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Ein Jahr nach «Kyrill» Ein Jahr nach «Kyrill»: Die Erinnerung bleibt

14.01.2008, 09:33
Anwohner stehen vor der vom Orkan «Kyrill» völlig zerstörten Gaststätte von Groß Rodensleben im Bördelandkreis (Archivbild vom 19.01.2007). (Foto: dpa)
Anwohner stehen vor der vom Orkan «Kyrill» völlig zerstörten Gaststätte von Groß Rodensleben im Bördelandkreis (Archivbild vom 19.01.2007). (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Magdeburg/dpa. - Heute - ein Jahr später - sind dieSchäden an Häusern, Kulturstätten, am Stromnetz und im Waldweitgehend behoben. Doch die Erinnerung an jene Nacht ist geblieben:«Der Schreck sitzt immer noch tief», sagt Hanna Kasparick vomPredigerseminar in Wittenberg, die seinerzeit hautnah miterlebte, wieder Sturm die Schlosskirche schwer beschädigte. «Dieses Krachen werdeich nie im Leben vergessen.» Allein an dem berühmten Gotteshaus, an dessen Tür Luther 1517 ausProtest gegen den kirchlichen Ablasshandel seine 95 Thesenangeschlagen haben soll, lag der Schaden bei rund 300 000 Euro. VomTurm krachten zwei zehn Meter lange und mehrere Tonnen schwere Säulenin die Tiefe, eine davon durchschlug das Dach des Kirchenschiffs.«Die Reparatur ist inzwischen abgeschlossen», berichtet SabineHopfmann vom Landesbetrieb Bau. «Die Arbeiten waren sehr kompliziertund eine Herausforderung für Steinmetze und Gerüstbauer.» Ein paar Kilometer weiter im Stadtteil Klein-Wittenberg hinterließ«Kyrill», der mit bis zu 200 Stundenkilometern über das Land raste,eine Schneise der Verwüstung. «28 kaputte Dächer, 170 zerstörteDächer, 34 beschädigte Balkone, 2,4 Millionen Euro Schaden - dieBilanz war schockierend», erinnert sich der Geschäftsführer derWohnungsgesellschaft WIWOG, Fritz-Peter Schade. «Wir hatten 300betroffene Familien, 40 davon mussten in Ausweichquartiere umziehen.»Heute hat sich die Lage in dem Quartier normalisiert, die Häusererstrahlen in neuem Glanz, auch das Umfeld mit Grünflächen,Müllplätzen oder Hecken ist seit kurzem wiederhergerichtet. «Hier haben alle an einem Strang gezogen, von der Versicherungüber die Kommune, Baufirmen bis hin zu den Mietern. Anders wäre dieseAufbauleistung nicht möglich gewesen», sagt Schade. Am schwierigstenwar nach seinen Worten die Trocknung der Häuser, die wegen derkaputten Dächer und starker Regenfälle teils völlig durchnässt waren. Eine Herausforderung war «Kyrill» auch für die Versicherungen.Allein die Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt (ÖSA)registrierten Schäden in Höhe von 13,6 Millionen Euro, 10 500gemeldete Versicherungsfälle betrafen vor allem Wohngebäude, Hausratund Autos. «Mitte 2007 waren drei Viertel abgearbeitet, jetzt sindalle regulierungsfähigen Schäden bezahlt», bilanziert ÖSA-Schadenexperte Dieter Roskowetz. «Der Winterorkan war das größte undauch teuerste Schadenereignis in der ÖSA-Geschichte.» Nachhaltige Wirkung hinterließ der Sturm in den Wäldern, vor allemim Harz und im Osten des Landes. Mehr als eine Million FestmeterKiefern- und Fichtenholz wurden geknickt oder umgeworfen, dieAufräumarbeiten sind noch immer nicht abgeschlossen. «In derAnnaburger Heide läuft die Beräumung noch bis Ende Februar»,berichtet der Leiter des Landesforstbetriebes, Eberhard Reckleben.Die Wiederaufforstung von zusammen 2000 Hektar Wald begann im Herbst2007, erst 2009 soll die sechs Millionen Euro teure Aktionabgeschlossen sein. «Der Sturm hatte einen enormen Aderlass zurFolge», sagt Reckleben. Die Folgen seien noch Jahrzehnte zu spüren. Ungute Erinnerungen haben auch die Energieversorger an «Kyrill».Zehntausende Sachsen-Anhalter waren zeitweise ohne Strom, nachdemMasten wie Streichhölzer wegknickten und umstürzende BäumeStromleitungen zerstörten. So zählte der Regionalversorger Eon Avacon(Helmstedt) in seinen Mittel-, Nieder- und Hochspannungsnetzen 660Störungen, zwei Drittel davon in Sachsen-Anhalt. Laut Sprecher RalphMontag erneuerten Reparaturtrupps unter anderem 178 Strommasten undzwölf Kilometer Leitungen, die Kosten lagen bei einer Million Euro.Die envia Mitteldeutsche Energie AG (Chemnitz) investierte inSachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg 4,5 MillionenEuro, um 1420 Störungen zu beheben. Der Stromkonzern Vattenfall(Berlin), dessen Hochspannungsmasten etwa in der Börde im Dutzendumfielen, wandte für die Reparatur sieben Millionen Euro auf.