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Die Angst vor dem Fremden Die Angst vor dem Fremden: Moschee-Pläne spalten Leipzig

Von Alexander Schierholz 22.09.2014, 18:32
Imam Said Ahmed Arif im Gebetsraum der Männer
Imam Said Ahmed Arif im Gebetsraum der Männer Andreas Stedtler Lizenz

Leipzig - Massiv ragt die katholische Propsteikirche am Leipziger Innenstadtring empor, der Turm fast 50 Meter hoch. Hohe fensterlose Fassaden, verkleidet mit rotbraunem sächsischen Porphyr. Im Mai kommenden Jahres soll der größte Kirchenneubau Ostdeutschlands geweiht werden. In Leipzig regt das kaum jemanden auf.

Dafür sorgt ein anderes Gotteshaus, obwohl noch gar nicht gebaut, seit Monaten für Streit. Im Stadtteil Gohlis will die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde eine Moschee für ihre 60 Mitglieder errichten - drei Etagen, zwei Gebetsräume, getrennt nach Männern und Frauen, eine Wohnung für den Imam, zwei Zierminarette, nicht begehbar. Details des ersten ostdeutschen Moschee-Neubaus soll ein Architektenwettbewerb klären.

Die Ahmadiyya-Gemeinde ist reformorientiert. Ihre Mitglieder glauben, dass der Messias bereits erschienen sei, in Gestalt des 1835 geborenen Gemeinde-Gründers. Weltweit hat diese islamische Glaubensrichtung rund zehn Millionen Anhänger, in Deutschland etwa 36 000. Der Ursprung liegt in Indien. Vor allem in Pakistan werden Ahmadiyya-Anhänger wegen ihres Glaubens verfolgt.

Zur Leipziger Ahmadiyya-Gemeinde gehören auch Mitglieder aus Sachsen-Anhalt. Dort haben sich vier islamische Gemeinden mit mehreren hundert Mitgliedern etabliert, in Halle, Magdeburg, Dessau und Stendal. In Wittenberg ist eine Gemeinde im Aufbau. Allein in Halle kommen 500 Menschen zum Freitagsgebet, bis zu 1 000 zu Festen. Die Magdeburger Gemeinde hat 450 Mitglieder.

60 Gläubige - das klingt nicht nach viel. Doch die Leipziger Gemeinde ist damit die größte der Ahmadiyya-Bewegung im Osten außerhalb Berlins. Der Ruf des Muezzins übrigens wird nur im Haus zu hören sein.

Dennoch brach ein Sturm der Empörung los, als die Pläne Ende vergangenen Jahres bekannt wurden. Anwohner im gutbürgerlichen Gohlis sorgten sich um Parkplätze. Eltern fürchteten Drogen in der nahen Grundschule, alte Menschen zunehmende Kriminalität. Die Stadtverwaltung lud erst zu einer Bürgerversammlung, um Luft rauszunehmen, als Neonazis schon Protest-Flugblätter verteilt und das Thema für sich instrumentalisiert hatten. Kurz vor dem Jahreswechsel sank der Protest auf nie gekanntes Niveau: Unbekannte spießten blutige Schweineköpfe auf Holzpfähle und verunglimpften so den muslimischen Glauben.

Danach wurde es ruhiger. Bis das Rathaus jetzt eine Bauvoranfrage der muslimischen Gemeinde positiv beschied - was in Sachen Baugenehmigung schon die halbe Miete ist. Seitdem streitet Leipzig wieder.

Warum die AfD auf den Protest-Zug aufspringt und was ein junge Imam der Ahmadiyya-Gemeinde dazu sagt, lesen Sie auf Seite 2.

Und die rechtspopulistische AfD springt auf den Protest-Zug auf. Uwe Wurlitzer sitzt in einem kargen Büro am Rand der Innenstadt. Er trägt ein blaues Polo-Shirt mit dem Parteilogo auf der Brust und eine selbstzufriedene Miene zur Schau. „Endlich werden wir wieder gehört“, freut sich der Leipziger Kreisvorsitzende und Generalsekretär der Sachsen-AfD. Um wenig später zu beklagen, nun werde von den Medien wieder die rechtspopulistische Keule hervorgeholt.

