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Dresden Dresden: Untreue-Prozess gegen Oberbürgermeister hat begonnen

Von Simona Block 06.06.2006, 17:13
Dresdens suspendierter Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) steht am Dienstag (6. Juni 2006) vor dem Landgericht der sächsischen Landeshauptstadt hinter der Anklagebank. (Foto: dpa)
Dresdens suspendierter Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) steht am Dienstag (6. Juni 2006) vor dem Landgericht der sächsischen Landeshauptstadt hinter der Anklagebank. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Dresden/dpa. - Überraschung zum Auftakt des Untreue-Prozessesgegen den Dresdner Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) am Dienstagim Landgericht: Sein früherer Berater und Mitangeklagter Rainer Sehmlegte ein Geständnis ab und räumte Teile der Vorwürfe ein. Sehm musssich vor der Wirtschaftsstrafkammer wegen vorsätzlichen Bankrottssowie Bestechlichkeit verantworten. Der suspendierte Roßberg stehtwegen Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott, Untreue und Vorteilsnahmevor Gericht.

Roßbergs Vertrauter war seit Anfang 2002 als OB-Berater, späterals Koordinator für die Fluthilfe nach dem Hochwasser 2002 tätig undwurde im Januar 2005 suspendiert. Laut Anklage hatte Roßberg dem seit2003 privat Insolventen Anfang 2004 das Honorar rechtswidrig undgegen Bedenken der nächsthöheren Behörde auf etwa das Dreifacheerhöht. «Zur Verschleierung der tatsächlichen Vergütung» vor demInsolvenzverwalter seien Verträge mit einer Scheinfirma geschlossenworden, bei der Sehm als «alleiniger Erfüllungsgehilfe» dieserVerträge tätig gewesen sei.

Nach Auffassung der Anklage war dies Roßberg bewusst. Er habe eszumindest billigend in Kauf genommen, «weil er seinem Freund undengsten Berater helfen wollte». Der Stadt sei ein Schaden in Höhe von142 128 Euro entstanden, sagte Staatsanwalt Till Pietzcker. Roßberghabe «die ihm durch Gesetz eingeräumte Befugnis, über fremdesVermögen zu verfügen, missbraucht».

Mit seinem Geständnis hatte Sehm Roßberg die Schau gestohlen. DerPolitiker, der im Vorfeld für den Auftakt eine Erklärung angekündigthatte und alle Ungereimtheiten ausräumen wollte, schwieg. «Man wirdsehen, ob es richtig ist oder ein Zweckgeständnis», sagte sein AnwaltStefan Heinemann über Sehms Aussagen, die er nach Sondierung desStrafmaßes bei einem Geständnis durch seinen Verteidiger EndrikWilhelm hatte verlesen lassen.

Bei der Befragung durch das Gericht verhedderte er sich jedochimmer mehr, geriet ins Stocken oder konnte sich nicht erinnern, jeweniger ihm das Gericht zu glauben schien. «Ich lasse mich ungern aufden Arm nehmen», beschied der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats dem 55-Jährigen, den er zuvor bereits eindringlich zurWahrheitsfindung ermahnt hatte. Schlüter-Staats fragte vor allem zueinem Punkt unerbittlich nach: der Rolle von Sehm und Roßberg bei denVerhandlungen mit Firmen, die sich als Generalübernehmer um dieBeseitigung der Flutschäden beworben hatten.

Laut Staatsanwaltschaft solle Sehm an ein zu beauftragendes Bürovermittelt werden. Roßberg habe Sehm aus der Schusslinie nehmen, aberweiter mit ihm zusammenarbeiten wollen. Die Beratertätigkeit des Ex-Unternehmers und die Männerfreundschaft waren öffentlich in derKritik, der OB politisch unter Druck geraten. Schlüter-Staatsvertagte die weitere Befragung von Sehm auf Antrag seines Anwalts aufden nächsten Prozesstag und schloss die Sitzung.

Für den Verkehrsingenieur Roßberg steht mehr als der Job auf demSpiel. «Es geht um seine politische Zukunft», sagte einer derZuschauer. Acht Verhandlungstage bleiben ihm nach Sehms Paukenschlag,für seine Reputation zu streiten. Nach einer Umfrage der «DresdnerNeueste Nachrichten» meint ein gutes Drittel der 500 Befragten,Roßberg solle sofort seinen Hut nehmen. Knapp die Hälfte meinte, beieiner Verurteilung sei dies notwendig. Nur neun Prozent waren derAuffassung, dass sich der OB korrekt verhalten habe.