nimmt sich mit seinem Kollegen Manfred Dönhoff für jeden Hilfesuchenden Zeit. Er hat das Reparaturcafé vor eineinhalb Monaten gegründet. Es ist das erste in Sachsen-Anhalt. „Ich wollte das schon lange machen, nur haben die geeigneten Räume gefehlt“, sagt Zosel. Gefunden hat er sie schließlich im Sozialkaufhaus „Help“ in der Stendaler Innenstadt.
Erstes Café in Amsterdam
Die Idee hinter dem Reparaturcafé stammt aus den Niederlanden und richtet sich gegen eine weit verbreitete Wegwerfmentalität, die mittlerweile eine Wegwerfnormalität erzeugt hat. „Geräte landen zu schnell auf dem Müll“, sagt Zosel. Das sei ganz im Sinne der Unternehmen. „Für die lohnt es sich natürlich, wenn neu gekauft wird.“ Ressourcenschonend und nachhaltig sei das freilich nicht.
2009 wurde das erste „Repair Café“ in Amsterdam eröffnet. 2014 gab es weltweit schon 700 davon, allein 200 in Deutschland. Das Erfolgsrezept ist einfach: Menschen mit handwerklichem Geschick und technischem Verstand helfen Menschen, die von beidem wenig haben. Das ganze findet in gemütlicher Café-Atmosphäre statt: Auf der Werkbank glüht der Lötkolben, in der Hand der Kunden der heiße Kaffee. Alles läuft auf ehrenamtlicher Basis. Um Profit geht es nicht.
Vieles ist noch provisorisch
In Stendal ist derzeit allerdings vieles noch eher provisorisch. Das Werkzeug und die Materialien haben Zosel und Dönhoff aus ihrem privaten Fundus mitgebracht. „Die Räumlichkeiten sind auch etwas beengt“, sagt Dönhoff. Allerdings zahlen sie im Sozialkaufhaus keine Miete - dafür locken sie Kundschaft an. Zu den beiden Hobby-Bastlern kommen vor allem ältere Menschen, die wenig Geld haben. „Die können sich einen Neukauf technischer Geräte oft nicht leisten und sind dankbar, wenn man ihnen hilft“, sagt Zosel.
Er und Dönhoff beugen sich gerade gemeinsam über den Staubsauger. Es geht gut voran. Die Plastik-Verschalung ist abgenommen. Alles sieht sehr fachmännisch aus. Zosel war zu DDR-Zeiten Ingenieur in einem Dachpappenwerk. „Wir hatten damals keine Anleitungen für die ganzen Apparate“, erzählt er. Immer wenn etwas kaputt ging, mussten er und sein Team sich die Lösung erarbeiten.
Die Erfahrungen von damals helfen ihm auch im Café noch. Der Fehler beim Staubsauger ist bereits entdeckt. „Ein Kabelbruch“, sagt Manfred Dönhoff. Allerdings kommen die beiden nicht an die defekte Stelle heran. Ein häufiges Problem. „Geräte werden heute so gebaut, dass sie nur schwer reparierbar sind“, erklärt Zosel. Damit wird ihre Obsoleszenz beschleunigt. Mit dem Begriff ist die Alterung von Geräten gemeint - also wie schnell sie nicht mehr gebrauchsfähig sind.
Geräte immer früher defekt
Ob dieser Zustand immer früher eintritt und sogar von Unternehmen künstlich erzeugt wird, wurde bereits in Studien erforscht. Die aktuellste stammt vom Bundesumweltamt. Anfang der Woche präsentierten die Forscher erste Ergebnisse. Demnach treten Defekte bei Haushaltsgroßgeräten im Vergleich immer früher auf. Auch werden Produkte mittlerweile schneller ausgetauscht. Beim Neukauf eines Flachbildfernsehers ist das Altgerät der Kunden derzeit durchschnittlich erst 5,6 Jahre alt. Früher waren es mal über zehn Jahre.
Allerdings konnte nicht nachgewiesen werden, dass dahinter eine geplante Obsoleszenz steckt - also der gezielte Einbau von Schwachstellen durch Unternehmen. Viel mehr sprechen die Forscher von einer gewollten Alterung. Das zeigt sich am Beispiel der Fernseher. Nur ein Viertel der Altgeräte ist defekt. Die neuen TV-Apparate werden hauptsächlich gekauft, weil sie technisch mehr leisten. Allerdings wird auch dieses Verhalten durch Unternehmen, die in immer kürzeren Abständen neue Geräte auf den Markt bringen, bestärkt.
Im Reparaturcafé ist der Mann mit seinem Staubsauger derweil bereits wieder gegangen. Bleibt noch die Brotschneidemaschine. Und bei der gibt es einen Erfolg. Dönhoff hat den Motor ausgebaut. „Die Kohlebürste ist abgenutzt“, sagt er. Dadurch sei der elektrische Kontakt gestört. „Kann das repariert werden“, fragt die Besitzerin. „Das kriegen wir hin“, versichert Dietrich Zosel. „Nächste Woche können Sie die Maschine abholen.“ (mz)