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«Bürgerarbeit» «Bürgerarbeit»: Job-Start ein Feiertag

Von Kai Gauselmann 01.08.2006, 19:36

Magdeburg/MZ. - "Auf die Ö-Punkte lege ich wert, ich habe nichts mit Dieter Bohlen zu tun!", sagt Silke Böhlen und lacht. Die 38-Jährige hat ausgesprochen gute Laune, denn: "Es ist für mich wie drei Feiertage auf einmal." Die große blonde Frau hat am Dienstag ihren Arbeitsvertrag bei der Lebenshilfe in Magdeburg bekommen, sie ist eine der ersten "Bürgerarbeiter".

In dem Projekt werden zunächst 20 Langzeitarbeitslose für ein Jahr bei der Lebenshilfe Magdeburg beschäftigt. Sie sollen in Behindertenwerkstätten dem geschulten Fachpersonal zur Hand gehen. Das Neue: Zur Finanzierung werden verschiedene Fördertöpfe mit dem Arbeitslosengeld gemischt, die Betroffenen erhalten mehr Geld und der Job ist sozialversicherungspflichtig.

Zielgruppe des Projekts sind Langzeitarbeitslose. Das ist abstrakt, Silke Böhlen weiß konkret, was das bedeutet. "Ich bin seit 1993 immer wieder arbeitslos." Gelernt hat sie Elektromonteurin. Der Job lag ihr nicht, dann hat sie fünf Jahre im Kindergarten ausgeholfen, wurde arbeitslos, blieb es. Natürlich nicht durchgängig.

Die geschiedene Mutter eines erwachsenen Sohnes - "er hat eine Lehrstelle bei Aldi" - hat das volle Arbeitsamtsprogramm mitgemacht. Sie hat eine Umschulung zur Bürokauffrau absolviert, als Hähnchenverkäuferin, Kellnerin, im Callcenter und als Putzfrau gearbeitet. Das sind nur einige Stationen. Immer lief eine Maßnahme aus, ging ein Job nicht weiter.

Nun also "Bürgerarbeit". Jetzt soll alles anders werden. "Ich arbeite gerne mit Kindern, Alten und Behinderten, dafür habe ich eine Ader." Sie weiß, dass das Projekt zunächst nur ein Jahr läuft. Klappt alles, sollen Dauerarbeitsplätze entstehen. "Ich hoffe, dass das Projekt verlängert wird. Ich werde dafür kämpfen", sagt sie.

An diesem ersten Tag werden die 20 Männer und Frauen in die Arbeit der Behindertenwerkstätten eingeführt. Sie sollen als Assistenten arbeiten, den 340 unterschiedlich stark behinderten Menschen zur Hand gehen, etwa beim Bedienen der Maschinen helfen, beim Essen, auch bei Toilettengängen.

Kleine Arbeiten, aber eine große Hilfe, findet Lebenshilfe-Geschäftsführerin Heike Woost. "Bisher kam ein Betreuer auf zwölf Behinderte. Mit den Bürgerarbeitern wird eine viel individuellere Betreuung möglich." Dafür sei zwar nicht jeder gleichermaßen geeignet, meint Woost. Eine spezielle Ausbildung sei aber nicht nötig, die Tätigkeit als Assistent einfach. "Die Bürgerarbeiter sollen den behinderten Menschen zur Hand gehen." Das sei etwa bei der Arbeit an Drehbänken zur Metallverarbeitung nötig.

Das Projekt soll nur in so genannten Non-Profit-Bereichen greifen, also bei Verbänden und Institutionen, die nicht gewinnorientiert arbeiten. Klaus-Dieter Pantke, Vereinsvorsitzender der Lebenshilfe, hält dies - im Gegensatz zu Kritikern - auch nicht für wirtschaftsschädlich.

Hoffnung in das Projekt setzt auch Diana Hörge. Die 29-jährige, gelernte medizinisch technische Assistentin, hat sich freiwillig gemeldet. Sie ist seit 2002 arbeitslos und allein erziehende Mutter dreier Kinder. Chancen auf einen regulären Job sieht sie nicht: "Wer nimmt denn eine allein erziehende Mutter von drei Kindern?"