Welt-Alzheimertag Welt-Alzheimertag: Nicht boshaft sondern krank

Naumburg - Die Stühle im Saal des Naumburger DRK-Pflegeheimes in der Schönburger Straße waren fast bis auf den letzten Platz belegt. Kreis-Dezernent Ralf Michel wertete das in seiner Begrüßung als sicheres Zeichen dafür, „wie viele Fragen es zu dem wichtigen Thema Demenz gibt“.
„Was macht die Zeitung im Kühlschrank?“ war das Fachforum anlässlich des Welt-Alzheimertages überschrieben, zu dem am gestrigen Freitag das Deutsche Rote Kreuz zusammen mit diversen Partnern federführend eingeladen hatte. Sabine Marschel als Vorsitzende des Behinderten- und Inklusionsbeirates Burgenlandkreis würzte ihre Begrüßung mit der fiktiven Geschichte eines Busfahrers, Anfang 60, der stets zuvorkommend agierte und seine Fahrgäste mit den neuesten Nachrichten versorgte. Plötzlich aber konnte er sich die Nachrichten nicht mehr merken, vergaß zudem Haltestellen anzufahren, irrte nachts verzweifelt durch die Stadt, um dann die Diagnose Alzheimer zu erfahren und im weiteren Verlauf vom liebenswerten Mann zum gewaltsamen Problemfall zu werden.
Symptome, die typisch für eine Demenz klingen. Doch nannte Ingolf Andrees, Oberarzt in der Klinik für psychische Erkrankungen am Klinikum Burgenlandkreis, das Beispiel dennoch exotisch. „Solche Fälle mit Anfang 60 sind eher selten, dann aber meist heftig und damit natürlich nicht weniger dramatisch“. Andrees hatte die Aufgabe, das Forum mit einem Impulsreferat zu eröffnen und einen fachlichen Überblick über das Thema Demenz zu geben.
Wie Oberarzt Ingolf Andrees in seinem Referat gibt es etwa 100 verschiedene Demenzerkrankungen. „Alzheimer“ (nach dem Psychiater Alois Alzheimer, 1864 - 1915, benannt) ist davon die mitgroßem Abstand häufigste. Es handelt sich um eine chronische und voranschreitende Krankheit, die stets mit Gedächtnisstörungen abläuft. Zustande kommt Demenz durch das Verklumpen von Eiweißen in und um Nervenzellen im Gehirn. Derzeit, so Andrees, sind 1,3 Millionen Menschen in Deutschland an Demenz erkrankt. Man rechnet bis zum Jahr 2050 mit einer Verdopplung. Die überwiegend betroffene Altersgruppe sind die 80- bis 90-Jährigen.
Dies glückte, da ihm der Spagat zwischen medizinischem Basiswissen und alltagstauglichen Informationen (siehe auch „Hintergrund“ gelang. Als traurige Nachricht musste Andrees betonen, dass trotz der derzeitigen Arbeit von weltweit 50.000 Wissenschaftlern immer noch nicht bekannt ist, wie man den Ursachen der Demenz entgegentreten kann. Positiv sei hingegen, dass man die Begleiterscheinungen wie Depression, Aggression, Ängste oder auch Wahnvorstellungen inzwischen gut behandeln könne. Gleichzeitig seien es aber genau diese Begleiterscheinungen, die den Umgang mit Betroffenen in der Familie oder im Heim so schwierig machen.
Die Aufklärung der Angehörigen sei extrem wichtig, damit diese erkennen, dass hinter Boshaftigkeit in Wahrheit eine Krankheit steckt. Dass es Partner gibt, die einen Demenzkranken allein pflegen, nannte Andrees „heroisch, aber nicht zu empfehlen“. Eine Faustregel sei, dass man drei Leute brauche.
Nach dem Impulsreferat des Oberarztes konnten die Besucher, unter denen viele im Pflegebereich Beschäftigte waren, zwischen zwei Workshops zum Thema Demenz wählen. Geleitet wurden diese von Sandy Scheunpflug, Leiterin einer Weißenfelser Pflegeeinrichtung, sowie von Gundula Haubrich, Schwester in der DRK-Tagespflege. Des Weiteren bot eine Podiumsdiskussion am Nachmittag sowie eine Praxisstrecke samt Demenz-Test, Kognitivem Training sowie einem Angebot zur Biografie-Arbeit viel Wissenswertes zum Thema.