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Theater Naumburg Theater Naumburg: Manipuliert auf ganzer Linie

Von Jana Kainz 26.02.2020, 11:35
In der neuen Naumburger Inszenierung „Das Maß der Dinge“ spielen Pia Koch als Evelyn und Jörg Vogel als Adam zwei gegensätzliche Kunststudenten. Mit einer zufälligen Begegnung in einem Museum nimmt eine vermeintliche Liebesgeschichte voller Manipulation mit überraschendem Ausgang ihren Lauf.
In der neuen Naumburger Inszenierung „Das Maß der Dinge“ spielen Pia Koch als Evelyn und Jörg Vogel als Adam zwei gegensätzliche Kunststudenten. Mit einer zufälligen Begegnung in einem Museum nimmt eine vermeintliche Liebesgeschichte voller Manipulation mit überraschendem Ausgang ihren Lauf. Torsten Biel

Naumburg - Gegensätze ziehen sich an, heißt es weitläufig. Offensichtlich trifft das auch für den schüchternen Adam (gespielt von Jörg Vogel) und die vor Selbstbewusstsein strotzende Evelyn (Pia Koch) zu. Als die mit einer Farbspraydose bewaffnete junge Frau für eine ungewöhnliche Aktion ein Museum besucht, trifft sie auf Adam, der dort in einem Nebenjob die Exponate bewacht. Über Evelyns geplante Sprayer-Attacke auf eine Statue verfallen die beiden in Liebe. Ist es tatsächlich Liebe? Auf jeden Fall entspinnt sich eine Beziehung, die vor allem von Manipulation lebt und sich verhängnisvoll auf ein anderes junges Liebespärchen (gespielt von Maribel Dente und Antonio Gerolamo Fancellu) auswirkt. Von alledem erzählt auf - wie sich während einer der letzten Proben im Theater Naumburg bereits abzeichnet - geistvoll amüsante Weise Neil Labutes Schauspiel „Das Maß der Dinge“.

Für Intendant Stefan Neugebauer, der selbst Regie führt, passt diese Satire bestens in die „Wer.Bin.Ich.“-Spielzeit. In dem gut anderthalbstündigen, mit einer Pause versehenen Stück verwandelt Evelyn ihren Schatz nach und nach in einen attraktiven jungen Mann. So drängen sich Neugebauer unter anderem die Fragen auf: Wie weit geht man für das Schönheitsideal? Was bleibt durch stetige Manipulation von der eigentlichen Person übrig? Was macht den Menschen generell aus? In den Fragenkatalog reiht sich zum Schluss - an dieser Stelle soll die Ankündigung zugunsten des ungetrübten Theatervergnügens neblig bleiben - die Frage ein, ob man an Schicksalsschlägen wachsen kann.

Obwohl sich das Manipulationsgeschehen auf der Bühne über einen längeren Handlungszeitraum erstreckt und die Zuschauer an neun Orte mitnimmt, bleibt das Bühnenbild an sich starr - aber keinesfalls uninteressant. Ausstatter Rainer Holzapfel entschied sich für einen abstrakten Raum. Mit dessen Gestaltung bringt er einen weiteren Manipulationsgedanken ins Spiel: den des Konsums. Ein überdimensionaler Strichcode zieht sich über die gesamte Breite der Bühne, die über einen Laufsteg bis in den Zuschauerraum hineinreicht.

Es ist weder ein „Fantasie“-Barcode noch ein x-beliebiger, den Holzapfel auswählte. Entschlüsselt stehen die Striche und Lücken - hervorgerufen durch die Aneinanderreihung von Einsen und Nullen, auf denen das Dualsystem basiert, für das englische Wort „man“ - zu Deutsch Mensch. Und dieser werde derzeit hauptsächlich zum ständigen Konsum gedrängt, meint der Ausstatter. So glaube jeder, dass seine Kaufentscheidung seine eigene und aus freien Stücken getroffene sei. Zugleich geben wir heute freiwillig jede Menge Daten über uns freimütig heraus - bei jedem Kauf aufs Neue. „Wir merken gar nicht mehr“, so Holzapfel, „dass wir manipuliert werden.“ Letztlich stellt für ihn der Strichcode ein Gefängnis dar. Gefangen sei der Mensch im Konsum, der ihm Freiheit suggeriere.

An dieser Stelle sei Ihnen, werte Leser, die Freiheit erlaubt, Theaterkarten zu kaufen. Erworben werden können diese in der Tourist-Information Naumburg, Markt 6, Telefon 03445/273480.

Inszenieren Neil Labutes Schauspiel „Das Maß der Dinge“: Rainer Holzapfel als Ausstatter (r.) und Theaterintendant Stefan Neugebauer als Regisseur.
Inszenieren Neil Labutes Schauspiel „Das Maß der Dinge“: Rainer Holzapfel als Ausstatter (r.) und Theaterintendant Stefan Neugebauer als Regisseur.
Torsten Biel