Ehemalige Kasernen Ehemalige Kasernen: Wohnidylle statt Panzer
HALLE/MZ. - Jahrzehnte kaum unterhalten, zum Großteil völlig marode. Inzwischen leben dort fast 4 000 Menschen ebenso dicht am Grünen wie am Zentrum. "Ein riesiger Meilenstein", schwärmt Breuel. Ein Umnutzungsprojekt dieser Größenordnung sei einmalig in Sachsen-Anhalt, "und in dieser innerstädtischen Lage auch in Deutschland." Es steht dafür, wie der Osten mit dem vor allem russischen Militärerbe umging. Ein großer Teil davon erfährt 20 Jahre nach der Wende eine neue Nutzung.
Breuel ist Projektleiter der Landesentwicklungsgesellschaft, die von der Stadt Halle mit der Umwandlung des ehemaligen Kasernengeländes beauftragt ist. Bis heute wurden in das 210 Hektar große Areal rund 125 Millionen Euro investiert. Bevor aber an Wohnhäuser, Uni- und Firmengebäude überhaupt gedacht werden konnte, war eine "Bodensanierung in Größenordnungen" nötig, wie Breuel sagt. 200 000 Kubikmeter mit Öl und Kraftstoffen verseuchtes Erdreich mussten abgetragen werden. Das entspricht neun Fußballfeldern, bei denen man die oberen drei Meter Erde austauscht. 200 Gebäude wurden abgerissen. Nur ein Bruchteil der Bausubstanz blieb stehen - einiges davon wird heute von der Universität genutzt. Parallel dazu entstanden ab 1997 schon die ersten Wohnhäuser. 14 Kilometer Straße wurden bislang neu gebaut.
Bis zur Wiedervereinigung wurden in Sachsen-Anhalt rund 85 000 Hektar durch die russische Armee, weitere 10 000 durch die Nationale Volksarmee genutzt. "Das waren immerhin 4,3 Prozent der Fläche des Landes", sagt Max Stumpf, Hauptstellenleiter Verkauf bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Magdeburg. Vieles davon sei in schlechtem Zustand gewesen, oft hätten die Eigentumsverhältnisse umständlich geklärt werden müssen. "Unser größtes Problem aber waren die Altlasten." Mehrere hundert Millionen Euro seien in die Munitionsbeseitigung geflossen. "Heute ist der überwiegende Teil der Liegenschaften veräußert oder vermietet", so Stumpf. Und strahlt oft in neuem Glanz. Der Magdeburger Herrenkrug etwa. Wo 1992 noch russische Panzer standen, eröffnete sieben Jahre später die Bundesgartenschau. Nach der Wende sei - etwa in Magdeburg - auch die Nachfrage nach Kasernengebäuden für neue Verwaltungsstandorte groß gewesen, "sie waren ja teilweise in Top-Lagen", so Stumpf.
Andernorts war es nicht ganz so einfach, Liegenschaften an den Mann zu bringen. So wurde der Flugplatz Mahlwinkel (Börde) erst 2006 nach mehr als zehn Jahren Bemühungen verkauft. Ein Riesenobjekt, so Stumpf, und ungünstig gelegen. "Wäre Mahlwinkel kurz vor Hamburg, hätten wir es einfacher gehabt." Bislang unverkauft ist eine große Anlage in Hillersleben (Börde). 2 500 Hektar ehemaliges Übungsgelände in der Glücksburger Heide (Kreis Wittenberg) sollen im Frühjahr 2011 als Naturschutzgebiet an die Bundesumweltstiftung übertragen werden. Ein Teil davon ist noch heute kampfmittelbelastet.
Gänzlich sorgenfrei sind neue Eigentümer oft nicht, zumal manch ehemalige Kaserne unter Denkmalschutz steht. So scheiterten Pläne für den Bau eines Kinderbetreuungszentrums in Naumburg (Burgenlandkreis) unter anderem daran, dass eine Kaserne nicht abgerissen werden durfte. "Sie ist mitten im Sanierungsgebiet aber eine Ausnahme", so Stadtsprecher Armin Müller. Andere Kasernen wurden überwiegend zu Wohngebieten. Auf einer entstand ein Sport- und Freizeitbad. "Wir hatten Glück, dass die Gebäudesubstanz oft noch gut war", so Müller. Bitterfeld-Wolfen indes steht 18 Jahre nach dem Abzug der Soldaten erneut vor einem Problem: Bis Ende 2009 von der Stadtverwaltung genutzt, ist ein Teil der Gebäude auf dem Kasernengelände wieder leer - ein Nachnutzer ist nicht in Sicht.
In Halle sind die weiteren Pläne für Heide-Süd dagegen schon konkret. Vier Flächen werden noch zur Wohnbebauung erschlossen, weitere im Technologiepark, in dem bereits 2 000 Menschen arbeiten. "Der Wohnungsbau wird in fünf bis sechs Jahren abgeschlossen sein", so Breuel. Dann sollen dort rund 5 000 Menschen leben, das Interesse an den Grundstücken steigt. Breuel sieht in Heide-Süd auch ein Projekt, das über Halle hinaus ausstrahlt. Selbst zum Wasserspielplatz etwa kämen Einwohner der ganzen Region. Auch wenn die Kasernen-Umwandlung sich nicht direkt in Euro refinanziere: "Am Ende ist sie ein Gewinn für die Stadt."