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«Bürgerarbeit» «Bürgerarbeit»: ABM oder nützliche Erfindung?

Von Sabine Fuchs 13.03.2007, 07:53

Magdeburg/dpa. - «Bürgerarbeit» heißt dasZauberwort, mit dem die Erwerbslosigkeit bekämpft werden soll. «Wirwollen Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit finanzieren», sagt einer derErfinder, Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU). Pilotprojektelaufen gegenwärtig in zwei Kleinstädten Sachsen Anhalts und sollenzwölf Monate lang getestet werden. Andere Bundesländer haben bereitsInteresse bekundet.

Mit der «Bürgerarbeit» sollen Langzeitarbeitslose, die auf demregulären Arbeitsmarkt kaum eine Chance haben, in Beschäftigunggebracht werden. Voraussetzung: die Tätigkeit ist gemeinnützig, zumBeispiel bei der Freiwilligen Feuerwehr, in Seniorenheimen, in derKirche oder bei der Kinderbetreuung. Außerdem darf sie regulärenArbeitsplätzen keine Konkurrenz machen. Im Unterschied zum «Ein-Euro-Jobber» erhält der «Bürgerarbeiter» einen Arbeitsvertrag und istsozialversicherungspflichtig beschäftigt. Notfalls wird«Bürgerarbeit» zwangsverordnet, denn wer Beratungsgesprächen bei derAgentur für Arbeit fernbleibt oder Qualifizierungsmaßnahmen ablehnt,wird bei der Agentur abgemeldet.

Die «Bürgerarbeiter» sind 30 Stunden in der Woche tätig, der Restder Zeit dient der Qualifizierung, damit eventuell doch noch derSprung in den ersten Arbeitsmarkt geschafft werden kann. Diepauschalen Vergütungen liegen bei 675 bis 975 Euro brutto im Monat.Finanziert werden Sozialversicherungsbeiträge und Lohn von derBundesagentur für Arbeit, dem Land und dem EuropäischenStrukturfonds.

Schauplätze der «Bürgerarbeit» sind derzeit Schmiedeberg(Landkreis Wittenberg) und Barleben (Ohrekreis), nachdem das Projektim vergangenen Jahr beim Verein Lebenshilfe in Magdeburg mit 20«Bürgerarbeitern» als «Laborversuch» getestet worden war. «Unserekühnsten Erwartungen sind übertroffen worden», schwärmt Reiner Bomba,Geschäftsführer der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen derBundesagentur für Arbeit. Die Arbeitslosenquote konnte in BadSchmiedeberg von 15,6 Prozent im September 2006 auf 7,3 Prozent imFebruar 2007 reduziert werden.

Auch im jüngst gestarteten Projekt in Barleben gibt es bereitsErfolge: Bereits durch die Vorgespräche von Mitte Januar bis MitteFebruar 2007 konnte die Arbeitslosenquote der 6000 Einwohnerzählenden Stadt von 8,4 auf 6,5 reduziert werden. Derzeit sind dort36 «Bürgerarbeiter» tätig, auf 75 soll ihre Zahl anwachsen.

Doch die «Bürgerarbeit» hat auch Kritiker: Er könne nur davorwarnen, einen staatlich finanzierten dritten Arbeitsmarkt zuinstallieren, betont FDP-Generalsekretär Dirk Niebel. «Das wärenichts anderes als eine Neuauflage der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen,von denen wir zweifelsfrei wissen, dass sie den Bürgern nicht nurnicht genutzt, sondern sogar geschadet haben». Herbert Buscher,Arbeitsmarktexperte des Instituts für Wirtschaftsforschung Hallebezweifelt, dass das Projekt flächendeckend ausgeweitet werden kannwie von seinen Erfindern angestrebt. Zwar könne es in kleinenRegionen mit einem überschaubaren Teilnehmerkreis durchaus Erfolghaben. «Doch flächendeckend ist es aus meiner Sicht nicht unterKontrolle zu halten».

Diese Befürchtung haben auch andere, denn wie genau will manfeststellen, ob die «Bürgerarbeiter» nicht reguläre Jobs wegnehmenoder unterwandern? Doch trotz dieser Bedenken sorgt das Projektbundesweit für Aufsehen. «Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen,Thüringen, Hessen, Rheinland-Pfalz, sie alle haben bereits Interessebekundet», sagte Bomba.

Das Modell „Bürgerarbeit“ soll in Sachsen-Anhalt auf einen Landkreisausgeweitet werden, um Jobs für Langzeitarbeitslose zu schaffen. (Foto: dpa)
Das Modell „Bürgerarbeit“ soll in Sachsen-Anhalt auf einen Landkreisausgeweitet werden, um Jobs für Langzeitarbeitslose zu schaffen. (Foto: dpa)
dpa-Zentralbild