Dashcam-Aufnahmen Dashcam-Aufnahmen vor Gericht verwendbar: Magdeburger gewinnt Prozess

Karlsruhe/Magdeburg - Die Nutzung permanent aufzeichnender Minikameras an der Windschutzscheibe ist verboten. Dennoch dürfen Aufnahmen dieser sogenannten Dashcams vor Gericht als Beweismittel verwertet werden. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil.
Anlass war ein Unfall in Magdeburg. Zwei Fahrzeuge bogen nebeneinander nach links in eine größere Straße ein und kollidierten dabei. Die Fahrer warfen sich gegenseitig vor, jeweils der andere habe die Spur verlassen. Vor Gericht stand Aussage gegen Aussage.
Einer der Fahrer legte eine Videoaufzeichnung vor - das Amtsgericht und das Landgericht Magdeburg ließen das Filmchen jedoch nicht als Beweismittel zu.
Der Bundesgerichtshof teilte nun zwar die Position von Datenschützern. „Eine permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang der Fahrstrecke ist unzulässig“, erklärte der Vorsitzende Richter Gregor Galke, sie verstoße gegen das Bundesdatenschutzgesetz.
Dashcam: Aufnahmen können bei Gerichtsprozessen verwendet werden
Allerdings: Das deutsche Prozessrecht schließe die Verwertung von unzulässig erlangten Beweismitteln nicht aus. Vielmehr komme es auf eine Abwägung der Interessen an. Im konkreten Fall überwiege das Interesse an der Aufklärung des Unfalls.
Und noch ein Punkt spielte für die höchsten deutschen Zivilrichter eine Rolle: „Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind.“
Sachsen-Anhalts Landesverkehrswacht sprach am Dienstag von einem verwirrenden Urteil. „Wir haben eine unklare Situation, was sehr unbefriedigend ist“, sagte Vizepräsident Wulf Hoffmann. Aus seiner Sicht hat das Gericht den Datenschutz zu hoch gewichtet. Er fordert nun eine Klärung per Gesetz.
Von einem zwiespältigen Urteil spricht auch Sachsen-Anhalts Datenschutzbeauftragter Harald von Bose. „Das Gericht hat aber klar das Recht bekräftigt, sich unbeobachtet im öffentlichen Raum zu bewegen.“ Dass unerlaubt angefertigte Filme dennoch vor Gericht genutzt werden könnten, sei ein gewisser Widerspruch.
Sollte seine Behörde Hinweise erhalten, dass Kameras in Autos rechtswidrig filmten, werde er Bußgelder verhängen. „Die werden abschreckend und verhältnismäßig ausfallen“, sagte von Bose. Bislang gab es in Sachsen-Anhalt Bußgelder ausschließlich für fest installierte Kameras.
Der Magdeburger Kläger will sich zum Urteil nicht äußern. Sein Rechtsanwalt Volkert Vorwerk sprach jedoch von einem ausgewogenen Urteil. „Das Gericht hat das Fenster für mehr Videoüberwachung nicht geöffnet, sondern eher zugemacht“, sagte er der MZ. Anlassloses Aufzeichnen sei klar unzulässig.
Dennoch gebe es nun die kleine Hintertür, dass Bilder von Autokameras in Zivilverfahren, möglicherweise auch in Strafprozessen verwertet werden könnten.
Dashcams zeichnen Autofahrten auf: Interesse an den Kameras steigt
Der konkrete Prozess muss nun vor dem Landgericht Magdeburg neu aufgerollt werden - diesmal mit Verwertung der Kamera-Aufnahmen. Mit einem Bußgeld muss der Fahrer jetzt nicht mehr rechnen. „Der Datenschutz-Verstoß ist verjährt“, sagte der Kläger-Anwalt.
Datenschützer kritisieren die permanent filmenden Kameras schon lange und halten sie für unzulässig. Sie fürchten, dass Leute zu Hause die Aufnahmen auswerten und peinliche Momente auf Youtube posten. Bald könnte Gesichtserkennungs-Software sogar identifizieren, wer auf den Filmen zu sehen ist.
Laut Urteil des Bundesgerichtshofes könnte es hingegen zulässig sein, wenn Kameras entweder kurz vor dem Unfall anlassbezogen auslösen oder die Aufnahmen regelmäßig mit neuen Daten überschrieben werden.
Anders als in Russland fahren in Deutschland erst wenige Autofahrer mit den kleinen Kameras an Windschutzscheibe oder Armaturenbrett herum. Doch die Geräte werden immer beliebter: Einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom zufolge nutzen diese derzeit acht Prozent der Autofahrer. Weitere 13 Prozent wollen das in Zukunft auf jeden Fall tun, 25 Prozent können es sich vorstellen. (mz)