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Rechtsextremismus  Rechtsextremismus : 13 Jahre aus Hass und Gewalt

Von Constanze Matthes 08.09.2016, 09:45
Manuel Bauer, Aussteiger aus der rechten Szene, erzählt Jugendlichen der Schweitzer-Sekundarschule im Jugendzentrum„Otto“ von seinen Erlebnissen.
Manuel Bauer, Aussteiger aus der rechten Szene, erzählt Jugendlichen der Schweitzer-Sekundarschule im Jugendzentrum„Otto“ von seinen Erlebnissen. Biel

Naumburg - Er könnte ein Lehrer sein, so wie er vor den Zehntklässlern der Naumburger Albert-Schweitzer-Schule steht. In Hemd und Jeans, mit einer Präsentation aus Texten und Bildern auf die kommenden zweieinhalb Stunden vorbereitet. Doch Manuel Bauer ist kein Pädagoge. Der 37-Jährige ist vielmehr in das Naumburger Jugendzentrum „Otto“ gekommen, um vor den Schülern über seine Vergangenheit zu berichten. Der gebürtige Sachse, aufgewachsen in einem kleinen Dorf nahe Torgau, gehörte 13 Jahre der Neonazi-Szene an, bevor er mit dem Aussteiger-Programm „Exit Deutschland“ (siehe Beitrag „Hintergrund“) den Absprung schaffte.

Gegründet wurde die Initiative „Exit Deutschland“ von dem ehemaligen Kriminaloberrat Bernd Wagner und dem einstigen Neonazi Ingo Hasselbach. Seit dem Jahr 2000 wirkt sie unter dem Dach der ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur gGmbH und hilft Aussteigern, neue Perspektiven außerhalb der rechtsextremen Szene zu entwickeln. „Exit“ bietet praktische Hilfe, vermittelt Kontakte und geht auf Fragen der Sicherheit und der Aufarbeitung ein. Die Initiative unterstützt allerdings nicht in finanziellen Angelegenheiten und schützt auch nicht vor einer strafrechtlichen Verfolgung.

Bereits mit elf Jahren machte er die Bekanntschaft mit den Liedern der Rechtsrock-Band „Störkraft“. Nach und nach lernte er die fremdenfeindliche und homophobe Gedankenwelt und die kruden rassistischen Thesen der Szene kennen. Das Hausbuch der deutschen Familie war sein Lehrbuch. Was im Kopf begann, sich in der Kleidung mit Bomberjacke und Springerstiefeln zeigte, wurde später zu einem Leben aus Hass und Gewalt. Die Zielobjekte: Linke und Migranten, egal ob Erwachsene oder Kinder, sogar seine Eltern tyrannisierte er.

Im Saal herrschte angespannte Schockstarre, als der Ex-Neonazi erzählte, wie er mit dem Stiefel auf den Bauch einer schwangeren Frau eintrat. Er habe 17 Einträge im Register, aber weit mehr Straftaten verübt, berichtete Bauer. Nachdem er einen homosexuellen Geschäftsmann erpresst und zusammengeschlagen hatte, wurde er verhaftet und zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. „Ich war Überzeugungstäter und habe funktioniert wie ein Roboter“, sagt er.

Heute betreibt Bauer eine eigene Consulting-Firma, er berät die Polizei und hält Vorträge, wie eben in Naumburg. Außerdem hat er über seine Vergangenheit ein Buch geschrieben. „Gemeinsam mit Lehrern entstand die Idee, eine solche Veranstaltung durchzuführen, um das Thema erlebbar zu machen. Rechtsextremismus wird in den Fächern Geschichte und Sozialkunde besprochen“, erläutert Schulsozialarbeiter Matthias Hühn. Gefördert wurde die Veranstaltung, die auch Einblicke in die Struktur und Erscheinungsweise der heutigen Szene gab, vom Bundesprogramm „Demokratie leben“. Mit dem Vormittag im „Otto“ sei das Thema jedoch noch lange nicht abgehakt, wie Hühn erklärte. „Das wird noch einmal Thema im Unterricht sein. Außerdem werde ich selbst das Gespräch mit den Schülern suchen“, kündigt er an. Geplant sei außerdem, den Referenten für weite Veranstaltungen nach Naumburg einzuladen.