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Ernährung Ernährung: Blick in Kühlschrank kann helfen

Von ANNE BÖTTGER 22.05.2011, 18:14

Halle (Saale)/MZ. - Wenn Deniz Cagac in seiner Pause an der Theke sitzt und einen Tee trinkt, blickt er hin und wieder nach rechts und links. Dorthin, wo seine Gäste sitzen. Dorthin, wo seine Gäste essen. Der 36-Jährige schaut ihnen auf die Teller, schlürft nebenbei seinen Tee weiter. Als er das verzierte Glas abstellt, huscht ein Lächeln übers Gesicht. "Sehen Sie, bei uns bleibt so gut wie nie etwas übrig. Nicht einmal auf den Tellern der Gäste."

Deniz Cagac ist Geschäftsführer im "Lady Eda Grillhaus" im halleschen Stadtzentrum. Er sagt, Lebensmittel würden in seinem Dönerladen nicht weggeworfen, weil er seine Einkäufe gut plane und deshalb am Ende eines Tages nichts übrig bleibe. Damit ist der Kurde ein Lichtblick für die Statistiker der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Laut ihrer jüngsten Studie landet rund ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel niemals auf dem Teller. 1,3 Milliarden Tonnen Nahrungsmittel pro Jahr würden weltweit verschwendet, 20 Millionen in Deutschland. Etwa zehn Prozent aller verpackten Lebensmittel in Deutschland wandern ungeöffnet in die Tonne.

"Bei Wurst bin ich vorsichtig", sagt Rentnerin Erika Steinke aus Bad Dürrenberg im Saalekreis. Wenn die 81-Jährige die mal nicht ganz schafft und dass Verfallsdatum überschritten ist, dann wandern schon mal ein paar Scheiben in den Müll. Aber noch verschlossene Verpackungen wegzuschmeißen, das kann sich die alleinlebende Frau nicht vorstellen. Laut FAO-Studie aber ist genau dies in Deutschland der Fall: Auffallend viele verpackte und ungeöffnete Nahrungsmittel landeten im Abfall. Dabei könnten die Verbraucher entspannter mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum umgehen, so die Verfasser der Studie. Denn es gebe nicht den einen Tag, an dem ein Produkt weggeworfen werden muss. Das Datum ist vielmehr die Garantie, bis wann sachgerecht gelagerte Lebensmittel bedenkenlos verzehrt werden können. Haltbar sind sie in der Regel länger.

Konstanze Winkler hingegen muss es mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum genau nehmen. Sie ist Restaurantinhaberin in Halle, kann und will kein Risiko eingehen. "Selbst eingefrorene Lebensmittel werden genau datiert", sagt sie. Verfällt das Essen, kommt es in eine gesonderte Tonne, die von einem Spezialunternehmen ein bis zwei Mal im Monat abgeholt und zu einer Biogasanlage gebracht wird. Aus den Reststoffen entsteht dort neben Düngemittel umweltfreundliche Energie in Form von Strom und Wärme.

Genaue Planung

Viel muss Konstanze Winkler im "Groben Gottlieb" aber nicht wegwerfen. Mit ihrer langjährigen Erfahrung könne sie mittlerweile genau planen. "Ich kaufe eher zu wenig als zu viel", sagt sie. Lieber gehe sie nochmal los, um Ware nachzukaufen. "Schmeiße ich Essen weg, schmeiße ich Geld weg", sagt die Inhaberin. Ist aber Ware überlagert oder einmal verarbeitet worden, hat Konstanze Winkler keine andere Wahl. So besteht beispielsweise ein Verfütterungsverbot an Schweine.

Kurz vorm Verfallsdatum gibt es derweil noch eine Chance: Die hallesche Tafel etwa bekommt die Lebensmittel, die an Bedürftige verteilt werden, von Supermärkten aus der Region. Die Mitarbeiter dürfen dabei nur Ware annehmen, die kurz vor Ablauf der Mindesthaltbarkeit stehen.

Wenn Obst und Gemüse Druckstellen haben, muss sich auch Markthändlerin Bärbel Hertel etwas einfallen lassen. "Daraus wird dann Ware, die wir für 50 Cent das Kilo verkaufen", sagt die Inhaberin eines Obst- und Gemüsehandels, die regelmäßig auf dem Markt in Halle steht. Der Rest, was eine überschaubare Menge sei, landet auf dem Müll. Ihre 500-Liter-Mülltonne werde zweimal in der Woche abgeholt, sagt die 50-Jährige. "Genau planen gehört zum Job, sonst machen wir Miese."

Tipps und Tricks

Und es gibt Tricks, die auch Rentnerin Erika Steinke kennt: Täglich blickt sie in ihren Kühlschrank, um zu prüfen, welche Lebensmittel sie beim nächsten Einkauf auf ihrer Liste haben muss. So weiß die 81-Jährige genau, was sie braucht - und kann verhindern, dass sie zu viel in den Einkaufswagen packt. Ein Tipp, den auch die Verbraucherschützer geben. "Mangelnde Einkaufsplanung" sei eines der größten Probleme der Verbraucher, heißt es in der FAO-Studie. "Wenn ein wenig bewusster geplant und gekauft wird, kann vermieden werden, dass Lebensmittel unnötig im Müll landen", sagt Melanie Schmolke von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Bewusst planen, kaufen und kochen - damit hat Erika Steinke schon vor Jahren angefangen. "Einen Tag gibt es bei mir Pellkartoffeln, den nächsten Bratkartoffeln. So muss ich nichts wegschmeißen, weil ich zu viel gekocht habe", sagt sie . Im Kühlschrank steht nur so viel, wie sie wirklich braucht. Und das ist überschaubar: Ein paar Becher Joghurt, ein kleines Töpfchen Krautsalat, Marmelade, Butter und eben die Pellkartoffeln vom Mittag.

Nach Hochrechnungen werden in Deutschland pro Kopf jährlich Nahrungsmittel im Wert von 330 Euro weggeworfen. Die Nachbarn von Deniz Cagac hingegen können sich über ihren großzügigen Nachbarn freuen: "Wenn ich zu Hause zu viel gekocht oder eingekauft habe, dann gebe ich gerne ab. Ich verstehe nicht, wie Leute etwas wegschmeißen können." So lande auch privat bei ihm kein Essen in der Tonne, sagt er. "Es gibt keinen in dem Mietshaus, der noch nicht kurdisch gegessen hat."