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DDR-Geschichte DDR-Geschichte: Mahnmal erinnert an Zwangskollektivierung

Von Michael Klug 22.04.2010, 15:24
Der pensionierte Landwirt Ulrich Toppel an einem Acker bei Pritzwalk (Prignitz) in Brandenburg vor einem Tankwagen mit einer Mistgabel. Toppel war Opfer der Zwangskollektivierung der Landwirtschft in der DDR. (FOTO: DDP)
Der pensionierte Landwirt Ulrich Toppel an einem Acker bei Pritzwalk (Prignitz) in Brandenburg vor einem Tankwagen mit einer Mistgabel. Toppel war Opfer der Zwangskollektivierung der Landwirtschft in der DDR. (FOTO: DDP) ddp

Sarnow/ddp. - Wenn Bauer Ulrich Toppel aus dem Dorf Sarnow inder Prignitz über jene Ungerechtigkeit im Zuge der Kollektivierungder Bauern vor 50 Jahren spricht, muss der 73-Jährige weit ausholen.«Das hat eigentlich mit den Russen nach dem Krieg angefangen. Diehaben unser Vieh vom Hof getrieben und die Maschinen mitgenommen»,sagt Toppel. Fünfzehn Jahre später traf den damals 23-Jährigen undseine beiden Brüder abermals der ungerechte Lauf der Geschichte. «Mitder Gründung der Genossenschaft war plötzlich wieder alles weg, waswir bis dahin wieder mühsam aufgebaut hatten, sagt Toppel über dieKollektivierung seines Hofes vor fast genau 50 Jahren.

Toppels Familie gehörte zu jenen 400 000 Bauern, die im Zuge derGründung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG)im «sozialistischen Frühling» 1960 zwangsweise kollektiviert wurden.Rund 50 Hektar Land, Tiere und Maschinen verlor Toppels Familiedamals an die neugegründete LPG. Toppel selbst war wie alle anderenvon diesem Zeitpunkt an nur noch Angestellter auf dem eigenen Hof.«Man hatte für wenig Geld das zu machen, was die sagten. Dabei mussteman zusehen, wie alles runtergewirtschaftet wurde», sagt Toppel. Dasser, ein ruhiger und besonnener Mann, den Untergang seinerLandwirtschaft ertrug und nicht wie 15 000 andere Bauern in denWesten floh, war seiner engen familiären Verbundenheit geschuldet.«Vor allem wegen meiner Mutter hab ich mich gefügt. Die hätte den Hofnie verlassen», sagt Toppel.

Ihm und den 400 000 anderen zwangskollektivierten Bauern soll am50. Jahrestag der Gründung der einstigen LPG am Sonntag in der StadtKyritz in der Prignitz ein Denkmal gesetzt werden. «Es wird das ersteDenkmal in Ostdeutschland überhaupt sein, das sich diesesunmenschlichen Kapitels annimmt», sagt Reinhard Jung, Geschäftsführerdes Bauernbundes, über die feierliche Enthüllung, an der auchSachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) teilnehmenwird. Der Steinfindling mit einer Bronzetafel soll zudem an dieDiktatur der Kommunisten erinnern. »Es gab ja nicht nur Propagandaund Schikanen wie den Entzug von Treibstoff und Dünger. Menschenwurden - typisch für das System - verhaftet und in den Todgetrieben», sagt der aus Schleswig-Holstein stammende und heute inBrandenburg lebende Bauer und Verbandsfunktionär.

Dennoch scheint die Einweihung des Gedenksteins von einemideologischen Grabenkampf bedroht. Zeitgleich mit der Enthüllung willdie der Partei Die Linke nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung amWochenende in Kyritz ein Seminar unter dem Motto»Agrargenossenschaften gestern und heute« veranstalten. »Es geht beider Konferenz nicht um die Fortsetzung einer beschönigenden Linie beider Vergangenheitsbewältigung«, sagt ein Sprecher der Stiftung jedochvorab und fügt an, dass man Fehler eingesteht. Sicher habe es Druckgegen Bauern gegeben, und dies werde auf der Konferenz auchverurteilt, fügt der Sprecher hinzu.

Der Beginn einer Versöhnung mit dem einstigen Klassenfeind ist fürden Bauernbund indes auch 50 Jahre nach der Zwangskollektivierungausgeschlossen. »Es ist ein Affront und ein Schlag in das Gesicht derEntrechteten, dass die Roten Barone von einst heute ihrevermeintliche Erfolge feiern«, sagt Jung. Große Genugtuung verspürtder Verband deshalb auch, dass mit dem Standort in Kyritz für dasDenkmal letztlich eine historisch besonders besetzte Stelle gefundenwurde. «Unser Denkmal wird in der Nähe des Ortes stehen, wo WilhelmPieck im September 1945 die demokratische Bodenreform verkündete»,sagt Jung mit unverhohlener Freude.

Für Bauer Toppel ist das Denkmal indes kein später Sieg über diesozialistische Ideologie. Toppel, der seit der Wende sein altes Landwieder erfolgreich bewirtschaftet, wäre schon zufrieden, wenn dasDenkmal jenes Geschichtsbild korrigiert, das zuvor mehrereGenerationen im Osten prägte. «In Kyritz stand die ganzen Jahre nurein Denkmal für Wilhelm Pieck und seine Bodenreform. Wenn jetztSchulklassen beide Denkmäler sehen, wissen die zumindest auch vonunserem Teil der Geschichte», sagt Toppel.