Elbdeich nahe Fischbeck Elbdeich nahe Fischbeck: Weltkriegsmunition noch immer scharf

Fischbeck - Bis zum letzten Moment versuchten die Helfer den Damm nahe Fischbeck im Elbe-Havel-Winkel zu halten. Doch vergebens. Am Morgen des 10. Juni 2013 strömten die Wassermassen zuerst nur durch ein Loch, bis die Flut dieses komplett aufriss.
Dann brach der Damm auf einer Länge von 80 Metern. Millionen Kubikmeter Wasser fluteten 200 Quadratkilometer Land - auch Orte, die kilometerweit entfernt lagen. Der Damm konnte erst Tage später geschlossen werden, als drei ausgediente Lastkräne an der Bruchstelle versenkt wurden.
Waffen und Munition von 100.000 Wehrmachtssoldaten aus dem Zweiten Weltkrieg am Elbdeich bei Fischbeck
Vor vier Jahren war das Gebiet östlich von Stendal allerdings nicht zum ersten Mal Ort eines verzweifelten Kampfes: 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, kamen deutsche Einheiten der Wehrmacht auf ihrem Rückzug an der Elbe zum Stehen und fochten letzte Abwehrkämpfe gegen die amerikanischen Truppen.
Diese sollten die Elbe unter keinen umständen überqueren. Bis zu 100.000 deutsche Soldaten hatten sich hier im Anschluss ihrer Ausrüstung entledigt, Waffen und Munition einfach weggeworfen. Nachdem sie abgezogen waren, wurden die Granaten, Helme und Panzerfaustköpfe von Anwohnern in der Erde vergraben. Und liegen hier bis heute.
Damit sich die Katastrophe von 2013, die damals quasi über Nacht über die Bewohner Fischbecks hereinbrach, nicht wiederholt, soll der Damm einem nächsten Hochwasser in jedem Fall Stand halten. Im April dieses Jahres beginnen die nötigen Sanierungsarbeiten an zwei Kilometern des Deiches. Sie sollen bis 2018 abgeschlossen sein.
Wenige Wochen vor Start trifft man am Wall östlich von Stendal aber vor allem Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KBD) Sachsen-Anhalt an.
Denn auf der mehr als 20 Hektar großen Fläche werden seit Monaten Unmengen an Munition und andere Militärgegenstände gefunden. „Von Panzerfäusten bis Granaten und Mienen haben wir hier schon alles aus dem Boden geholt“, sagt Andre Römmer vom KBD. Die Munition sei nach wie vor scharf. „Die sollte töten und das tut sie noch immer. Deshalb müssen wir sie sprengen“, sagt Römmer.
Spezielle Sensoren im Einsatz
Durch den Bau des Dammes sei die Munition zum Teil unter mehreren Metern Erde begraben worden. Würde ein Bagger auf eine Granate treffen, würde diesen hochjagen. Bis die Arbeiten am Elbedamm beginnen können, müsse die Umgebung deshalb auf Kampfmittel untersucht werden.
Diese werden mit speziellen Sensoren im Boden aufgespürt und anschließend ausgehoben. Circa die Hälfte der Fundmunition könne bedenkenlos abtransportiert werden. „Der Rest muss kontrolliert gesprengt werden“, so Römmer.
Auch am vergangenen Mittwoch hatten die Mitarbeiter wieder ein Loch in den Boden des Ackers gegraben. Circa hundert Meter neben dem Elbedamm und so groß wie ein halbes Garagentor. Neun Panzergranaten und eine Panzerfaustkopf lagen darin. „Wir sprengen in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal“, sagt Römmer. 11.42 Uhr folgte dann der ohrenbetäubende Knall und ein erleichtertes Seufzen von KBD-Mitarbeiter Dieter Schwarz: „Alles gut gegangen.“
Gefährlich sei die Munition im Boden rund um den Damm allerdings nicht nur für Bauarbeiter. In den vergangenen Monaten hätten Privatpersonen das Areal für sich entdeckt, würden auf eigene Faust nach Granaten und anderen Militärgegenständen suchen. „Hochgefährlich und darüber hinaus strafbar“, sagt Römmer. Bis April soll das Gelände so gut es geht von scharfer Munition befreit sein. „Ein paar Sprengungen wird es bis dahin vielleicht noch geben“, sagt Römmer. (mz)
