Crystal Crystal: Länderübergreifender Kampf gegen Drogen gefordert

Dresden - Im Kampf gegen die synthetische Droge Crystal setzt Sachsen auf eine verstärkte internationale Zusammenarbeit. Innenminister Markus Ulbig (CDU) erhofft sich dabei auch von einem deutsch-tschechischen Polizeiabkommen, das schon in Kürze unterzeichnet werden solle, Fortschritte. „Wenn wir den Polizeivertrag auch mit Tschechien haben und damit die Eingriffsbefugnisse der deutschen und tschechischen Polizei noch größer sind, werden wir noch ein ganzes Stück weiter vorankommen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Im Jahr 1893 gelang es dem japanischen Chemiker Nagayoshi Nagai, die Droge Methamphetamin zu synthetisieren, die heute unter der Bezeichnung „Crystal“ als gefährlichste Modedroge gilt. Die Berliner Temmler-Werke entwickelten daraus 1934 eine Droge, die das Schlafbedürfnis senkte und die Leistungsfähigkeit steigerte. Als „Pervitin“ kam das Rauschgift 1938 auf den Markt - gerade rechtzeitig, um Hitlers Blitzkriege zu befeuern.
Während der Feldzüge gegen Frankreich rückten ganze Wehrmachtseinheiten zugedröhnt mit Crystal aus, das unter Spitznamen wie „Panzerschokolade“ verabreicht wurde. Crystal ist eine Kriegsdroge: Das Mittel unterdrückt Müdigkeit, Hungergefühl und Schmerz, es verleiht Selbstvertrauen, der Nutzer fühlt sich stark und tatkräftig.
Selbst in der Nazi-Diktatur aber beunruhigten die Nebenwirkungen wenig später erste Mediziner. Berichte über Persönlichkeitsveränderungen, Psychosen und Paranoia, Halluzinationen und Depressionen mehrten sich. Ab 1. Juli 1941 fiel Pervitin unter das Opiumgesetz, so dass der freie Verkauf verboten war. Dennoch orderte die Wehrmacht zehn Millionen Tabletten gemäß ihrer „Richtlinien zur Bekämpfung von Ermüdung“: „Einmal zwei Tabletten beseitigen das Schlafbedürfnis für drei bis acht Stunden, zweimal zwei Tabletten gewöhnlich für 24 Stunden“, heißt es da. Auch Hitler ließ sich mit seiner „Vitaminspritze“ täglich Crystal Meth verabreichen, wahrscheinlich ohne es zu wissen.
Methamphetamin kann auf jede nur erdenkliche Art eingenommen werden. Egal, ob durch die Nase inhaliert, geraucht, gegessen oder gespritzt - die Droge weckt stets das starke Verlangen, mehr davon zu nehmen. Zudem erzeugt die Droge ein Gefühl von Glücklichsein und Wohlergehen, kombiniert mit Zuversicht, Hyperaktivität und Energie. Dabei zerstört die chemische Substanz den Körper systematisch. Die Wirkungen reichen vom Gedächtnisverlust über Aggressivität bis hin zu Herz- und Hirnschäden. Die schnell eintretende körperliche Abhängigkeit wird nur durch weiteren Konsum der Droge gelindert.
Außerdem forderte Ulbig eine länderübergreifende Kontrolle des Handels mit Grundstoffen zur Crystal-Herstellung. „Wir brauchen eine europäische Regelung. Damit wir wenigstens innerhalb Europas - wenn sich schon die Welt bei dem Thema nicht einigen kann - kein Einfallstor mehr haben.“
Noch keine Zahlen für 2014
Die Zahlen gehen nach oben: Schon von 2012 auf 2013 stieg die polizeilich sichergestellte Menge der extrem schnell abhängig machenden Droge in Sachsen um fast 100 Prozent auf knapp 15 Kilo. Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor, doch allein bei einem gemeinsamen Schlag der tschechischen und deutschen Polizei Anfang November wurden 2,9 Tonnen des Crystal-Grundstoffs Chlorephedrin sichergestellt. 2,3 Tonnen der Droge mit einem Straßenverkaufswert von 184 Millionen Euro hätten damit hergestellt werden können.
„Wenn man sich den Marktwert mal anguckt, dann sind wir in einer anderen Dimension als noch vor einem Jahr, als wir vom Ameisenhandel geredet haben, mit dem die Leute das Zeug vor allem für den Eigenbedarf über die Grenze gebracht haben“, sagte Ulbig.
Die größere Menge des sichergestellten Crystals sei auch mit der höheren Kontrollintensität zu erklären. „Aber auf der anderen Seite sagen die Drogenberatungsstellen, dass die Zahlen der Beratungssuchenden dort auch ansteigen. Und das belegt ja, dass auch die konsumtiven Zahlen hoch gehen“, erklärte der Innenminister.
Das Crystal-Problem breite sich auch geografisch weiter aus: „Wir sehen, dass sich über Sachsens Landesgrenzen hinaus - beispielsweise in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, besonders entlang der Autobahnen - der Nachfragemarkt entwickelt. Und damit wird das natürlich zu einem Thema in ganz Deutschland.“
Schon jetzt sei die Zusammenarbeit mit den tschechischen Nachbarn gut, wie nicht zuletzt der Fall vom November gezeigt habe, sagte Ulbig. Noch müssten in den gemeinsamen Fahndungsteams aber je nach Einsatzort immer Beamte des jeweiligen Landes die hoheitlichen Aufgaben übernehmen. „Im Polizeivertrag werden den Beamten auf der jeweils anderen Seite mehr Kompetenzen eingeräumt. Das heißt aber auch für uns, dass wir akzeptieren müssen, dass ein tschechischer Polizist auf deutscher Seite hoheitliche Befugnisse haben wird. Das ist ja keine Einbahnstraße.“ (dpa)