«deckert's» in Eisleben «deckert's» in Eisleben: Sprossen als I-Tüpfelchen
Halle (Saale)/MZ. - Entschuldigend hebt Antje Deckert die Hände. Der Webmaster ist gerade im Urlaub. Mit den Rinderbäckchen sei das zudem so eine Sache. Der Lieferant aus Hamburg habe einen Engpass signalisiert. Wechseln? Kommt nicht in Frage. Denn Rinderbäckchen ist nicht gleich Rinderbäckchen. Und Abstriche an der Qualität will die Inhaberin von "deckert's Hotel & Restaurant" in der Lutherstadt Eisleben nicht machen. Dann lieber die aktuelle Empfehlung auf der sich saisonal immer mal leicht wandelnden Karte wechseln. "Aber das Rinderbäckchen hat es bestimmt nicht das letzte Mal gegeben", macht sie Hoffnung.
Indes: Der intermediale Schaden ist immer noch nicht repariert. Wie lange macht so ein Webmaster denn eigentlich Urlaub? Mithin bleibt uns das Geheimnis der Vanillekartoffeln vorerst verborgen.
Dafür verrät uns die nette Bedienung die Zusammensetzung des an uns gesandten Grußes aus der Küche. Ei, Sahne, Milch und als Aroma Meerrettich. Fertig ist die Meerrettichmousse, die so gar nichts dem Wurzelgemüse beiwohnend Scharfes auf der Zunge verbreitet, sondern ein angenehmes Gefühl nach mehr.
Ehemals "Gerichtslaube"
Kein Vergleich zu jenen Zeiten, als die Oberschüler die Stunden bis zur Abfahrt ihres Zuges Richtung Heimatdörfer mit Cola und Bockwurst in der damaligen "Gerichtslaube" überbrückten. Noch heute verabreden sich viele von ihnen gewohnheitsgemäß in der "Laube" zum Klassentreffen, lag doch das Haus an der Schnittstelle der Wege von Erweiterter Oberschule und Berufsschule. Die Oberschule heißt wieder Gymnasium. Benannt nach Eislebens größtem Sohn: Martin Luther. Und gleich nebenan hat das Amtsgericht, lange eine Querstraße weiter beheimatet, wieder im angestammten Hause Einzug gehalten. Gleich schräg rüber von "deckerts". Daher auch der frühere Name "Gerichtslaube", der in einer Zeit wurzelt, als die Telefonnummer 110 noch nicht der Polizei als Notruf zugesprochen war, sondern zum Gastwirt Karl Krügel gehörte.
Als der in dem Eckhaus das Sagen hatte, kannte man die Steckrübe auch schon. Dass daraus solch ein wunderbares Süppchen wie heute, verfeinert mit Backobst und Räucheraal, gezaubert wurde, ist nicht überliefert und darf als eher unwahrscheinlich gelten. Doch den Punkt aufs i des cremigen und die Zunge umschmeichelnden Steckrübensüppchens (5 Euro) setzen die Sprossen vom Porree.
Ebenfalls Appetit auf mehr macht das Knoblauchsüppchen mit einem Lachs-Grissini (4 Euro), wobei der hauchdünn geschnittene und um die Gebäckstange gewickelte Räucherlachs perfekt mit den Aromen auf dem Teller harmoniert. Fürs Kind hat der Koch als Vorspeise ein lustiges Gesicht aus Obst und Soßen auf den Teller gezaubert. Beim Warten auf ihre Eierkuchen (2,50 Euro) hat sich die Kleine derweil der vielen Buntstifte bemächtigt und aus den Zahlen auf der Kinderkarte einen lustigen Elefanten unter Palmen gemalt. So viel Aufmerksamkeit für den Nachwuchs gibt es, das muss man leider erwähnen, nicht überall.
Nicht immer selbstverständlich ist es auch, dass es einem Koch gelingt, Fisch auf den Punkt genau hinzubekommen. Für den haben wir uns an Stelle der Rinderbäckchen entschieden. Gebratenes Saiblingfilet auf Zuckerschoten-Mango-Gemüse, dazu Basmatireis (13 Euro) und Kabeljaufilet an Wok Gemüse (14 Euro).
Fisch, Rinderfilet, mithin auch Bratkartoffeln, werden gern mal als Scharfrichter für die Beurteilung der Qualitäten eines Kochs herangezogen. Wir jedenfalls haben an jenen des Küchenchefs in "deckert's Hotel & Restaurant" nichts auszusetzen. Der Fisch ist perfekt. Da ist nichts zu weich und nichts zu fest. Und was die Gewürze angeht, die wurden zurückhaltend eingesetzt. Schließlich sollen wir nicht nur sehen, was wir essen, sondern auch schmecken. Und es schmeckt, ohne zu übertreiben, vorzüglich. Das knackige Gemüse macht das Ganze rund.
Fischgerichte finden sich zwei auf der Karte, wer es lieber deftig mag, kommt aber genau so auf seine Kosten. Denn Antje und Sven Deckert setzten vor allem auf Regionales, wobei die Karte überschaubar ist. Das garantiert, wir merken es an der (angemessenen) Wartezeit, eine frische Zubereitung. Neben der hausgemachten Rinderroulade (13 Euro, etwas für gute Esser), dem Schweineschnitzel "Braumeister" (11 Euro) findet sich auch die fast schon legendäre "HO-Schnitte", ein Schweineschnitzel auf einer Scheibe Brot, darauf zwei Spiegeleier (10 Euro). Sie soll, so wird kolportiert, einst aus Mangel an Zutaten im Mansfeldischen kreiert worden sein.
Gute Weiße aus der Nähe
Zu den regionalen Gerichten finden sich Weine aus Höhnstedt und dem Saale-Unstrut-Gebiet, wobei ein trockener Weißwein vom Höhnstedter Weingut Günter Born oder auch vom Landesweingut Kloster Pforta eine gute Empfehlung zum Fisch ist. Als krönender Abschluss des Menüs entpuppt sich das Dessert. Auf der einen Seite drei Kugeln Sauerkirsch-Creme-Eis mit Variationen von der Valrhona-Schokolade (5 Euro) gegenüber Giotto on Ice (4,50 Euro). Unverkennbar, die Bedienung bestätigt es gern, das Eis ist selbst gemacht. Und die Sauerkirschen sind nicht einfach nur püriert und unter die Masse gemischt, sondern stückig in der cremigen Hülle platziert worden. Die Schokolade, nur in ausgewählten Geschäften wie zum Beispiel dem Berliner KaDeWe zu kaufen, kommt als Mousse, Soße und Pudding in dreierlei Verarbeitung daher. Beim Giotto hat die Küchencrew Mandeln zu drei kleinen mit Vanilleeiscreme gefüllten Stäbchen verarbeitet. Mittlerweile neu auf der Karte zu finden ist eine Creme Brulee mit dreierlei Variationen von der Erdbeere (5 Euro). Setzen wir Preis und Qualität ins Verhältnis, sind wir im übertragenen Sinn mehr als gut bedient im "deckert's". Ist eigentlich der Webmaster schon wieder zurück?
«deckert's» in Eisleben
Adresse: 06295 Eisleben, Friedensstraße 2
Telefon: 03475/6690
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag ab 17 Uhr Samstag und Sonntag ab 11 Uhr
Hauptgerichte ab 10 Euro bis 18 Euro, offene Weine ab 4,30 Euro, Wein im Schnitt 17 Euro, teuerste Flasche 36 Euro