Tierriss Tierriss : In Kleinheringen war's wohl der Wolf

Kleinheringen/Freyburg - Den Anblick wird Steffen Sonnekalb vom gleichnamigen Gutshof in Kleinheringen nicht vergessen, als er im Mai in einem seiner Gehege einen völlig zerfleischten Strauß vorfand. Das Tier war eines von fünf und war mit großer Wucht gegen die Einfriedung, einen Maschendrahtzaun, gepresst worden. Der Verdacht, der damals schnell aufkam, es könnte sich um einen Wolf gehandelt haben, der den Strauß zur Strecke brachte, ließ sich so schnell nicht erhärten.
Zwei DNA-Proben
Und eindeutig ist der „Befund“ auch heute nicht. Ines Wahl, Dezernentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landesamtes für Umweltschutz, sagte auf Nachfrage unserer Zeitung: „Bei der Rissbegutachtung durch das Wolfkompetenzzentrum sind damals zwei DNA-Proben genommen worden, die im Labor für Wildtiergenetik Gelnhausen untersucht worden sind. Sie haben keine verwertbaren Hinweise auf den Verursacher gegeben.“ Aber: „Aufgrund des Rissbildes und der vertilgten Fleischmenge schließen die Fachleute einen Wolf als Verursacher nicht aus.“
Für Steffen Sonnekalb heißt das ganz praktisch, dass er eine Entschädigung für den Verlust erhalten kann und es darüber hinaus Fördermöglichkeiten für Herdenschutzmaßnahmen gibt. Sonnekalb sagte gegenüber unserer Zeitung, dass er die Entschädigung bereits beantragt habe. „Solch ein Strauß ist allerdings viel mehr wert. Außerdem kommt hinzu, dass der Verlust die Gruppe auseinandergerissen hat. Es wird aus meiner Sicht schwer sein, neue Tiere in die bis bislang homogene Herde einzufügen“, so Sonnekalb, der sich deswegen mit erfahrenen Züchtern in Verbindung setzen will. Außerfrage steht für ihn, dass das Gehege sicherer gemacht werden muss. Dabei setzt er auf die Ankündigung des Landesamtes für Umweltschutz, dass derlei gefördert wird.
Streunende Hunde
Während das Fazit der Behörden in Kleinheringen weitgehend positiv aufgenommen wird, versteht Winzer Florian Deckert die Welt nicht mehr. Mehrere der seiner Tochter gehörenden und nahe der Ortsumgehung Freyburg weidenden Schafe waren - ebenfalls im Mai - mit schweren Bisswunden aufgefunden worden, vier von ihnen mussten daraufhin notgeschlachtet werden (Tageblatt/MZ berichtete). Vor rund 14 Tagen ist Deckert das Ergebnis der DNA-Analyse mitgeteilt worden. Demnach sollen die Bisse auf das Konto streunender Hunde gegangen sein, in jedem Falle sei es kein Wolf gewesen. „Streunende Hunde. Wo sollen die plötzlich herkommen?“, kommentiert Deckert fragend das Ergebnis. Es ist deutlich, er schenkt der Behörde keinen Glauben. Nützen wird ihm das nichts. Im Gegensatz zum Kleinheringer Gutshof steht ihm beziehungsweise seiner Tochter keine Entschädigungszahlung zu.
Mindestens 92 Wölfe, davon sind rund 42 Welpen, zählte das Wolfskompetenzentrum in den Jahren 2017/2018 in Sachsen-Anhalt. Die Zahlen werden aller zwei Jahre in einem Monitoring-Bericht veröffentlicht. Das Zentrum geht in jenen Jahren von elf Rudeln auf dem Gebiet des Landes sowie einem grenzüberschreitend lebenden Rudel aus. Laut EU-Richtlinien steht der Wolf seit dem Jahr 2000 in Europa unter Naturschutz.