Die Zöllner Die Zöllner: Energische Melancholie

Halle (Saale) - „Die Zöllner rütteln am System“, heißt es schon nach wenigen Sekunden selbstbewusst auf diesem zehnten Album der Band Die Zöllner, die nach vielen Jahren Besetzungsdiät inzwischen wieder ist, was sie Anfang der 90er Jahre war: Deutschlands beste Soul-Combo.
Wie dazumals, als die neunköpfige Gruppe um Sänger Dirk „Scholle“ Zöllner und den Magdeburger Keyboarder André Gensicke mit Hits wie „Viel zu weit“ und „Käfer auf’m Blatt“ im „Café Größenwahn“ (Albumtitel) den längsten Tisch belegte, zieht das neue Werk „In Ewigkeit“ alle Register. Der Opener „Wir machen das schon“ ist zappeliger Soul-Pop, „Abgelehnte Fraun“ augenzwinkernder Reggae. Danach folgen zwei schwelgerische Balladen, die Dirk Zöllner auf die Spitze treibt, wenn er, der vor Jahren in Dresden die Titelrolle in „Jesus Christ Superstar“ spielte, träumerisch aus der Bibel zitiert.
Gefühle, Gefühle, Gefühle, die nach Wiederherstellung des festen Bandgefüges kompakt und griffig klingen wie in den Tagen, als die Zöllner mit kaum 30 im Vorprogramm des großen James-Brown-Konzertes in Ostberlin vor 70 000 Fans ihre Feuertaufe bestanden.
Aus dem schwitzigen Soul-New-Wave der Frühzeit, der sich an Klassikern wie Otis Redding ebenso orientierte wie an Jamiroquai, ist über die volle Laufzeit mehr geworden als die Mischung aus mit Bläsern angereichert schnellen Nummern und melancholischen Balladen. Vielfach verschlüsselt geht es um „Krieg“ und um „Gottes Sohn“, die Tempi wechseln, die Percussions klöppeln, Gitarren sägen und die Keyboards klingen mal elektronisch, mal gar nicht.
Ebenso abwechslungs- und anspielungsreich sind die Texte, die Dirk Zöllner mit unverwechselbarer Stimme singt. Vom Nordpol zum Südpol zu Fuß will er gehen, die Kanzlerin nach Athen tragen und in allen Sünden schwelgen, singt der inzwischen 53-jährige Berliner, der zuletzt als einer der Hauptdarsteller im Musical-Klassiker „Fame“ an der halleschen Oper Triumphe feierte. „Scheinen“ ist dann so etwas wie eine Messe in eigener Sache, ein Meisterwerk in der dritten Person: „Er gibt seine Tränen, gibt sein Blut, sie wollen darin baden gehen, er kann es in ihren Augen sehen“. Popmusik zu machen, bedeutet heute auch für Zöllner, alles zu geben, sich immer umzutun, verschiedene Projekte zu betreiben und sich selbst zu kümmern. Der Ober-Zöllner hat in all den Jahren allein zur Gitarre gesungen, mit André Herzberg (Pankow) und Dirk Michaelis (Karussell) im Chor, er war mit Rolf Stahlhofen auf Tour, mit Falkenberg und mit russischen Folkloristen. All die Einflüsse aus all diesen Ecken finden sich hier in 15 runden Stücken für die Ewigkeit, die russisch klingen („Wenn der Himmel mir am Arsch hängt“) oder still wie damals der Käfer auf dem Blatt („Herzwinter“), die Energie und Melancholie gut mischen, ohne eines von beiden zu übertreiben. (mz)
Direkt zur Band: www.dirk-zoellner.de
