Nachhilfe für Azubis Nachhilfe für Azubis in Hohenmölsen: "Die Jugendlichen sind schlichtweg überfordert"

Hohenmölsen - Werner Bertram ist auf die heutige Jugend nicht gerade gut zu sprechen. Dabei möchte er gerade jungen Männern in seinem Unternehmen, dem Metallbau Werner, eine Berufschance geben. „Unser Betrieb besteht in der fünften Generation. Ohne Ausbildung wäre das wahrscheinlich nicht zu stemmen gewesen. Doch so schlimm wie jetzt war es überhaupt noch nicht, gute Leute zu finden“, schildert der 55-Jährige, dessen Sohn Oliver beim Vater gelernt hat.
Der Junior stimmt dem Chef zu. „Beste Note Vier, meistens Fünf. Es gibt ja noch die Sechs. Wir haben den Eindruck, die Jugendlichen sind schlichtweg überfordert“, meint er zu den Bewerbungsnoten. Es hapere am Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Werners schütteln zwar darüber den Kopf, aber haben schon einigen Jungs geholfen, die Probleme zu beheben. Da werde Nachhilfe angeboten und die Lehrausbildung mal verlängert - mit schließlich guten Ergebnissen.
Metallbetrieb Werner ist Kooperationspartner der Sekundarschule „Drei Türme“ in Hohenmölsen
Der Metallbetrieb ist Kooperationspartner der Sekundarschule „Drei Türme“ in Hohenmölsen. Hier sind die Probleme der Unternehmer bekannt. Mehr noch, die Pädagogen kennen ihre Pappenheimer aus dem Schulhaus. Die praktischen Fertigkeiten ihrer Schüler gingen gegen Null, sie könnten mit Hammer und Feile kaum etwas anfangen, weshalb sie häufig nicht so vorbereitet in Unternehmen gehen wie sie eigentlich sollten, berichtet ein Lehrer. Zudem lasse das Interesse an Schule mit der Unterschrift unter einem Lehrvertrag akut nach. Unterm Strich: „Der Jugend fehlt der Biss“, betont Frank Keck.
Der Schulleiter will mit seinem Team an die Wurzel des Übels: Die Berufsfindung beginnt jetzt ab der achten Klasse. Ernst wird es ab der neunten. Sei dann kein Lehrvertrag unterschrieben, beginne das Chaos. Darum müsse viel eher und wesentlich effektiver die Berufsberatung an der Schule begonnen werden. Die Unternehmer finden das hilfreich.
Im Idealfall sollten die Schüler bereits in der siebenten Klasse einen Berufswunsch haben und sich konkret orientieren
Unter Leitung der Arbeitsagentur, speziell dem Berufsberater Frank Hoffmann, kamen deshalb rund 25 Unternehmer aus der Region in der Schule zusammen, um den Weg abzuklopfen, der künftig beschritten werden soll. „Natürlich fangen wir nicht bei Null an, aber es gibt zu viele Aktionen, die das Interesse der Schüler nicht mehr finden“, ist Kecks Auffassung. Im Idealfall sollten die Schüler bereits in der siebenten Klasse einen Berufswunsch haben und sich konkret orientieren.
Wichtig wäre, dass die Arbeitgeber ihren Azubi bereits ab der neunten Klasse kennen. Gut funktioniere dies bereits im Autohaus Kittel in Weißenfels. Schüler der neunten und zehnten Klassen aus der Beuditz- und Ökowegschule gehen hier in eine so genannte Schrauber-Arbeitsgemeinschaft. „Wir haben die Schüler so über zwei Jahre im Blick und können uns ein Bild machen, wer sich wirklich für einen Beruf in unserem Unternehmen eignet“, schildert Jens Hülsner, der die AG leitet. Drei „Schrauber“ konnten bereits als Auszubildende gewonnen werden.
Schülerpraktika: „Sie müssen die Arbeitsabläufe sehen und herangeführt werden.“
Schülerpraktika beizeiten anzubieten - darauf baut das Unternehmen Hollfelder-Gühring in Zorbau, wie der ehemalige Werkleiter Dieter Börnchen berichtet. „Sie müssen die Arbeitsabläufe sehen und herangeführt werden.“ Dass ein Arbeitsplatz am Ende der Schicht sauber zu verlassen ist - auch das gehöre zur Praktikumserfahrung. Auch Bauer Martin Beck aus Werschen setzt eher auf Schnuppern in der Landwirtschaft als nur aufs Prospektelesen.
„Das nutzen auch einige. Um ein ehrliches Verhältnis zum Ausbilder aufzubauen, hilft auch manchmal, sich die Zensuren zeigen zu lassen“, findet Beck. Jürgen Walther, im Braunkohlenunternehmen Mibrag verantwortlich für Aus- und Weiterbildung, nickt. „Wir werden in diesem Jahr 42 Jugendlichen einen Ausbildungsplatz bieten, aber nicht um jeden Preis. Zweien haben wir wegen zu schlechter Halbjahresnoten nun abgesagt, bei uns zu lernen.“
Es gibt Fälle, wo nach Lehrgeldhöhe der Beruf ausgesucht würde
Frühzeitiger und effektiver sowohl seitens der Schule als auch der Unternehmer mit der Berufsorientierung beginnen, heißt auch, die Eltern in diesen Prozess stärker einzubeziehen. Es seien noch zu viele, die die Erziehung der Kinder den Lehrern überlassen und sich aus der Verantwortung zurückziehen, beklagen die Hohenmölsener Lehrer. Und es gebe noch zu viele Eltern, die nicht zu erreichen wären oder die sogar quer schießen. Da gebe es Fälle, wo nach Lehrgeldhöhe der Beruf ausgesucht würde.
Meist passe dann der Deckel nicht zum Topf, auch wenn das Geld reichlich sei. Und es gebe auch, so die Arbeitsagentur, Beispiele, wo Eltern die Berufsfindung ihres Sprosses untersagen, weil die vermeintlich hohe Ausbildungsvergütung auf die Hartz-IV-Bezüge angerechnet würde. Auch dieses Beispiel diskutieren Lehrer und Unternehmer: Ein Mädchen, was Verkäuferin werden möchte, sollte während des Praktikums die Ladenregale auswischen.
Schulleiter in Hohenmölsen: „Wir müssen mehr voneinander wissen“
Die Mutter nahm die Tochter aus dem Praktikum, da ihrer Meinung nach das Wischen nicht zum Beruf gehöre. Möglicherweise würden hier thematische Elternabende, an denen sich Unternehmen der Region vorstellen, bereits Fragen klären. Zeitz macht damit gute Erfahrungen.
„Wir müssen mehr voneinander wissen“, findet Schulleiter Keck. Der erste Schritt in eine frühere Berufsorientierung an dieser Schule ist getan. (mz)