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Erdrutsch in Nachterstedt Erdrutsch in Nachterstedt: Viele Fragen bleiben offen

Von ALEXANDER SCHIERHOLZ 21.07.2009, 18:53

NACHTERSTEDT/MZ. - Der Landrat des Salzlandkreises, Ulrich Gerstner (SPD), sagte am Dienstag, nach dem Abrutschen der Böschung in den Concordia-See sei ein in unmittelbarer Nähe der jetzt gesperrten Häuser installierter Grundwasserpegel um knapp zwei Meter gesunken.

Entspannung bei Wasserdruck

Laut Gerstner waren Experten bei der Vorbereitung für die Begehung der geräumten Häuser am Sonntagabend auf den niedrigen Grundwasserstand aufmerksam geworden. Der Pegel deute darauf hin, "dass es eine Entspannung des Wasserdrucks gegeben haben muss". Offenbar seien mit dem Hang auch große Mengen Grundwasser weggespült worden. Ob eine Grundwasserblase regelrecht geplatzt ist und den Hang mitgerissen hat, ist aus Sicht Gerstners aber Spekulation.

Die "Süddeutsche Zeitung" hatte berichtet, die Pegel hätten bereits vor dem Unglück ungewöhnliche Wasserstände angezeigt. Sowohl Gerstner als auch der Dezernatsleiter Altbergbau beim Landesamt für Geologie und Bergwesen, Gerhard Jost, dementierten dies. Fallende Pegel seien erst nach der Katastrophe registriert worden. Der Bergbausanierer LMBV will derweil mit Blick auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und den vom Unternehmer eingeschalteten Gutachter einzelne mögliche Ursachen nicht mehr kommentieren, sagte Sprecher Uwe Steinhuber. "Man muss jetzt alle Faktoren prüfen. Da können Hunderte von Einzelaspekten zusammenkommen."

Unterdessen wurde am Dienstag die Vermutung zur Gewissheit, dass die Häuser des Wohngebietes "Auf der Halde", aus denen 44 Bewohner in Sicherheit gebracht wurden, nicht mehr zu nutzen sind. So wurde bei einer Inspektion, an der auch die Bergwacht beteiligt war, festgestellt, dass rund 30 Meter hinter der Bruchkante sich neue leichte Risse im Hang gebildet haben. Und auch in den Gebäuden sind an den Wänden und Mauern weitere Risse entstanden. "Ein eindeutiger Beleg, dass der Kippenbereich noch aktiv und nicht zum Stillstand gekommen ist", sagt Altbergbau-Experte Jost. Ersten weiteren Abbrüchen gewinnt Jost aber durchaus etwas Positives ab: "Die entstandenen Schuttkegel am Fuß der Halde bauen einen Gegendruck auf den Hang auf." Zudem gehen die Experten davon aus, dass sich der Hang, der momentan eine extreme Neigung von 70 Grad hat, auf natürliche Art und Weise weiter abschrägen wird. Dies werde aber Monate dauern und mache einen Abriss der Häuser unmöglich.

Die Katastrophe von Nachterstedt hat unterdessen die Debatte um die Nutzung der Braunkohle und ihrer Tagebaurestlöcher angeheizt. Der BUND-Landesverband verlangte einen sofortige Stopp des Abbaus. Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) erteilte dem eine Absage: "Sachsen-Anhalt setzt auch weiter auf einen Mix aus erneuerbaren Energien und der Braunkohle." Haseloff machte aber deutlich, dass es bis zur Klärung der Unglücksursache keine Genehmigungen für den Neuaufschluss von Tagebauen geben werde. Zudem "werden die Erkenntnisse aus Nachterstedt in alle künftigen bergbaulichen Genehmigungen einfließen", so Haseloff.

Hilfe für Tourismus

Der Minister betonte erneut, dass die Katastrophe auch Auswirkungen auf die Nutzung von Tagebauseen haben werde, nicht überall werde es zur erhofften touristischen Nutzung kommen. Wie es am Concordia-See weitergehe, müsse abgewartet werden. Davon hänge auch ab, ob das Land touristischen Betrieben unter die Arme greife. "Mittelfristig sehen wir uns aber schon in der politischen Verantwortung", so Haseloff.