Wirtschaft in Naumburg Wirtschaft in Naumburg: Mehr als nur Türsteher

Naumburg/Weißenfels - Die Zahl hört sich schier unvorstellbar an: Über 4,7 Millionen Schweine werden pro Jahr im Weißenfelser Tönnies-Werk geschlachtet. Für die Mitarbeiter des Naumburger Sicherheitsunternehmens BRU, das im Fleischwerk den Wachschutz übernimmt, ist aber noch eine ganz andere Zahl entscheidend. Bis zu 200 Lkw rollen täglich in das Werk hinein und auch wieder hinaus. Tiere werden angeliefert. Fleisch wird abtransportiert. Handwerker rücken an, auch Kontrolleure. Da stellen sich Fragen: Wer darf ins Werk hinein? Was führt er mit sich ? Und vor allem: Was bringt er wieder heraus. Probleme lauern überall: Diebstahl durch Mitarbeiter sowie Externe, Spionage, sei es aus Tierschutz- oder anderen Gründen. Es hat schon seinen Grund, warum das Fleischwerk zu den größten Auftraggebern des Naumburger Unternehmens zählt.
Am Dienstag schauten sich nun sechs Nachwuchs-Security-Mitarbeiter das Werk an. Sie haben als Auszubildende bei BRU-Geschäftsführer Dirk Claus ihre Lehre aufgenommen. „Der Kampf um gute Auszubildende ist hart. Deswegen bin ich froh, dass wir gleich sechs gute Leute gefunden haben“, so Claus. Vom Image der einfachen, muskelbepackten Türsteher distanziert sich der Naumburger Unternehmer. Aufträge aus dem Nachtleben, wie etwa Diskotheken, nimmt er nicht an. „Das ist nicht meine Branche“. Claus lässt mit mittlerweile von 250 Angestellten, Tendenz steigend, ganz andere Objekte absichern: große Einkaufszentren, das Uni-Gelände in Jena, die Polizeischule in Aschersleben. Hinzu kommt die Absicherung der Heimspiele des Halleschen FC sowie des FC Carl Zeiss Jena in der 3. Fußball-Bundesliga.
Fußballspiele, Einkaufszentren, Fleischwerk: Die Einsatzorte der neuen Auszubildenden werden in der Praxis also vielfältig sein. Kaum noch dazu gehört die Bewachung von Asylunterkünften. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung vor zwei Jahren konnte sich die BRU vor Aufträgen kaum retten. „Aber wir haben das im Burgenlandkreis vergleichsweise gut hinbekommen“, so Claus. Die Nachfrage nach Security-Personal in Deutschland ist steigend. Aktuell arbeiten bundesweit 270000 Mitarbeiter im Sicherheitsgewerbe - bei 15000 offenen Stellen.
Während viele Stellen durch erwachsene Quereinsteiger besetzt werden, hoffen die sechs neuen BRU-Azubis darauf, ihren Wunsch-Beruf fürs Leben gefunden zu haben. Dass das klappen kann, beweist der Weißenfelser Sven Siesing, der im Jahr 2008 als Lehrling angefangen hatte und nun für die BRU Werksschutzleiter bei Tönnies ist. Keineswegs eine anspruchslose Arbeit. Gilt es doch, Kollegen einzusetzen und zu motivieren, mit der speziellen Sicherheits-App des Fleischwerks umzugehen und mit den Tönnies-Mitarbeitern und Zulieferern aus osteuropäischen Ländern zu kommunizieren.
Um den wachsenden Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden, lässt Dirk Claus nun erstmals auch einen Meister ausbilden. Praktischerweise sogar am eigenen Firmensitz am Naumburger Lindenring. Denn dort hat auch die von Sonja Degenkolb geführte Sicherheitsfachschule BeDeKa ihren Sitz, mit der die BRU seit geraumer Zeit kooperiert.
Als einzige Sicherheitsfachschule Sachsen-Anhalts werden hier die Mitarbeiter der BRU, aber auch anderer Firmen sowie Feuerwehr- oder Rettungskräfte theoretisch auf ihre Einsätze vorbereitet. Sachkunde, Waffenkunde, Brandschutz sind da Themen.
Dies sowie noch viel mehr wird nun auch der aus der Nähe von Weimar stammende Mirko Metzlaff verinnerlichen. Nach acht Jahren als Zeitsoldat bei der Bundeswehr orientierte sich der heute 30-Jährige beruflich um, ließ sich bei der BRU anstellen, überzeugte dort seinen Chef und bekommt nun das Angebot, sich zum Meister fortbilden zu lassen. Dabei wird er tiefer in die rechtlichen Grundlagen, vor allem ins Bürgerliche Gesetzbuch und das Strafrecht, aber auch in den kaufmännischen Bereich und in Psychologie und Mitarbeiterführung eintauchen, um dann eine Leitungsposition bei der BRU übernehmen zu können. Am meisten Spaß machten ihm bisher die Security-Einsätze bei Fußballspielen. Und auch hier hat er mit Sonja Degenkolb die passende Ausbilderin an der Seite. Immerhin ist sie eine der seltenen zertifizierten DFB-Schulungskoordinatorinnen für Fußball-Sicherheitspersonal.
