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Erfurt Erfurt: Schüsse am Rande des Papstbesuchs

Von Petr Jerabek und Vera Fröhlich 24.09.2011, 07:16
Papst Benedikt XVI. (M.), aufgenommen auf dem Messegelände in Freiburg bei einer Gebetsvigil für jugendliche Gläubige auf der Altarbühne. (FOTO: DAPD)
Papst Benedikt XVI. (M.), aufgenommen auf dem Messegelände in Freiburg bei einer Gebetsvigil für jugendliche Gläubige auf der Altarbühne. (FOTO: DAPD) dapd

Erfurt/dpa. - Zehntausende Menschen haben PapstBenedikt XVI. am dritten Tag seines Deutschlandbesuchs in Freiburgbegeistert empfangen. Am Mittag jubelten 24.000 Menschen demOberhaupt der katholischen Kirche in der Freiburger Innenstadt zu,am Abend feierten in etwa genau so viele mit ihm einenJugendgottesdienst auf dem Messegelände. Am Vormittag hatte derPapst auf dem Erfurter Domplatz eine Messe zelebriert. Dabeiwürdigte er den Widerstand von Christen in der DDR und rief dazuauf, auch heute den Glauben zu verkünden.

Freiburg ist die letzte Station der viertägigen Reise Benedikts,die am Sonntag endet. Der baden-württembergische MinisterpräsidentWinfried Kretschmann begrüßte den Papst am Mittag auf dem FlughafenLahr. In einem zehnminütigen Gespräch mit ihm habe sich Benediktauch nach dem umstrittenen Bahnprojekt «Stuttgart 21» erkundigt,berichtete der Grünen-Politiker.

Bei strahlendem Sonnenschein richtete der Papst dann auf demFreiburger Münsterplatz einen Gruß an die Menge, die ihm begeistertzujubelte und «Benedetto»-Rufe skandierte. Benedikt bedankte sichfür den «herzlichen Empfang». Er sei glücklich, nach den schönenBegegnungen in Berlin und Erfurt nun auch in Freiburg sein zudürfen, «von der Sonne beleuchtet und erwärmt».

Treffen mit Kohl

Am Nachmittag empfing der Papst im Freiburger PriesterseminarAlt-Bundeskanzler Helmut Kohl zu einer Privataudienz, um dessenVerdienste um die deutsche Einheit zu würdigen. Das 20-minütigeGespräch habe eine «persönliche und herzliche Atmosphäre» geprägt,sagte Papst-Sprecher Federico Lombardi laut Radio Vatikan.

Bei einer Begegnung mit Vertretern der Orthodoxen Kirchen riefBenedikt XVI. zum gemeinsamen Einsatz aller Christen gegenantireligiöse Tendenzen in der Gesellschaft auf. Gemeinsam trätendie christlichen Kirchen für den Schutz des menschlichen Lebens vonder Empfängnis bis zum natürlichen Tod ein.

Zudem traf sich der Papst mit dem Präsidium des Zentralkomiteesder deutschen Katholiken (ZdK) und drückte seine Wertschätzung fürdas Engagement der Laienvertretung aus. Allerdings gab er auch zuverstehen, dass er die wiederholten Forderung aus dem ZdK nachStrukturreformen in der Kirche für den falschen Ansatz halte. Esgebe in Deutschland einen Überhang an Strukturen gegenüber demGeist. Die eigentliche Krise der Kirche in der westlichen Welt seieine Krise des Glaubens: «Wenn wir nicht zu einer wirklichenErneuerung des Glaubens finden, wird alle strukturelle Reformwirkungslos bleiben», sagte er laut Redemanuskript.

Beim Abendgottesdienst rief Benedikt die Jugend auf, «glühendeHeilige zu sein». Das bedeute nicht, nur «asketische und moralischeHöchstleistungen» vollbringen zu müssen. Auch Heilige seien nichtohne Sünde. Entscheiden sei nicht, «wie oft wir im Leben straucheln,sondern wie oft wir wieder aufstehen».

Schüsse in Erfurt

Vor seiner Abreise in den Breisgau predigte der Papst auf demErfurter Domplatz vor 28.000 Menschen. «Hier in Thüringen und in derfrüheren DDR habt ihr eine braune und eine rote Diktatur ertragenmüssen, die für den christlichen Glauben wie saurer Regen wirkte»,sagte Benedikt XVI. Viele Spätfolgen der Diktaturen seien nochaufzuarbeiten, «vor allem im geistigen und im religiösen Bereich».Die Mehrzahl der Menschen lebe fern vom Glauben und von der Kirche.

Die Gläubigen sollten daher auf die Mitbürger zugehen und sieeinladen, «die Fülle der frohen Botschaft» zu entdecken. «Wir wollenuns nicht in einem bloß privaten Glauben verstecken, sondern diegewonnene Freiheit verantwortlich gestalten», betonte der Papst.

Überschattet wurde die Eucharistiefeier von einem Zwischenfall:Ein Mann gab mit einer Luftdruckwaffe vier Schüsse aufSicherheitspersonal ab. Verletzt wurde aber niemand. Die Schüssewaren vor Beginn der Papstmesse an einer der Einlass-Schleusen auseiner Dachgeschosswohnung abgefeuert worden. Nach dem Ende desGottesdienstes stürmten Beamte die Wohnung. Der mutmaßliche Schützewurde vorläufig festgenommen. Gegen ihn wird wegen versuchtergefährlicher Körperverletzung ermittelt.

Kritik von Missbrauchsopfern

Noch am Freitagabend hatte sich der Papst in Erfurt mit fünfOpfern sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche getroffen.Dabei wurden die Verfehlungen von Priestern und Kirchenmitarbeiternnach Angaben des Trierer Bischofs Stephan Ackermann offenangesprochen. «Es wurde kein Blatt vor den Mund genommen», sagte derBeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz gegen Missbrauch.Benedikt XVI. habe seine Beschämung und seinen Schmerz über denMissbrauch ausgedrückt.

Das «Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt» (NetzwerkB)kritisierte das Gespräch als «scheinheiliges Getue». «Der Papsttrifft sich heimlich hinter verschlossenen Türen mit Opfern», sagteNetzwerkB-Vostand Norbert Denef der Nachrichtenagentur dapd. Das sei«nichts anders als Verschweigen und Vertuschen» und ein «Schlag insGesicht derer, die sich lautstark melden».

Papst Benedikt XVI. in Freiburg. Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche ist zu Besuch in Deutschland. (FOTO: DPA)
Papst Benedikt XVI. in Freiburg. Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche ist zu Besuch in Deutschland. (FOTO: DPA)
dpa
Bei der Heiligen Messe des Papstes auf dem Doplatz in Erfurt ist ein Schuss gefallen. (FOTO: DPA)
Bei der Heiligen Messe des Papstes auf dem Doplatz in Erfurt ist ein Schuss gefallen. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild