Orgelklänge übers Smartphone Orgelklänge übers Smartphone: Die Pfarrer-Familie von Hohenmölsen

Hohenmölsen - Tiefentspannt sitzt Friederike Rohr in ihrem Garten hinter dem Gemeindehaus und blättert in einer Zeitschrift. Ihr Mann Johannes holt gerade ein paar Getränke aus dem Haus. Die Kinder Frederick (4) und Henriette (8) spielen im Sandkasten und bauen eine Burg. Es ist ein sonniger Montagnachmittag in Hohenmölsen, einer Stadt mit 10.000 Einwohnern im Burgenlandkreis.
„Der Montag ist unser freier Tag“, erklärt Friederike Rohr. Das sieht man an ihrer Kleidung. Die 32-jährige Gemeindepädagogin, schlank, lange braune Haare, trägt eine löchrige Jeans - Kirchenvertreter stellt man sich eigentlich anders vor, auch in ihrer Freizeit.
Volles Programm fürs Pfarrer-Paar
Doch von der traditionellen Pfarrarbeit wollen sie und ihr Mann sowieso nichts wissen. „Es entspricht nicht unserem Verständnis, nur einmal die Woche eine Predigt zu halten“, sagt Johannes Rohr, ein schlanker Mann von 32 Jahren mit Brille und einem Ziegenbart.
Seit 2014 wohnen Friederike und Johannes Rohr im Gemeindehaus in Hohenmölsen und besetzen zusammen eine Pfarrstelle für die Region Nördliches Zeitz bei der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands. Das ländliche Gebiet, welches die beiden studierten Gemeindepädagogen betreuen, umfasst 18 Kirchen in einem Areal von etwa 30 mal 30 Kilometern.
Die Zeiten, als jedes Dorf einen Pfarrer hatte, sind längst vorbei. Deshalb gibt es viel zu tun für das Ehepaar Rohr: Gottesdienste, Taufen, Beerdigungen, Frauen- und Seniorenkreise, Verwaltungskram. „Einen festen Tagesablauf haben wir nicht“, erklärt Friederike Rohr.
Was ihr an ihrer Arbeit gefällt? „Ich kann kreativ sein und mit Menschen ins Gespräch kommen. Das wollte ich schon immer“, sagt sie. Ihr Mann pflichtet ihr bei: „Es ist eine innere Freude, wenn man anderen mit seiner Arbeit etwas Gutes tun kann“, sagt Johannes Rohr.
Über Umwege zum Glauben
Während seine Frau in einer religiösen Familie aufwuchs - ihre Mutter war ebenfalls Gemeindepädagogin, die Tante Pfarrerin - hat Johannes Rohr über Umwege den Weg zum Glauben gefunden. „Ich bin nicht religiös erzogen worden und kannte die Kirche nur von den Simpsons aus der Zeichentrickserie, die jeden Sonntag zum Gottesdienst gegangen sind“, erzählt Johannes Rohr mit einem Lächeln.
Er selbst sei als Jugendlicher gern Fahrrad gefahren. Eines Tages bemerkte er während einer Tour einen Gottesdienst und hörte ihn sich an. „Die Predigt und die Musik haben mir gefallen, also bin ich jeden Sonntag hin und habe mich dann auch taufen lassen“, erzählt er.
2006 nahm er ein Gemeindepädagogikstudium an der evangelischen Hochschule in Berlin auf - genau wie seine spätere Ehefrau. Schon in den ersten Tagen lernten sich die beiden in der Uni kennen und dann lieben. Seit 2009 sind sie verheiratet.
Nur wenige Gläubige in Hohenmölsen
Doch was verschlägt ein junges Ehepaar mit zwei kleinen Kindern nach Hohenmölsen, wo gerade mal 500 Christen leben? „Die Entkirchlichung ist hier wirklich schon massiv vorangeschritten“, gesteht Johannes Rohr. Sein Motto lautet aber: „Auch wenn die Zahl von Christen nicht groß ist, wird Gott deswegen nicht kleiner“. Johannes Rohr ist in Wittenberg geboren und in Bad Düben im Norden Sachsens aufgewachsen.
Seine Ehefrau stammt aus Leuna im Saalekreis. In ihrer Jugend war die 32-Jährige Mitglied eines kirchlichen Posaunenchors, der einmal im Jahr in Hohenmölsen auftrat. „Meine Beziehung zur Stadt ist also schon etwas größer“, sagt sie.
Als sie und ihr Mann ihren Entsendungsdienst - eine Art Probezeit - antraten, standen ihnen mehrere Städte zur Auswahl - darunter Hohenmölsen. „Das machte neugierig, die Stadt kannten wir nicht“, meint Johannes Rohr. Nun, fünf Jahre später, ist die Familie in der Stadt heimisch geworden und hat mit ihrer offenen Art viele Kontakte zu den Einwohnern geknüpft.
Der Entsendungsdienst endete im vergangenen Jahr. Die Familie entschied jedoch, in Hohenmölsen zu bleiben. Die Pfarrstelle ist nun von den beiden fest besetzt worden - erstmal für zehn Jahre.
