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Moritzkirche Naumburg Moritzkirche Naumburg: Hochspannung im Gotteshaus

Von Jana Kainz 12.08.2019, 07:30
Unter dem Titel „Glaube und Welt“ zeigt Matthias Schöneburg  derzeit an die 30 Arbeiten.
Unter dem Titel „Glaube und Welt“ zeigt Matthias Schöneburg  derzeit an die 30 Arbeiten. Biel

Naumburg/Bad Bibra - Bildende Künstler leben, das zeigt die neueste Ausstellung in der Naumburger Moritzkirche, durchaus gefährlich. Nicht immer stehen sie mit beiden Beinen fest auf dem Boden in ihrem Atelier. Um zwei seiner Werke für die Schau „Glaube und Welt“ in dem Gotteshaus zu platzieren, wagte sich der Bad Bibraer Künstler Matthias Schöneburg auf einer Leiter mehrere Meter hinauf, um für die Aufhängung im Altarbereich die Schnüre für die erforderliche Hängevorrichtung von einer Wand zur anderen zu ziehen. Doch dass das Kruzifix während der Ausstellung, die Sonnabendnachmittag eröffnet wurde, von Kunst umrahmt ist, fällt erst beim nochmaligen Hinsehen auf.

„Man denkt,“ beginnt Wolfgang Lührs seine Laudatio, „es müsste alles so sein, wie es ist: Der Altar der Moritzkirche mit dem Kruzifix in der Mitte, links davon das Motiv ’Was hat Bestand?’ und rechts davon die unauffällig daherkommende titellose und doch titelspendende skulpturale Objektarbeit des Künstlers, die aus vielen Warnschildern ’Vorsicht - Hochspannung - Lebensgefahr!’ gefertigt wurde.“ Diese Arbeit, die so wirke, als hätte sie immer den Altarraum der Moritzkirche bereichert, könnte den Untertitel der Ausstellung liefern, meint der Laudator, denn nicht nur die Montage dieser und der links aufgehängten Arbeit verlangten vom Künstler akrobatisches Geschick und war lebensgefährlich.

Trägt das Christentum?

Auch die ernst genommene Warnung, die bei näherer Betrachtung als Botschaft zu verstehen sei, erscheine im Wortsinn als hoch spannend und lebensgestaltend. Lührs kommt mit einem Augenzwinkern zu dem Schluss: „Diese plakative und ultimative Botschaft, Evangelium genannt, fordert auf, den Sinn des und unseres Lebens zu hinterfragen und bringt uns damit in Lebensgefahr - im übertragenen Sinn, versteht sich, solange wir die Akrobatik des Künstlers nicht nachzuvollziehen versuchen.“

Trägt unser Leben? Trägt das Christentum? Trägt der christliche Glaube? Sind wir geerdet? Diese Fragen, die das im Altarraum aufgehängte Bild quasi als Ausgangspunkt aufwirft, zieht sich durch die gesamte Schau. „Schöneburg hält uns körperlich und intellektuell mit seiner Ausstellung auf Trab“, so Lührs.

Nichts für Eilige

Und die ist nichts für Eilige. Es ist ratsam, für die zirka 30 Werke, unter denen sich einige mehrteilige Arbeiten befinden und die ab 2000 entstanden sind, Zeit mitzubringen. Für die vielfältige inhaltliche Tiefe bedient sich der Künstler verschiedener Materialien, Stilmittel und Techniken. Mit seinen Bildern - ob in Acryl und Kohle oder Acryl Collage, häufig im surrealistischen Stil, ob gelegentlich mit optischen Täuschungen versehen, ob die nicht auf den ersten Blick sich offenbarenden Details oder die Bibelzitate als Bildtitel - zieht Schöneburg den Betrachter nicht nur in die großen Fragen des Lebens hinein und meistert zugleich mit Leichtigkeit den Spagat zu stets aktuell politischen wie wirtschaftlichen Problemen.

Beinahe schon prophetisch behandelt Schöneburg in seinem im Frühjahr 2008 entstandenen Bild „... und vertrau sie Eurer Fürsorge an“ den ein halbes Jahr später eintretenden Bankencrash. „Ich bin auf dem Weg“ ist der Titel einer Collage, an dessen künstlerischen Schaffungsprozess ein Fund stand. Auf einem seiner Wege um das Jahr 2008 stieß Schöneburg auf eine Pappe, die Teil eines größeren, längst ausgedienten Plakatträgers gewesen und öfter überklebt worden ist. Der genauen und tieferen Betrachtung bedarf auch eine mehrteilige Papierarbeit. Was von Weitem an die Nachbildung einer Insektensammlung erinnert, ist die abstrakte Darstellung der inneren Deformierung des Menschen im Laufe seines Lebens oder eben der Menschheit seit ihrer ersten Stunde. „Der Sündenfall hat den Menschen von Gott getrennt“, umschreibt Schöneburg in einem Satz den großen Rahmen der mehrteiligen Arbeit.

Bis 22. September zu sehen

Den Vernissagegästen gibt Lührs eine Warnung inklusive einer Entwarnung mit auf den Rundgang durch die bis zum 22. September zu sehende Schau, die mit der Architektur der Moritzkirche geradezu zu einem Gesamtwerk zu verschmelzen scheint: „Die Ausstellung ist nicht nur spannend, sondern hoch spannend ohne die Gefahr eines Kurzschlusses.“

Das Bild „Griff nach der Vergänglichkeit“ mit optischer Täuschung und dem wiederkehrenden Motiv des mumifizierten Vogels ist in der Ausstellung zu sehen.
Das Bild „Griff nach der Vergänglichkeit“ mit optischer Täuschung und dem wiederkehrenden Motiv des mumifizierten Vogels ist in der Ausstellung zu sehen.
Biel