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Denkmal Denkmal: Am Kyffhäuser bröckelt der Sandstein

Von RALF BÖHME 04.06.2012, 18:57

KYFFHÄUSER/MZ. - Wo der Wind so pfeift, ist nichts für die Ewigkeit. Da bröckeln nach über 100 Jahren selbst die mächtigsten Kaiser. Barbarossa und Wilhelm, die auf dem Kyffhäuser wachen, machen da keine Ausnahme. Damit die beiden alten Recken nicht von ihren Sockeln fallen, brauchen sie Hilfe von allen Seiten. Die Sanierung dauert schon fünf Jahre. Ein Ende ist nicht abzusehen. Denn möglicherweise drohen nun auch noch Gefahren aus dem Untergrund. Der Denkmalsberg liegt in einer Region mit vielen Erdfällen.

20 Meter im Durchmesser, mindestens 13 Meter tief - so sieht ein Krater aus, der über Nacht in Rottleben entstanden ist. Das Dorf liegt nicht weit weg vom 81 Meter hohen Kyffhäuser-Denkmal. Und niemand weiß, ob sich hier oder dort nicht schon bald ein neuer Schlund öffnet. Claus Werner, Landwirt am Kyffhäuser, kennt das mulmige Gefühl, wenn ein Stück des Ackers unerwartet in die Tiefe bricht. "Erdfälle sind leider unser Alltag." Zwar sei man bislang immer mit dem Schrecken davongekommen. Doch ob es so bleibt? Schulterzucken. Wer weiß das schon. Womöglich wackeln irgendwann auch die Kaiser oben auf dem Berg.

Land der Löcher und Risse

Im Landratsamt des Kyffhäuser-Kreises, der Eigentümer des Denkmals ist, hält man solche Sorgen für überzogen. Es bestehe kein Anlass für Zweifel an der Standsicherheit, so lautet die amtliche Auskunft. Allerdings muss die Verwaltung auf Nachfrage einräumen, dass es keine gesicherten Erkenntnisse darüber gibt, in welchem Zustand sich die Fundamente des Monuments befinden. Das klingt seltsam, immerhin gilt Thüringen nicht umsonst als "Land der Löcher und Risse". 60 Prozent der Fläche des Freistaates sind als Folge der speziellen geologischen Verhältnisse und des Bergbaus gefährdet. Eine genaue Vorhersage von Zwischenfällen ist bislang zwar nicht möglich. Die Erfahrungen besagen aber, dass die Region um den Kyffhäuser mit zu den risikoreichsten Abschnitten gehört.

So sieht es auch Lutz Katzschmann von der Thüringer Landesanstalt für Geologie, der seit vielen Jahren die Erdfälle untersucht. Ihm zufolge steht das Denkmal auf einem Plateau aus Sandstein. "Dort sind Erdfälle wenig wahrscheinlich." Ringsum jedoch breche das Deckgebirge häufig auf. Insofern stehen Barbarossa und Wilhelm I. in einem geologischen Spannungsgebiet.

Welche Folgen ein Erdfall haben kann, ist im benachbarten Bad Frankenhausen sichtbar. Infolge unterirdischer Erdbewegungen neigt sich dort der Kirchturm inzwischen schiefer als der legendäre schiefe Turm von Pisa. Zu einem Erdfall kommt es immer dann, so der Geologe, wenn Salze oder Gipse in der Tiefe ausgewaschen werden. So entstehen mitunter riesige Hohlräume, in die laut Katzschmann früher oder später das Gestein von oben nachrutscht. Allein für 2011 weist das Thüringer Umweltministerium fast 100 derartige Naturereignisse aus.

Dass das 65 Millionen Jahre alte Kyffhäuser-Massiv noch nicht zur Ruhe gekommen ist, zeigt sich nach Ansicht des Dresdner Bergforschers Hartmut Simmert auch an den zahlreichen Höhlen. Rund 60 soll es davon geben - einige sind begehbar wie etwa die weltbekannte Barbarossa-Höhle. In anderen unterirdischen Gewölben, der Numburg-Höhle beispielsweise, gibt es ausgedehnte Seen.

Die zweite große Gefahr, die mit der Sanierung gebannt werden soll, ist der verwitterte Fels. "Ein Abrutschen des Berges muss unter allen Umständen verhindert werden", meint nicht nur Landrat Peter Hengstermann (CDU). Alarmierend: Immer wieder stürzen schwere Brocken herab - so im Jahr 2007, als mehr als 100 Tonnen aus einer Steilwand unterhalb des Denkmals herausbrechen. Seitdem sind Fachleute vom Schachtbau Nordhausen und der Bergsicherung Ilfeld dabei, das Steinschlag-Problem zu lösen. Sören Kellermann, Chef der Bauverwaltung: "Wenn wir nichts tun, rückt die Hangkante immer näher an das Denkmal heran, jedes Jahr um einige Meter." Einige der besonders gefährdeten Abschnitte seien bereits gesichert, andere noch nicht. Pläne liegen ihm zufolge vor, das Geld indes fehle. Mehrere Millionen Euro stecken bereits in Sicherheitszäunen, neu gespannten Stahlnetzen, Spritzbetonplomben und bis zu acht Meter tiefen Verschraubungen im Gestein. Der Landkreis hofft nun auf weitere Fördermittel. "Wenn ich in Rente gehe, soll möglichst alles fertig sein", sagt Kellermann, der jetzt 52 Jahre ist.

Auf alle Fälle hält auch das Kyffhäuser-Denkmal selbst noch viel Arbeit für Handwerker bereit. Fugen sind undicht, Wasser dringt ein, Teile drohen abzufallen oder sind schon abgestürzt - bis Ende 2013 sollen diese Mängel beseitigt werden. Um das zu schaffen, muss teils in zwei Schichten gearbeitet werden. Sobald der Sandstein abgestrahlt ist, bessern Restauratoren Schmuckelemente, Reliefs und Figuren aus. Kosten: 1,2 Millionen Euro. 90 Prozent der Summe kommen von EU, Bund und Land.

Fast komplett eingerüstet

Gerade ist eine Spezialfirma aus Schmölln dabei, den 57 Meter hohen Turm mit 4 000 Quadratmeter Rüstung zu versehen. Dabei bleibt die Aussichtsplattform ausgespart. "Unsere Gerüste und auch der Lift sind statisch exakt berechnet." So sollen sie, meint Chef Enrico Weiß, den berüchtigten Kyffhäuser-Stürmen standhalten. Schon mehrmals, sagt er, haben heftige Böen den Gerüstbau unterbrochen. Nun aber erhält die Konstruktion in dieser Woche noch ein Dach und ringsum Planen. Dann können in einigen Tagen die Steinmetze aus Zeitz (Burgenlandkreis) anrücken, um die verwitterten Sandsteinquader instand zu setzen. Unter anderem müssen 3 000 Meter Fugen gereinigt und mit einem Spezialmörtel gefüllt werden. Das sei laut Kellermann der "Leim", der die beiden alten Kaiser zumindest im 21. Jahrhundert zusammenhalten soll.