Einnahmequelle Altpapier Einnahmequelle Altpapier: Wenn der Papierkorb zur Goldgrube wird

Magdeburg/dpa - Mehr als 11 000 Tonnen Papier landen allein in Magdeburg Jahr für Jahr in blauen Tonnen und Sammelcontainern. „Nichts als Müll? Nein, nein, mein gutes Geld nenne ich's immer“, sagt Astrid Ernst. Ihre Fahrradtragetaschen quellen über mit Zetteln, Zeitungen und Heften. Mit einem „Hauruck“ hievt Ernst ihr Sammelgut auf die Industriewaage des Wertstoffhofs Diesdorf. Für das Kilo sind es 6,5 Cent, einige Euro kommen so zusammen. „Ich sammele alles Papier, was ich kriegen kann“, sagt Ernst. Beinahe täglich radelt sie zur Altpapier-Annahmestelle. „Allein heute habe ich mir damit schon ein gutes Brötchen verdient“, sagt sie.
Immer mehr Privatleute bringen Altpapier zum Wertstoffpunkt Diesdorf. „Uns gibt es seit zwei Jahren und wir expandieren“, sagt Inhaber Michael Stakelies. Bis zu 100 Kunden kämen täglich. Trotz gießendem Regen stehen voll beladene Autos in seiner Hofeinfahrt Schlange. „Es sind Leute aus allen Schichten mit dabei“, sagt Stakelies. Auf dem Papiermarkt bekomme er mehr als 100 Euro pro Tonne Altpapier.
Wichtiger Rohstoff
„Altpapier ist der wichtigste Rohstoff in der Papierindustrie, noch vor Papierzellstoff oder Holzstoff“, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse), Thomas Braun. In der deutschen Papierindustrie seien in den ersten vier Monaten 2014 rund 5,5 Millionen Tonnen Altpapier verbraucht worden, jedoch nur 300 000 Tonnen Holzstoff. „Für Altpapier muss kein Baum gefällt werden und der Ankaufspreis ist immer noch vergleichsweise gering“, sagt Braun. Altpapier sei damit aus ökonomischen sowie ökologischen Gesichtspunkten das zentrale Gut der Papierindustrie.
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Da Altpapier auch auf dem internationalen Markt ein umkämpftes Gut sei, stagniere der Verkaufspreis auf hohem Niveau, sagte Stakelies. Im Jahr 2008 habe der Preis noch bei rund 80 Euro gelegen. Als der Verkaufspreis stieg, machte Stakelies sich selbstständig und eröffnete seine Filiale des Wertstoffpunktes im Magdeburger Stadtteil Diesdorf. Elf Filialen des Entsorgerbetriebs gebe es inzwischen in Sachsen-Anhalt.
Der Städtische Abfallwirtschaftsbetrieb Magdeburg sieht private Altpapier-Annahmestellen kritisch. „Altpapier ergibt durchaus Verwertungserlöse für uns“, sagt die städtische Abfallwirtschaft-Betriebschefin in Magdeburg, Doris König. Fallen die Einnahmen durch Altpapier weg, müssten die Entsorgungsgebühren für beispielsweise Hausratsmüll erhöht werden.
„Seit einiger Zeit bemerken wir einen Rückgang an Altpapier“, so König. Sie sieht die Entwicklung mit Sorge. Der Grund dafür sei jedoch nicht nur die Konkurrenzsituation, sondern die zunehmende Digitalisierung.
„Wir scheuen den Wettbewerb mit der öffentlichen Hand nicht“, sagt bvse-Geschäftsführer Braun. Der Verband vertritt private Altpapier-Verwerter. „Der Wettbewerb muss aber fair und zu gleichen Konditionen stattfinden.“ Durch die häuslichen Sammlungen der städtischen Betriebe könne nicht von fairen Wettbewerbsbedingungen die Rede sein.
Viele Papiersammler im Osten
„Eine wirkliche Konkurrenz zur Stadt bin ich nicht“, so Altpapier-Verwerter Stakelies. „Mit deren Größenordnungen kann ich nicht mithalten.“ Ein lukratives Geschäft sei seine Annahmestelle dennoch. Er brauche keine Abholungsfahrzeuge, sondern quasi nur einen Container. Gerade im Osten Deutschlands gebe es zudem viele Privatpersonen, die Altpapier gut sortiert zur Annahmestelle brächten.
„Ich bin mit Papiersammeln aufgewachsen“, sagt Kathlen Wünsch. In der DDR habe sie mit ihrer Schulklasse und in der Freizeit bei Papiersammlungen mitgeholfen. „Da standen dann Container an der Straße und wir haben eifrig von den Straßen aufgelesen.“ Inzwischen betreibt Wünsch eine Firma für Bürogeräte in Magdeburg. „Da fällt viel Papier an“, sagt sie. „Für mich ist es klar, dass wir es hier her bringen.“ 61 Kilo ergibt ihre Kofferraumladung dieses Mal.
Die Fahrrad-Altpapierlieferantin Ernst ist auf den Altpapier-Erlös angewiesen, wie sie sagt. „Hier verdiene ich mehr als auf der Arbeit“, sagt die Aushilfsreinigungskraft. Inzwischen würden auch Bekannte für sie Papier mitsammeln. „Ohne Papier geht's bei mir nicht mehr.“
