Ermittlungen gegen Pädophile Ermittlungen gegen Pädophile: "Es waren keine Kinder in Gefahr"

Magdeburg/MZ - Der Ascherslebener Zoo ist über die Grenzen der Stadt am Harzrand hinaus für seine weißen Tiger bekannt. Doch für eine Gruppe Besucher waren die Raubkatzen gänzlich uninteressant. Stattdessen beobachteten die zehn Männer und eine Frau nach Polizeiangaben stundenlang Kinder auf dem Spielplatz von den Terrassen des „Dschungelcafés“ aus. Mit solch’ großer Begeisterung, dass sie ein ursprünglich geplantes Grillfest kurzerhand absagten.
15.000 bis 20.000 Kinder werden jährlich in Deutschland sexuell missbraucht. Das geht aus der Kriminalstatistik und aus wissenschaftlichen Studien hervor. Als Missbrauch gelten intime Kontakte mit einem Kind, aber auch seine Nötigung zu sexuellen Posen und Handlungen, um sie zu fotografieren oder zu filmen.
Sowohl Herstellung und Bereitstellung als auch Besitz und Konsum solchen kinderpornografischen Materials sind strafbar. Es drohen Geldbußen und mehrjährige Haft. 80 Prozent der angezeigten Fälle werden laut Bundeskriminalamt aufgeklärt. Darüber hinaus gibt es aber eine große Dunkelziffer.
Die Polizei geht derzeit davon aus, dass es sich um eine Gruppe von Pädophilen aus der ganzen Bundesrepublik und der Schweiz handelt, die den Besuch im Zoo offenbar zur Anbahnung neuer Kontakte zu Kindern nutzen wollte. Zu diesem Zweck habe - so die Polizei - der Organisator des Treffens, ein Mann aus Aschersleben, seine fünfjährige Nichte mitgebracht. Das Mädchen sollte wohl als Lockvogel dienen. Es befindet sich inzwischen wieder bei seinem Vater.
Festnahmen mitten in der Altstadt
Die Gruppe habe jedoch den ganzen Tag über unter Kontrolle der Polizei gestanden, sagte am Montag der Chef der Kriminalpolizei der Direktion Nord in Magdeburg, Holger Herrmann. Erst zehn Tage zuvor hatten die Ermittler von einem Journalisten einen Tipp auf das in Aschersleben anstehende Treffen erhalten.
Ein Reporter des Fernsehsenders RTL hat der Polizei den entscheidenden Tipp auf das Pädophilen-Treffen in Aschersleben gegeben.
Nach RTL-Angaben hatte sich der 45-Jährige zunächst in Internetforen aufgehalten, um Strukturen und Arbeitsweise der Pädophilen-Szene aufzudecken.
Schließlich sei er „nach diversen Sicherheitsprüfungen“ vor zwei Wochen zu dem Szene-Treffen am vergangenen Wochenende in Aschersleben eingeladen worden. Weil er dort „Anbahnungsversuche“ zu Kindern befürchtete, schaltete er die Polizei ein.
137 Beamte hatten das nach Einschätzung der Polizei eher ungewöhnliche Treffen von Pädophilen in der realen Welt abgesichert. „Es waren am Sonnabend keine Kinder in Gefahr“, beteuert Herrmann. Räumt aber auch ein, dass „aus taktischer Sicht ein Zugriff auf dem Spielplatz sehr ungünstig gewesen wäre“. Man habe möglichst wenig Aufsehen erregen wollen. Ursprünglich habe man die Gruppe daher auch auf einem Privatgrundstück festnehmen wollen - dort, wo die abgesagte Grillparty steigen sollte. Am Ende sorgten die Festnahmen mitten in der Altstadt dann doch für Aufsehen - doch es schien wohl der einzig mögliche Ort zu sein, wo man aller Verdächtigen gleichzeitig hätte habhaft werden können.
Polizei steht mit leeren Händen da
Das Problem: Bis zu diesem Zeitpunkt kannten die Ermittler die tatsächliche Identität der elf Personen nicht, nur Spitznamen aus den Kontakten in einem Internet-Chatroom waren bekannt. In dem geschlossenen Forum unter dem Namen „Girllover“ hatten sich die elf Verdächtigen nach Polizeiangaben kennengelernt und sich über ihre Neigungen ausgetauscht: „Sehr vorsichtig und konspirativ“, so Herrmann, letztlich aber auch eindeutig: „Es gibt eindeutige Referenzen zu den Nutzerprofilen“ - etwa, ob man auf Kinder „im Alter von sieben bis elf oder 0,5 bis sieben Jahren steht“. Zudem seien offenkundig Hinweise zum Kindesmissbrauch gegeben worden - etwa, wie ein Kinderbett möglichst stabil aufgebaut werde, so Herrmann.
Viele Hinweise also auf den strafbaren Besitz und Handel von Kinderpornografie - und Hinweise auf Kindesmissbrauch. Und dennoch steht die Polizei derzeit noch mit nahezu leeren Händen da. Kinderpornografisches Material hatten die elf Verdächtigen laut Herrmann nicht dabei - ob auf den Rechnern und Datenträgern, die bei Durchsuchungen in Aschersleben, Dortmund und Berlin sichergestellt wurden, entsprechende Daten gefunden werden, ist noch offen. Die Auswertung der Beweisstücke steht derzeit noch aus. Hinweise auf die Produktion von Kinderpornos gibt es derzeit ebenfalls nicht. Für Herrmann steht dennoch fest: „Der Einsatz war erfolgreich, weil die Identität der Verdächtigen jetzt klar ist.“
