Denkmale Denkmale: Die Müller von Danstedt
DANSTEDT/MZ. - Der Wind geht gut, aber aus nördlicher Richtung. Ludgar Eckers und Holger Weitzmann haben alle Hände voll zu tun, die Bockwindmühle in den Wind zu drehen. Mit Hilfe eines Steuerbalkens, dem Sterz, richten sie mühevoll Mühlhaus und Flügel aus. "Bis zu 35 Tonnen müssen bewegt werden", sagt Weitzmann, während sich die Mühle am Rande des 560-Seelen-Ortes Danstedt nahe Halberstadt gemächlich in Bewegung setzt. Zuvor haben die Männer die Flügel besegelt, wie sie das nennen - also mit Brettern versehen. Mindestens einmal pro Woche kommt einer von ihnen zu der kleinen Anhöhe, um die Maschine in Gang zu setzen. "Für die Mühle ist es am besten, wenn sie sich regelmäßig dreht", sagt Eckers. Und die ist den Danstedtern sehr wichtig.
"Erhalten, erhalten, erhalten" - darum geht es Eckers und den 40 weiteren Mitgliedern des Mühlenvereins in dem Dorf. In jahrelanger Arbeit haben sie die Technik von 1835 wieder zum Laufen gebracht, nachdem die Anlage seit 1959 für 30 Jahre stillgestanden hatte. Und so kann in der Mühle, die der Ort auch im Wappen trägt, wie einst gemahlen werden. Für seinen Einsatz hat der Verein nun den Harzer Naturparkpreis in Form einer Kunstguss-Plakette erhalten.
Sicher, Initiativen wie in Danstedt gibt es einige. Doch: "Der Verein hat die Mühle nicht nur vorbildlich saniert - sondern aus ihr auch einen Anziehungspunkt für die Dorfgemeinschaft gemacht. Damit sorgt er dafür, dass sich gerade junge Leute dem Ort verbunden fühlen", so Christiane Linke vom Regionalverband Harz. Dieser vergibt den Preis seit 1999 jährlich zu einem anderen Thema - mit dem Ziel, den Naturparkgedanken zu fördern (siehe "Sechs im Land").
Alljährlicher Höhepunkt in Danstedt ist stets ein Fest zum Deutschen Mühlentag an Pfingsten. Dann bleiben die Dorfbewohner niemals unter sich: Vereins-Chef Eckers schätzt die Besucherzahl auf bis zu 3 000. Im Backhaus, das der Verein vor einigen Jahren neben der Mühle gebaut hat, ist dafür rund um die Uhr Betrieb. "900 Brote und 40 Bleche Zuckerkuchen werden gebacken", erzählt Eckers. Natürlich mit selbst gemahlenem Mehl aus Korn von örtlichen Bauern. Eckers und Weitzmann, die "Herren der Mühle" im Verein, stehen dafür tagelang von früh bis spät an den Maschinen - auch, wenn sie dann ausnahmsweise einen Motor zu Hilfe nehmen.
Jahrhundertelang gehörten Wind- und Wassermühlen zum Alltag der Menschen - nicht nur zum Mahlen von Korn. Mehr als 160 produktive Verwendungsmöglichkeiten hat die Deutsche Mühlengesellschaft (DGM) ermittelt. Mit der Erfindung der Dampfmaschine und später des Elektromotors verloren die Mühlen an Bedeutung. Heute gibt es nur noch wenige, die gewerblich produzieren.
Die Faszination für die "historischen Dinosaurier", wie sie Mühlenexperte Erhard Jahn nennt, ist ungebrochen. Mehr noch: Sie erfreuten sich eines wachsenden Interesses. Heute gebe es rund 1 200 Wind- und Wassermühlen, die jährlich am Deutschen Mühlentag öffnen - etwa doppelt so viele wie im Anfangsjahr 1994. Deshalb ist Jahn sich sicher, dass es sie auch in 100 Jahren noch geben wird. "Sie gehören als kulturgeschichtliche Denkmale zu unserem Erbe", so der DGM-Präsident. "Die Leute sind fasziniert von der historischen Technik, bei der man noch zusehen kann, wie das Mehl entsteht."
Damit vermittelten die Mühlen vielen Menschen ein idyllisches Bild der "guten alten Zeit" - obwohl der Job des Müllers alles andere als malerisch war. Heute werden die Mühlen vielfach auch ganz anders genutzt: als Galerien etwa, als Museen oder Hotels. Zu 90 Prozent sind es Männer, die sich in den Mühlen-Vereinen engagieren, schätzt Jahn. Während die Mühlentage tausende Besucher anziehen, ist es für die Vereine nicht immer leicht, gerade jüngere Mitstreiter zu finden.
Auch in Danstedt macht man sich Gedanken über den Nachwuchs. Der Altersdurchschnitt liege bei etwa 50 Jahren, sagt Eckers. Es gebe viele Kinder und Jugendliche, die sehr interessiert sind an der Mühlentechnik. Doch meist sei es schwierig, sie dauerhaft für die Vereinsarbeit zu begeistern.
Bei Anke Kramer, 23, war das anders. Als Kind konnte sie die Texte der Mühlenführungen herbeten. Bis heute ist sie dabei. Sie sagt: "Wenn ich die Mühle sehe, dann weiß ich, dass ich zu Hause bin."