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Einzelzelle und Kühlschrank Einzelzelle und Kühlschrank: Modernes Jugendgefängnis in Thüringen

20.06.2014, 10:53
Der Innenbereich der Jugendstrafanstalt (JSA) Arnstadt.
Der Innenbereich der Jugendstrafanstalt (JSA) Arnstadt. dpa Lizenz

Arnstadt - Einschluss. Mit einem Klacken fällt die graue Stahltür schwer ins Schloss. Karge Nüchternheit auf schmalen zehn Quadratmetern, die mit Bett, hellem Schreibtisch, Schrank, Waschbecken und abgetrennter Toilette ausgestattet sind. Zum Standard jeder Zelle gehören neben einem kleinen Kühlschrank künftig aber auch Telefon sowie Flachbildfernseher, über den je drei Radio- und Fernsehprogramme empfangbar sind. Der Blick aus dem vergitterten Fenster reicht über den Freihof bis zur sechs Meter hohen Mauer. Für die nächsten Monate und Jahre wird dieser Anblick die Welt jugendlicher Strafgefangener bestimmen, die am 7. Juli die neue Haftanstalt im thüringischen Arnstadt beziehen werden.

Modernstes Jugendgefängnis in Deutschland

„Wir verfügen dann in Thüringen über das modernste Jugendgefängnis in Deutschland“, sagt Justizminister Holger Poppenhäger (SPD). Mehr als 80 Millionen Euro ließ sich der Freistaat die Haftanstalt auf offenem Feld in unmittelbarer Nähe zur A71 kosten. Im Gegensatz zu dem veralteten Gefängnis im benachbarten Ichtershausen können in dem Neubau alle Gefangenen in Einzelzellen untergebracht werden. 300 Plätze stehen im geschlossenen und offenen Vollzug für 14- bis 24-Jährige zur Verfügung, die zumeist wegen Körperverletzung, Drogendelikten, Diebstahl, aber auch Mord einsitzen.

Bundesweit verbüßen derzeit rund 4700 Jugendliche in 26 Haftanstalten ihre Strafen. Zuletzt ging 2011 im nordrhein-westfälischen Wuppertal-Ronsdorf ein neues Jugendgefängnis in Betrieb. In den meisten Bundesländern gibt es derzeit keine weiteren Neubaupläne.

Am Rande von Arnstadt entstand in den vergangenen fünf Jahren auf 15 Hektar ein abgeschottetes Dorf: Neben vier sandsteinfarbenen Hafthäusern in L-Form gibt es Werkstätten für die Ausbildung in zehn Berufen, ein Gewächshaus, Schule, Sporthalle, Fußballplatz und Laufbahn. Selbst ein Feuerlöschteich gehört zum Knastidyll. In der Mitte der Anlage dominiert ein Rundbau mit Kirchenraum, Bibliothek, kleinem Musikstudio und einem Laden, in dem jedoch aus Sicherheitsgründen scharfe Gewürze, Glasflaschen, Sprays oder Rasierwasser mit Alkohol fehlen.

Welche Sport- und Freizeitangebote die Jugendlichen in Anspruch nehmen können und wie der Tagesablauf aussieht, erfahren Sie auf Seite 2.

Einzige Abwechslung im sonst monotonen Gefängnisalltag sind Sport- und Freizeitangebote. „Wir bieten vom Fußballtraining über Hip-Hop-Projekt bis zum Theaterspiel viel an“, sagt Anstaltsleiterin Anette Brüchmann. Denn hinter Gittern ticken die Uhren anders. „Die Zeit ist lang, besonders am Wochenende“, weiß Brüchmann. Fast alle Jugendlichen wollten sich daher beschäftigen und nutzten ihre Haftzeit, um einen Schulabschluss nachzuholen oder eine Lehre zu machen.

Die geschlossene Innenwelt ist vom Wecken um 6.00 Uhr früh bis zum Nacht-Einschluss um 21.30 Uhr strikt reglementiert. „Wir haben einen strengen Tagesablauf, bei dem alles über Antrag läuft“, sagt die Anstaltsleiterin. Geregelt ist etwa nicht nur die Zahl der CDs in der Zelle oder die Anzahl der über das Telefon freigeschalteten Nummern, auch Besuchs- und Einkaufszeiten sind begrenzt. Selbst die Beamten pflegen hier eine eigene Sprache: Gefangene werden nicht begleitet, sondern zugeführt oder umgeschlossen.

Strafvollzug soll Strukturen bieten

„Natürlich sind unvermeidbare Schranken zu spüren, aber der Strafvollzug bietet den Jugendlichen auch klare und berechenbare Strukturen, die sie vorher im Leben nicht hatten“, sagt der Sozialpädagoge Karsten Schliemann und sieht darin Chancen für die Arbeit mit den jungen Straftätern. Dennoch ist die Rückfallquote bei Jugendlichen bedeutend höher als bei Erwachsenen.

„Es gibt nicht nur einen Haft-, sondern auch einen Entlassungsschock“, sagt Herbert Windmiller, Abteilungsleiter im Thüringer Justizministerium, und plädiert deshalb für ein Übergangsmanagement, das beispielsweise bei Job- und Wohnungssuche hilft. „Bleiben die Jugendlichen nach ihrer Entlassung im Regen stehen, ist das die größte Gefahr für einen Rückfall.“ (dpa)

Der Innenbereich der Jugendstrafanstalt (JSA) Arnstadt. Deutschlands modernstes Jugendgefängnis soll Anfang Juli den Betrieb aufnehmen.
Der Innenbereich der Jugendstrafanstalt (JSA) Arnstadt. Deutschlands modernstes Jugendgefängnis soll Anfang Juli den Betrieb aufnehmen.
dpa Lizenz