Dabei wollen sie von der AfD doch nur einen Bürgerentscheid über den Moschee-Neubau. Wurlitzer, 39, betont mehrfach, er habe nichts gegen Muslime. „Aber die Moschee wird definitiv das Stadtbild verändern. Darüber sollte man die Bürger entscheiden lassen.“

Said Ahmed Arif entlockt das nur ein mildes Lächeln. „Wir versuchen Brücken zu bauen“, sagt der junge Imam in den Gebetsräumen der Ahmadiyya-Gemeinde im Leipziger Osten. Trotz allem. Trotz rechtsextremer Flugblätter. Trotz aufgespießter Schweineköpfe. Trotz der Forderung der AfD. Arif, 28, erzählt, dass er Neugierige aus der Nachbarschaft auch mal zum Kaffeetrinken einlädt. Er würde das gerne öfter tun. Aber es mangele an Neugierigen. Die AfD hat noch nicht geklingelt. Seit 1991 gibt es die Gemeinde in Leipzig. Und nun wollen sie „raus aus den Hinterhöfen, in der Gesellschaft ankommen“, wie Arif es nennt. Raus aus der Wohnung im dritten Stock einer Mietskaserne, die schlicht zu klein ist. Im Zimmer neben der Küche liegen Läufer gen Osten ausgerichtet - der Gebetsraum der Männer. Sofas und Couchtische stehen in den zwei anderen Zimmern. In einem davon beten bei Bedarf die Frauen. „Wenn alle kommen, zum Beispiel zum muslimischen Opferfest, dann haben wir ein Problem.“

NPD kündigt weitere Proteste an

Mit ihrem Ruf nach einem Bürgerentscheid kann sich die AfD des Beifalls von Moschee-Gegnern sicher sein, auch von radikalen. Die NPD hat bereits weiteren Protest angekündigt. Schon im Frühjahr hatte eine Bürgerinitiative 11 000 Unterschriften gegen den Bau gesammelt - Ausdruck einer diffusen Mischung aus offenem Fremdenhass, wie ihn die NPD im Landtagswahlkampf mit dem Slogan „Moschee? Nee!“ plakatiert hat, und eines Unbehagens vieler Bürger, das sich aus Unwissenheit speist.

Welche verschiedenen Bürgerinitiativen sich bereits gegründet haben und ob ein Bürgerentscheid überhaupt möglich ist, lesen Sie auf Seite 3.

Dabei geht es beileibe nicht nur um Parkplätze. Es gehe um die Angst, eine andere Kultur „übergestülpt“ zu bekommen, sagt Petra Kramer. Sie ist Projektleiterin beim Gohliser Bürgerverein, der sich für die Moschee einsetzt. Reihenweise standen Anwohner vor ihrem Schreibtisch, als die Baupläne bekannt wurden. „Die meisten haben Angst vor allem was fremd ist.“ Und dann die Nachrichten über Gräueltaten angeblich im Namen des Islam, über eine Scharia-Polizei. Für Muslime wie Said Ahmed Arif macht es das nicht leichter, Vorurteile über seinen Glauben auszuräumen. „Da liegt noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns.“ Dabei wissen die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde selbst nur zu gut, was Terror bedeutet. Die meisten mussten aus Pakistan fliehen, wo sie ihre spezielle Glaubensrichtung nicht ausüben durften.

Mit Hilfe des Bürgervereins hat sich eine Bewegung gegen die Proteste formiert. Unter dem Motto „Dialoge für Gohlis“ haben sie Christen und Muslime, Bauherren und Anwohner, an einen Tisch gebracht. Und am Ende 5 000 Unterschriften für die Moschee gesammelt. „Ich verstehe die Ängste“, sagt Kramer, 52, „aber für mich ist die Moschee eine Bereicherung.“

5 000 pro, 11 000 kontra, gesammelt von der Bürgerinitiative „Gohlis sagt nein“. Wer dahinter steckt in unklar. Auf der Facebook-Seite der Initiative ist auch schon mal von einer „zunehmenden Islamisierung“ Leipzigs die Rede. In mehreren Posts wird auf die NPD verwiesen. Ein Anfrage der MZ ließ „Gohlis sagt nein“ ebenso unbeantwortet wie einen Fragenkatalog.

Bürgerentscheid ist nicht möglich

Und die AfD? Nach ihrer Logik hätten die Leipziger auch über den Neubau der katholischen Propsteikirche abstimmen müssen - der ebenso in das Stadtbild eingreift. Bloß war die AfD da noch nicht aktiv. Er hätte sich eine Befragung gewünscht, sagt Kreischef Wurlitzer ausweichend. Aber die Frage stelle sich nicht.

Auch nicht für die Moschee. Ein Bürgerentscheid ist nach Angaben der Stadt gar nicht möglich, weil weder der Stadtrat noch an seiner Stelle die Bürger über eine Baugenehmigung befinden könnten. Das sei Sache der Verwaltung. Die AfD will jetzt ihre Juristen bemühen. (mz)

Weißer Kasten mit Kuppel und Minaretten: So könnte nach einem ersten Entwurf die Moschee in Leipzig-Gohlis aussehen. Nun soll es allerdings einen Architektenwettbewerb geben.
Weißer Kasten mit Kuppel und Minaretten: So könnte nach einem ersten Entwurf die Moschee in Leipzig-Gohlis aussehen. Nun soll es allerdings einen Architektenwettbewerb geben.
Quelle: Ahmadiyya Lizenz