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Theater Naumburg  Theater Naumburg : Eine Kiste voll Geschichte

Von Jana Kainz 24.10.2016, 08:07
Premiere in der Salztorschule: Patricia Windhab schlüpft für das Klassenzimmerstück „Das Karussell“ in verschiedene Rollen.
Premiere in der Salztorschule: Patricia Windhab schlüpft für das Klassenzimmerstück „Das Karussell“ in verschiedene Rollen. Biel

Naumburg - Der dunkelste Teil deutscher Geschichte ist für Grundschüler ein emotional harter Brocken: der Zweite Weltkrieg. Zu jener Zeit waren ihre Großeltern so alt wie sie heute - sieben, acht, neun oder zehn Jahre. Wie hart deren Kindheit in den 1940er Jahren gewesen sein muss, davon erzählt das Klassenzimmerstück „Das Karussell“ auf berührende Weise mal lustig, mal traurig, aber auf jeden Fall einfühlsam. Das 45-minütige Stück von Christian Schönfelder, Frank Hörner und Sabine Zeininger, das die Kriegskindheit als traurige Wahrheit thematisiert, wurde vom Theater Naumburg ins Programm seiner „Wahrheit“- Spielzeit aufgenommen. Gestern bestand es in der Inszenierung von Stephan Rumphorst in der Naumburger Salztorschule seine Bewährungsprobe.

Mit nur einem Koffer auf einer Schulbank empfängt Patricia Windhab die 4a. Das junge Publikum erfährt sogleich, dass es kein Koffer ist, sondern eine Jahrmarktskiste und zwar die des verstorbenen Großvaters Paul. Kaum hat der Nachfahre den Deckel geöffnet, stecken die Zuschauer auch schon mittendrin in Pauls Kindheit, die unbeschwert beginnt. Mit seinem Vater, einem Karussellbetreiber, reist er in den Ferien von Jahrmarkt zu Jahrmarkt. Auch auf der Naumburger Vogelwiese dreht sich das Fahrgeschäft regelmäßig zur Kirschfestzeit. Mit seiner Freundin Sarah erlebt Paul täglich Abenteuer auf dem Karussell. Er im Feuerwehrauto. Sie auf dem weißen Pferd davor. Eines Tages wartet er vergebens auf Sarah. Er sucht sie überall. Von ihr und ihrer Familie fehlt jede Spur. Schließlich wird Pauls Vater als Soldat eingezogen. Die Zeit der Jahrmärkte ist vorbei. Das Karussell wird eingemottet. Zum Abschied tröstet Paul den Vater: Er solle das Pferd des Karussells, auf das Paul aufpassen will, bei Gefahr herbeirufen. Es bringe ihn nach Hause. Schon liegt Sirenengeheul über der Stadt. Täglich sitzt Paul mit seine Mutter, die längst zu singen aufgehört hat, im Keller. Mit dem Pferd als Symbol der Hoffnung durchlebt er den Krieg: vom Heimaturlaub des Vaters über Hungers- und Wohnungsnot bis zum Bangen um den Vater.

Während Patricia Windhab Stück für Stück Historie aus der wandelbaren Kiste hervorholt und dabei von Verlust, Abschied, Ängsten und der Kraft der Fantasie erzählt, schlüpft sie in Sekundenschnelle von einer Rolle in die andere. Obendrein bezieht sie geschickt die Reaktionen ihrer Zuschauer ein, die die Zeitreise gespannt verfolgen.

Nach dem Applaus öffnete Theaterpraktikantin Veronika Riedel, die Kulturpädagogik studiert und für „Das Karussell“ dem Regisseur assistierte, noch einmal die mit Zeitzeugen wie Schwarz-Weiß-Fotografien oder einer „Feldpost“-Karte sowie mit Requisiten gefüllte Kiste. Staunend betrachteten die Schüler Pauls Sachen, bevor sie mit der Praktikantin über das Gesehene sprachen.

Schulen können das Stück (geeignet ab Klasse 3) buchen unter der Telefonnummer 03445/27 34 79