Entdeckung in Stolberg Entdeckung in Stolberg: Vier Heilige geben Rätsel auf
Stolberg/MZ. - "Sie sind einmalig", schwärmt Historikern Monika Lücke. "Ich habe in Deutschland und im Alpenraum bisher nichts Vergleichbares gefunden." Vier Heiligenfiguren liegen vor ihr im Stolberger Museum: Christopherus, die Gottesmutter Maria, die Heilige Katharina und der Heilige Martin.
Eigentlich müssten die Plastiken aufrecht stehen. Doch das Harzstädchen baut, während andernorts über Museumsschließungen debattiert wird, gerade ein neues Haus auf. Aus dem Heimatmuseum soll die "Alte Münze" werden. Deshalb mussten die Figuren vorerst ins Magazin, wo die Historikerin von der Uni Halle begann, sich intensiver mit ihnen zu beschäftigen. Und sie stieß auf viele Rätsel.
Mit historischem Spürsinn versucht sie seither, die Herkunft von Christopherus, Katharina, Maria und Martin zu ergründen. Auch wenn die Vier nicht so bekannt sind wie die Sternenscheibe von Nebra oder die Funde aus der Abfallgrube von Luthers Eltern, auch sie sind eine kleine Sensation. Und kaum weniger spannend ist es, hinter ihre Geheimnisse zu kommen.
So weiß bisher niemand, woher die Heiligen stammen. Jahrzehnte waren sie im Museum. Und davor? Nach dendro-chronologischen Untersuchungen der Hölzer hat Bauforscher Frank Högg dieser Tage bestätigt, dass die Figuren um 1490 gefertigt wurden. Über den Künstler, dem Kunsthistoriker eine sehr qualitätvolle Arbeit bescheinigen, ist nichts bekannt. Bemerkenswert: Alle Heiligen sind Bestandteil dicker Ständer, nicht aufgeleimt oder genagelt, sondern direkt aus dem Holz geschnitzt.
Ihre Funktion ist kein Geheimnis. "Die Figuren waren die vier Eckpfosten einer Bohlenstube", erklärt Monika Lücke. Sehr wahrscheinlich standen sie einmal im Erdgeschoss eines Fachwerkhauses, waren in seiner Konstruktion fest integriert. Vergleichbare Eckpfosten nur ohne figürlichen Schmuck finden sich auch in anderen Bohlenstuben in Stolberg.
Durch Umbauten und Verblendungen waren viele dieser Räume Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dem Auge verborgen. Im Zuge von Sanierungen kommen sie erst jetzt wieder zum Vorschein, wie jüngst im Haus Am Markt 12. "Bohlenstuben gehören zur Wohnkultur in Stolberg", weiß Monika Lücke. Seit dem späten Mittelalter sind sie in Bürgerhäusern zu finden, auch in Burgen. Oft waren die Holzwände bemalt, die Deckenbalken besonders verziert. Nur die Heiligen scheinen einmalig zu sein im Harzstädtchen und weit darüber hinaus.
Bleibt die Frage: Welchen Raum schmückten die vier Plastiken einst? "Es muss ein sehr repräsentativer gewesen sein", sagt die Historikerin. Der Überlieferung nach sollen sie im Vaterhaus von Thomas Müntzer gestanden haben, in dem es 1851 brannte. Doch hat Christopherus dem Bauernkriegs-Führer wirklich beim Mittagsmahl zugeschaut?
Monika Lücke hat eine andere Theorie. Sie vermutet, dass die Heiligen einst den Ratssaal des alten Stolberger Rathauses schmückten. Es stand quer über die Straße zwischen dem erhaltenen Seigerturm, früher der Rathausturm, und dem Wohnhaus der Müntzers. 1746 wurde das Rathaus wegen Baufälligkeit abgetragen. Möglich, dass die Figuren danach in das Nachbarhaus eingebaut wurden, in dem Thomas Müntzer um 1500 lebte. Ob dies wirklich die Antwort auf das Rätsel um die Herkunft der Figuren ist, Belege dafür gibt es bisher nicht. Große Erwartungen setzt Monika Lücke deshalb in die noch laufenden Untersuchungen.