Tattoos aus Werschen Tattoos aus Werschen: Ronny Heerde schafft Kunstwerke auf Körpern

Werschen - Sandra Herbst kann es kaum erwarten. Bis zur Hochzeit im kommenden Jahr werden ihre Beine von oben bis unten mit farbigen Bildern bedeckt sein. Feuer, Wasser, Luft und Erde sollen dann in vier farbigen Motiven die Haut so bedecken, als ob sie eine Strumpfhose tragen würde. Noch fehlen zwei Tattoos. Doch auf denen bereits jetzt zu sehenden Tätowierungen ist die 38-Jährige wahnsinnig stolz.
Gestochen hat sie ihr Freund Ronny Heerde. „Es ist geschmackvoll und von hoher Qualität“, lobt sie und fügt mit einem Lachen hinzu: „Es ist keine Flitzidee, sondern eine Entscheidung fürs Leben. Mir ist schon bewusst, dass ich diese Tattoos bis ans Lebensende tragen werde.“
Tattoo-Studio in Werschen: Alles selbst angeeignet
Im November 2016 eröffnete Ronny Heerde sein Tattoo-Studio in Werschen. Auf rund 90 Quadratmetern hat er sich hier eingerichtet. Regale sind zu sehen, in denen die Farben in kleinen Flaschen ordentlich aufgereiht sind. Eine spanische Wand schirmt die Liege, auf der ein Kunde Platz nehmen kann, ab. Alles mutet ein wenig an wie eine Arztpraxis, wären da nicht auf den Regalen auch Totenkopfnachbildungen aus Glas und Plastik. An den Wänden hängen Zeichnungen, gemalt von Ronny Heerde. Unter den Bildern ist auch eine Urkunde, die er vor wenigen Jahren auf der Tattoo-Expo Leipzig bekam. Er hatte ein Kinderporträt gezeichnet.
„Im Bekanntenkreis bin ich Anfang der 1990er Jahre aufs Tätowieren gestoßen und konnte einfach nicht mehr davon lassen“, schildert der junge Mann. Mit 14 Jahren habe er sich selbst eine Spinne am Knöchel gestochen. Heute trägt er unter anderem eine große rote Rose am Hals. Viele Jahre übt, ja trainiert er die Malerei mit der Nadel. Früher waren es eher Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Heute geht der Trend zum farbigen Tattoo, weiß Heerde aus Erfahrung.
Frauen bevorzugen Schmetterlinge, Sterne und Blumen
Frauen würden eher etwas Verspieltes wie Schmetterlinge, Sterne und Blumen bevorzugen. Gern genommen würden auch die Namen der Kinder und ihre Porträts. Männer hingegen würden es großflächig mögen. Da kämen schon einmal ganze Kriegslandschaften auf dem Rücken zur Geltung. Für Heerde sind das dann Gemälde, an denen er gern arbeitet.
„Von Initialen rate ich ab. Ich habe schon erlebt, dass Beziehungen dadurch in die Brüche gegangen sind und dann ist der Kummer groß.“ Nur wenige Tattoos könnten nämlich übermalt werden. Er freut sich jetzt gerade auf eine Arbeit an einer Frau, die sich auf ihren Körper eine Unterwasserwelt mit Fischen und Korallen „zeichnen“ lässt. Da werde es nicht einen Millimeter weiße Haut mehr geben.
Ohne Schmerzen geht es bei Tattoos nicht
Das Ganze kostet nicht nur, sondern schmerzt auch, weiß der Meister. Immerhin seien es hunderte Piekser in die Haut. Das bestätigt auch Werner Heerde. Er hat es sich auf der Liege bequem gemacht und wartet auf die Vollendung seines neuesten Tattoos. Sein Sohn soll ihm zwei Eulen auf den linken Arm stechen. Drei Stunden wird er für das braune Federvieh brauchen. Der 74-Jährige verzieht keine Wimper und lässt die Stecherei stoisch über sich ergehen. „Ist ja nicht das erste“, scherzt der Senior. Die Eulen werden Tattoo Nummer neun. Und ein Ende ist seiner Meinung nach noch nicht abzusehen. Platz sei noch jede Menge auf seiner Haut. Und außerdem wolle er 99 Jahre alt werden, damit wäre ja noch ziemlich viel Zeit für den Rentner.
Sein Sohn weiß, dass da noch Arbeit auf ihn zukommt. Auch, dass seine Kundschaft altersmäßig durchmischt sei. „Nein, es sind wirklich nicht nur die Jungen, die sich tätowieren lassen. Die Älteren ziehen richtig nach.“ Sicher sei dies dem geschuldet, dass Tattoos vor Jahrzehnten noch mit Argwohn betrachtet wurden. Jetzt seien sie durchaus gesellschaftsfähige, ästhetische und einmalige Kunstwerke auf der Haut. (mz)