Dessau Dessau: Polizisten bestreiten Vorwürfe vor Gericht

Dessau/dpa. - Zum Prozessauftakt inDessau gab der 46 Jahre alte damalige Dienstgruppenleiter am Dienstagzwar zu, bei den Vorgängen vor zwei Jahren den Warnton desRauchmelders der Zelle abgestellt zu haben. Er bestritt aber, nichtrechtzeitig zur Zelle gegangen zu sein. «Der Angeklagte hätte dasLeben von Oury Jalloh retten können», wenn diesem bereits beim erstenSignal aus der Zelle geholfen worden wäre», sagte OberstaatsanwaltChristian Preissner.
Er stützte sich auf ein Gutachten. «Nach dem Öffnen derGewahrsamzelle gelang es nicht mehr, das Leben von Oury Jalloh zuretten. Er starb spätestens sechs Minuten nach dem ersten Signal desRauchmelders infolge eines Hitzeschocks», sagte der Oberstaatsanwalt.Der Afrikaner war festgenommen worden, weil er in alkoholisiertemZustand Frauen belästigt und Widerstand gegen Polizisten geleistethaben soll. Das 23 Jahre alte Opfer soll im Januar 2005 in Dessautrotz Fesselung an Händen und Füßen mit einem Feuerzeug den Brandselbst ausgelöst haben.
Die Rechtsanwältin Regina Götz erklärte für die Nebenklage: «Wirhalten die Anklage für eine Hypothese, die denkbar, aber wenigplausibel ist.» Es sei «unfassbar, wie es dazu kommen konnte, dassOury Jalloh an allen vier Gliedmaßen gefesselt, den Brand ausgelösthaben soll», sagte sie.
«Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er das Feuerentzündet hat, aber nicht, dass er an sich selbst Feuer gelegt hat.Das wäre absurd», sagte Preissner. Der zweite Polizist soll lautAnklage bei der Durchsuchung des Afrikaners ein Feuerzeug in dessenKleidung übersehen haben. Das bestritt der 44-jährige Polizeimeister.«Da war mit Sicherheit kein Feuerzeug drin», erklärte dessenVerteidiger.
Der frühere Dienstgruppenleiter sagte aus, in derLautsprecheranlage habe er Geräusche vernommen. «Es handelte sich umplätschernde Geräusche.» Zu Beginn seiner Aussage hatte sich der Mannentschuldigt. «Ich möchte sagen, dass ich zutiefst bedaure, das wasam 7. Januar 2005 geschehen ist und dass es mir nicht vergönnt war,das Leben von Oury Jalloh zu retten.» Er sei zu der Zelle geeilt.«Nach dem Öffnen der Tür schlug uns schwarzer Qualm und beißenderRauch entgegen. Man konnte weder atmen noch was sehen, es ging nichtsmehr», sagte der Angeklagte.
Der Dienstgruppenführer muss sich wegen gefährlicherKörperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen verantworten, sein44 Jahre alter Kollege wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen.Die Mutter des Opfers tritt als Nebenklägerin auf. Die Afrikanerinkonnte den Prozess nur unter äußersten psychischen Anstrengungenverfolgen. Sie wurde von Weinkrämpfen geschüttelt.
Aus Furcht vor Protesten sicherten mehrere Hundertschaften derPolizei das Gebiet um das Gericht weiträumig ab. Rund 50 Freunde undBekannte des Opfers erinnerten auf Plakaten an Jalloh und fordertenAufklärung. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty Internationalverlangte mehr Fortbildung für Polizisten. «Wenn man jahrelang aufder Straße Dienst macht und es immer wieder mit einem bestimmtenKlientel zu tun hat, dann verengt sich der Gesichtskreis. Dannbekommt man Vorurteile», sagte der Sprecher der KoordinierungsgruppePolizei bei Amnesty, Falk Menzner, dem Radiosender MDR INFO.
Am Nachmittag wurden weitere Zeugen gehört. Es deutete sich amersten Verhandlungstag bereits eine längere Dauer des Verfahrens anals ursprünglich erwartet. Der Vorsitzende Richter der 6. großenStrafkammer, Manfred Steinhoff, setzte weitere Verhandlungsterminebis zum Mai an. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.
