Dresden Dresden: Bauchkribbeln im Stadion
GLAUZIG/MZ. - Es ist heiß in Glauzig. 29 Grad im Schatten. Nebenan im Freibad planschen die Kinder ausgelassen im Wasser. Nur Lucy Schönburg und ihre Freundin Laura Jasmin Hartmann hat es auf den Fußballplatz gezogen. Die beiden Zehnjährigen wollen schon einmal ihren großen Auftritt durchspielen. Denn am Samstag werden einen Augenblick lang Millionen Fernsehzuschauer auf sie schauen, wenn sie in Dresden Hand in Hand mit den Brasilianerinnen oder US-Amerikanerinnen vor dem Viertelfinal-Spiel der Frauen-Fußball-WM aufs Spielfeld laufen.
Lucy und Jasmin gehören zu den 22 Einlaufkindern. Lucy Schönburg spielt zusammen mit den Jungs bei den E-Junioren des VfB Borussia Görzig, außerdem in der Mädchen-Kreisauswahl von Anhalt-Bitterfeld. Vor zwei Wochen war sie bereits beim Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Kanada in Berlin dabei. "Ich kenne Fußball nur aus dem Fernsehen", sagt die Zehnjährige, "die Stimmung im Stadion war unvergleichlich". Doch jetzt ist sie noch näher dran: Rasen statt Tribüne. "Da bekomme ich bestimmt Bauchkribbeln."
Mulmig wird ihr auch, wenn sie daran denkt, dass sie vielleicht eine ihrer Lieblingsspielerin auf das Spielfeld begleiten darf - die Brasilianerin Marta: "Das wäre etwas, was ich nie vergessen würde. Sie ist die Beste." Angst, dass sie dann vor lauter Aufregung etwas falsch machen könnte, hat Lucy Schönburg nicht. "Wir müssen doch nicht gerade stehen wie bei den Soldaten", sagt sie im Scherz. "Wenn die Kamera vorbeikommt, darf ich doch bestimmt winken".
Anfang Juni wurde die Viertelfinal-Paarung dem Landesverband Sachsen-Anhalt zugelost. Heißt: Er durfte die 22 Einlaufkinder aussuchen - und dabei gab es überraschend Probleme. "Da der Bewerbungszeitraum über Pfingsten lief, haben sich anfangs nicht genug Mädchen gemeldet", sagt Elfie Wuttke, die sich als Vizepräsidentin um den Frauen- und Mädchen-Fußball kümmert. Erst als die Kreisauswahlen direkt angeschrieben wurden und auch Jungs berücksichtigt wurden, konnte die Eskorte gefüllt werden.
Lucy Schönburg wäre dabei fast nicht mehr berücksichtigt worden. Sie misst 1,48 Meter, das ist genau die Grenze. Wer größer ist, darf nicht mehr mitmachen. Es ergäbe ein schräges Bild, wenn ein Mädchen die Spielerin an ihrer Hand überragen würde, vor allem wenn die Kameras während der Nationalhymnen die Teams entlang schwenken. "Es ist also mein erstes und letztes Mal", sagt die Zehnjährige.
Das Spiel am Sonntag beginnt um 17.30 Uhr. Lucy und die anderen Kinder müssen schon um 10 Uhr im Stadion in Dresden sein. Sie werden von Eltern und Großeltern begleitet. Der Verband hat ihnen noch Karten für das ausverkaufte Spiel besorgt. In den Katakomben werden die Kinder ausgestattet mit Trikot, Hose, Stutzen und Schuhen. Danach wird der Einlauf in der leeren Arena geprobt. Bis zum großen Moment dauert es noch ein paar Stunden. Im Stadion werden dann 25 600 Zuschauer sitzen. "Bisher hatte ich nur Auftritte vor wenigen Leuten", sagt Lucy. "Mal sehen, wie sich das anfühlt."