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Deutscher Wetterdienst in Leipzig Deutscher Wetterdienst in Leipzig: Die Wettermacher

Von Jan-Ole Prasse 14.08.2013, 18:48
Sechs Monitore und einen großen Flachbildschirm im Blick: Robert Scholz an seinem Arbeitsplatz beim Wetterdienst in Leipzig.
Sechs Monitore und einen großen Flachbildschirm im Blick: Robert Scholz an seinem Arbeitsplatz beim Wetterdienst in Leipzig. andreas stedtler Lizenz

Leipzig/MZ - Wetten auf den Regen. Das ist jeden Tag zum Schichtantritt der erste Arbeitsschritt von Robert Scholz beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Leipzig. In dem rund 30 Quadratmeter großen Raum sitzt er vor vier Computerausdrucken von Wetterkarten vom Flughafen Leipzig/Halle. Dazu läuft auf einem Bildschirm die Internetseite Regenradar, auf der potenzielle Regenwolken über Europa angezeigt werden. Seit 1988 tippen alle Leipziger Meteorologen jeden Tag die Niederschlagswahrscheinlichkeit am Flughafen in Schkeuditz. „Ich versuche immer zumindest im Mittelfeld zu liegen“, sagt Scholz. Bisher mit Erfolg.

Dieses Spiel will so gar nicht zu den Anforderungen an den DWD passen. Denn schließlich soll der vom Steuerzahler finanzierte Wetterdienst präzise Vorhersagen machen - gerade in der Sommerzeit, wo immer wieder Gewitter und Unwetter drohen. Doch die heiteren Wetten haben einen ernsten Hintergrund. „Wir schulen damit die Prognosefähigkeit und machen unsere Leute auf die Unwägbarkeiten aufmerksam“, sagt Gerold Weber, Leiter der Leipziger Außenstelle, die mit 55 Mitarbeitern für Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen zuständig ist. Denn anders als die Großwetterlagen, die mit Hochs und Tiefs vor allem die Temperaturen bestimmen, sind Regen, Hagel und Gewitter nur schwer vorherzusagen - insbesondere wo und wie viel fallen wird. „Das sind häufig lokal begrenzte Wetterphänomene und je lokaler das Wetter, desto schwieriger wird es“, sagt Weber.

"Das Wetter, das die Leute lieben, ist für uns furchtbar langweilig“

Diese Unsicherheit ist auf den ersten Blick schwer vorstellbar, denn der DWD ist mit modernster Mess- und Prognosetechnik ausgestattet. Auf dem Schreibtisch von Robert Scholz stehen sechs Monitore, die Auskunft geben über die Großwetterlage in Europa. An der Wand hängt ein Flachbildschirm, auf dem das Satellitenbild und das Regenradar zu sehen ist. An diesem leicht bewölkten, aber trockenen Tag sitzt Scholz entspannt vor seinen Bildschirmen und hat Zeit, den grünen Plastikfrosch wieder geradezurücken, der über einem der Monitore hängt. Der Wetterdienst ist rund um die Uhr mit zwei Leuten besetzt, einem Meteorologen und einem Wettertechniker, der sich um Anrufe und Mitteilungen kümmert. Hektisch wird es nur bei Extremwetterlagen. „Das Wetter, das die Leute lieben, ruhiges Hochdruckwetter, ist für uns furchtbar langweilig“, sagt der 33-Jährige, der seit 2010 beim DWD arbeitet.

Die Tage zuvor sah das anders aus. Scholz hatte Nachtdienst, als zuletzt heftige Gewitter über Sachsen-Anhalt losbrachen. „Dann steht hier das Telefon kaum noch still“, sagt Scholz. Feuerwehren, Rettungskräfte und Polizei wollen innerhalb von Minuten wissen, wohin die Gewitter ziehen und welche Intensität sie haben werden. Dafür verfügt der DWD auch über eine Blitzortung, mit der innerhalb einer Minute der Einschlagsort bestimmt werden kann.

Möglich machen das regionale Daten. Sie werden von mehreren hundert Wetterstationen in den drei Bundesländern geliefert. Die Technik hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend geändert. Während früher überall im Land von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter abgelesen und übermittelt wurde, läuft heute sehr viel automatisch. Eine dieser neuen Wetterstationen steht direkt hinter dem Mitarbeiterparkplatz in Leipzig. Auf der Tennisplatz großen Wiese stehen futuristisch anmutende Geräte, drei Beete und ein zwölf Meter hoher Mast. „Wir brauchen einfach mehr Technik, um das menschliche Auge zu ersetzen“, sagt Petra Fude, die für die Messstationen mit zuständig ist. So gibt es allein für die Daten zu Niederschlägen drei verschiedene Geräte. Einen Niederschlagssensor, der mit Hilfe einer hufeisenförmigen Plastikplatte die Dauer misst und einen Niederschlagsmonitor, der bestimmen kann, ob es sich um Schnee, Regen oder Hagel handelt. Zudem einen großen Metallbecher, in dem mit Hilfe einer Digitalwaage die Menge ermittelt wird.

Über Wetterfrösche wird geschimpft

Doch die Technik hat den Ruf der Meteorologen nicht aufpoliert, obwohl heute die Voraussagen über mehrere Tage weit verlässlicher sind als noch vor 20 Jahren. Trotzdem wird über die Wetterfrösche geschimpft. Scholz kennt das. Er hat auch schon in der Zentrale des DWD in Offenbach gearbeitet. „Wir haben Anrufe bekommen: ,Danke Deutscher Wetterdienst, ich pumpe gerade Ihr heiter bis wolkig aus dem Keller’“, erzählt er.

Das liegt vor allem an der Niederschlagsprognose. Die ist stark lokal angebunden. Sonneneinstrahlung und Verdunstung können kleinräumig ganz unterschiedlich ausfallen und dafür sorgen, dass der eine Stadtteil „Land unter“ meldet, während der andere keinen Tropfen Regen sieht. Um auch hier genauere Vorhersagen zu treffen, müssten noch viel mehr Daten erfasst und in die Computer eingespeist werden. Immerhin, auch hier gibt es Fortschritte: „Früher hatten wir eine Fehlerquote beim Regen von 45 Prozent, mittlerweile liegen wir bei 36 bis 38 Prozent“, sagt Scholz.

Unwägbar bleiben die mehrwöchigen Prognosen. Sie hängen von globalen Daten ab, die Aufschluss geben über die Entwicklung von Hoch- und Tiefdruckgebieten. Während über Land sich weltweit das Netz der Messstationen stetig verbessert hat, fehlen über den Ozeanen, immerhin 70 Prozent der Erdoberfläche, weiter Messdaten. Und schon kleine Fehler machen große Unterschiede. „Je länger dann der Zeitraum in den Modellen ist, desto mehr potenziert sich dieser Fehler“, sagt Scholz. Daran hat jahrelang ein Spruch des dänischen Physikers Niels Bohr an der Wand erinnert: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“

Fühlt sich Scholz trotzdem als Wettermacher? Der Meteorologe lächelt: „Als Wettermacher habe ich mich nie gefühlt, eher so als etwas zwischen Feuerwehrmann und Börsenanalyst.“