Fürs Landleben bewusst entschieden
Es sei ein Privileg, in Hohenmölsen zu wohnen, findet Johannes Rohr. Man habe alles, was man braucht: Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, sämtliche Schulformen. „Mit Kindern lebt es sich auf dem Land schöner. Die Ruhe sagt uns sehr zu. Einfach mal auf dem Liegestuhl im Garten sitzen - das ist wie Urlaub“, so Johannes Rohr.
Auch die Menschen der Stadt seien ein Grund gewesen, warum sich die Familie für einen Verbleib entschieden habe. In den Jahren habe man viele Leute kennengelernt, die sich engagieren und bei Festen, Sanierungen und Projekten der Gemeinde mit anpacken.
„Und dabei sind die meisten davon gar keine Kirchenmitglieder. Mir ist sowas auch sympathischer, als echte Mitglieder, die sich in der Gemeinde aber nicht engagieren und nur in der Akte vermerkt sind“, erklärt Johannes Rohr.
Orgelklänge übers Smartphone
Bei ihrer Arbeit legen die Rohrs Wert auf neue Ideen - und bedienen sich Hilfsmitteln des digitalen Zeitalters. Bei einem Gottesdienst in einem Hohenmölsener Pflegeheim staunen die Senioren nicht schlecht, als Johannes Rohr Orgelmusik über sein Handy und eine kleine Lautsprecherbox abspielen lässt.
Selbst Orgel spielen kann der Pfarrer nicht. Dies mache bei Gottesdiensten in der Kirche ein Kantor. „Ich singe nur“, sagt Johannes Rohr schmunzelnd. Dennoch sei er wie seine Frau, die mehrere Instrumente spielt, sehr musikalisch und höre vor allem handgemachte Musik wie Klassik oder Irisch Folk gern.
Seit das Pfarrerehepaar in Hohenmölsen lebt, gibt es mindestens einmal im Vierteljahr einen Generationengottesdienst. Dieser richtet sich vor allem an junge Familien - wie die Rohrs selbst eine sind. Klassische Elemente eines Gottesdienstes sollen dabei mit mit neuen, kindgerechten vermischt werden.
Predigt mit Handpuppen
So werden Predigten mit Handpuppen vorgetragen oder Bibelgeschichten mit Legosteinen vorgetragen. Bei einem Generationengottesdienst an einem Samstagnachmittag ist auch Rene Beyer mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind in das Gemeindehaus gekommen. Als herzlich, engagiert und kreativ habe er die Pfarrerfamilie kennengelernt. „Die beiden entwickeln immer wieder neue Ideen für die Gemeindearbeit“, sagt der Familienvater.
Ein paar Tage später, Friederike Rohr ist in den Zeitzer Ortsteil Zangenberg gefahren. Dort leitet sie einen Frauenkreis für Senioren. Rund zehn Frauen sitzen an einer Tafel. Es wird gesungen, gebetet und über aktuelle Themen wie die Fastenzeit philosophiert.
Mit ihrer herzlichen und freundlichen Art kommt Friederike Rohr auch in der Frauenrunde gut an. „Die Rohrs sind eine engagierte Familie, haben eigene Ideen und gestalten ihre Arbeit so, dass Jung und Alt zusammenkommen.
Es ist schön, dass sie sich dazu entschieden haben, hier zu leben“, sagt Ute Pfauter aus Zangenberg, eine der Frauen der Runde: „Außerdem ist es auch wichtig, dass sich junge Leute so für die Kirche einsetzen und damit zeigen, dass Glaube nicht nur ein Thema für ältere Menschen ist“, so Ute Pfauter.
Als Religionslehrer am Gymnasium
Mit jungen Menschen hat Johannes Rohr tagtäglich zu tun. Neben seiner Arbeit als Pfarrer und Gemeindepädagoge unterrichtet der 32-Jährige auch als Religionslehrer am örtlichen Agricolagymnasium.
Wie schätzen seine Schüler denn den Lehrer Johannes Rohr ein? „Er ist sehr cool und nett“, sagt Tim, der die 6. Klasse besucht. Franziska aus der 8. Klasse meint: „Er ist ruhig und anders als andere Lehrer. Er macht oft nicht das, was man von einem Lehrer erwartet.“
Rohr selbst erklärt, wie wichtig es ihm ist, dass sich seine Schüler im Unterricht kreativ ausleben und eigene Ideen entwickeln und umsetzen. Er zeigt in einem Klassenraum Kunstwerke, die seine Schüler im Religionsunterricht erschaffen haben. Darunter sind Bilder und auch eine Skulptur, die einen Menschen in verschiedenen Farben zeigt. Dies soll Toleranz und Offenheit symbolisieren.
Zurück im Garten der Familie hinter dem Gemeindehaus. Der Blick von Johannes Rohr fällt auf eine Bogenschießanlage aus Stroh. Er hat sie selbst gebaut. „Während eines Urlaubs habe ich das mal probiert“, erzählt er.
Mittlerweile ist Bogenschießen sein Hobby, das er auch an seine Schüler weitergibt. Am Gymnasium hat er eine Arbeitsgemeinschaft gegründet. „Man benötigt Ruhe und Konzentration und kann dabei Stress ablassen. Das ist für die Kinder und auch für mich als Lehrer wichtig“, sagt Rohr. 20 Kinder gehören der AG an. Auch innerhalb der Familie ist Bogenschießen angesagt: Seine Kinder seien ebenfalls Feuer und Flamme für den Sport. (mz)