1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Burgenlandkreis
  6. >
  7. Lebensbilder : Lebensbilder : Spurensucher im Unstruttal

Lebensbilder  Lebensbilder : Spurensucher im Unstruttal

Von Gerd Stöckel 03.04.2017, 08:18
Der aus Burgscheidungen stammende und heute in Berlin ansässige Historiker Rolf Straubel unterstützt Gerdi und Helmut Schmidt, die ehrenamtlichen Betreuer der Burgscheidunger Heimatstube, bei der Auswertung von Archivalien und Publikationen.
Der aus Burgscheidungen stammende und heute in Berlin ansässige Historiker Rolf Straubel unterstützt Gerdi und Helmut Schmidt, die ehrenamtlichen Betreuer der Burgscheidunger Heimatstube, bei der Auswertung von Archivalien und Publikationen. Privat

Burgscheidungen - In der Heimatstube Burgscheidungen liegt druckfrisch ein neues Heft mit Beiträgen zur lokalen Geschichte. Unter dem Titel „Anspänner, Hintersättler, Häusler“ befasst es sich mit Groß- und Mittelbauern des Dorfes Tröbsdorf und dem wirtschaftlichen und sozialen Gefüge dieses heutigen Lauchaer Ortsteils in der Zeit zwischen 1643 und 1947. Herausgegeben wird die Publikation von Gerdi und Helmut Schmidt, den ehrenamtlichen Betreuern der Heimatstube - und es ist das dritte Heft innerhalb eines Jahres.

In den Veröffentlichungen wird dem heutigen Leser fachlich fundiert und gut lesbar erschlossen, was Archivalien aus Tröbsdorf und Burgscheidungen - die Dörfer bildeten bis zur jüngsten Gebietsreform eine Gemeinde - an interessanten historischem Wissen vermitteln. Eine bemerkenswerte Publikationstätigkeit, die die beiden Herausgeber einem Geschichtswissenschaftler zu danken haben, der in Burgscheidungen aufgewachsen ist - dem promovierten und habilitierten Historiker Rolf Straubel.

Der heute in Berlin ansässige Spezialist für brandenburgisch-preußische Geschichte im 17. und 18. Jahrhundert, seit kurzem im Ruhestand, hatte in den Unterlagen der Heimatstube nach Spuren seiner Familie geforscht. Er stieß dort nicht nur auf Vorfahren wie den „Commune-Einnehmer“ Friedrich Franz Straubel und den Ortsrichter Louis Straubel, sondern auf einen bemerkenswerten Aktenbestand, unter anderem die Akten der Tröbsdorfer Dorfschulzen und Richter aus dem 19. Jahrhundert. Die waren ordentlich geführt und sauber gebunden - etwas, was sich damals nicht jedes Dorf hat leisten können, so Straubel. Und dass so etwas die Zeiten überdauert hat, sei ebenfalls nicht selbstverständlich. Solche Schätze, fand der Historiker, sollte man heimatgeschichtlich Interessierten und der Geschichtswissenschaft überhaupt erschließen. Er bot den Schmidts an, die Materialien auszuwerten und die Ergebnisse zu publizieren. Den Druck zum Selbstkostenpreis organisiert die Frau des Ruheständlers.

Projekte an mehreren Universitäten

Straubel, Jahrgang 1951, hat Geschichte in Leipzig studiert, war später an der Akademie der Wissenschaften der DDR tätig, wo er seit 1978 Beiträge zur brandenburgisch-preußischen Geschichte veröffentlicht hat, und war nach Abwicklung der Akademie Projektmitarbeiter an verschiedenen deutschen Universitäten.

Freizeitwinzer im Rappental

Die Verbindung zu seinem Heimatort hatte Straubel nie verloren. Das Elternhaus, eine Doppelhaushälfte am Siedlungsring in Burgscheidungen, nutzt er für sich und seine Frau als Wochenenddomizil, auch einen Weinberg bewirtschaftet er im Dorndorfer Rappental. Die Trauben, vorwiegend Silvaner und Portugieser, verarbeitet die Weinmanufaktur von Johannes Beyer in der alten Lauchaer Zuckerfabrik.

Straubels letztes berufliches Projekt, die Mitarbeit an einer Neuausgabe der Briefe von Leopold Ranke durch die Historische Kommission in München, die von Ranke 1858 mitbegründet worden ist, hat den Wissenschaftler, der eher im märkischen Sand verwurzelt ist, in jüngster Zeit auch beruflich mit dem Unstruttal in Verbindung gebracht. Ranke, in Wiehe geboren und in Schulpforte zur Schule gegangen, gilt als einer der Gründerväter der modernen Geschichtswissenschaft. Der erste Band der überarbeiteten historisch kritischen Ausgabe seiner Briefe enthält Korrespondenzen mit Leipziger Kommilitonen, aber auch mit Pfortenser Mitschülern. Auch mit dem Kirchscheidunger Friedrich Wilhelm Thiersch stand Ranke in Kontakt. Der, ebenfalls ein Pfortenser, war damals als Gymnasiallehrer in München beruflich bereits etabliert. Um die Korrespondenz anzubahnen, hatte sich Ranke auf Thiersch’ jüngeren Bruder Johann Bernhard berufen, etwa zeitgleich mit Ranke Schüler in Pforte und nachmals Verfasser des Preußenliedes. Genauerer Daten wegen hatte der Historiker auch Kirchenbücher in Kirchscheidungen in Augenschein genommen.

Für die Entscheidung, die angebotene Mitarbeit an dem Ranke-Projekt anzunehmen, habe der Umstand, dass es sich da um einen „Landsmann“ handelt, keine Rolle gespielt, so der einstige Burgscheidunger. Doch dass die Region, in der er seine Kindheit verbracht hat, ihm in einem Projekt der Historischen Kommission der Bayern begegnet ist, dürfte doch von einigem Reiz gewesen sein.

Ein verdienter Glücksfall

Und auch Anekdotisches kam dem Historiker da unter: Ranke war 1822 zu Pferd auf dem Rückweg von einem Besuch im Elternhaus in Wiehe. Sein Gepäck hatte er offenbar schlecht am Sattel befestigt. Zwischen dem Gasthof „Wespe“ und Bad Bibra kam das Gepäck ins Rutschen, so dass der Reiter fast gestürzt wäre. Nur dank der Hilfe eines zufällig in der Nähe weilenden Knechtes wurde Schlimmeres verhindert. Ranke teilte diese Episode seiner Mutter mit, auch weil jener wackere Helfer im Dienst der Familie Ranke gestanden hatte.

Helmut Schmidt bezeichnet die Zusammenarbeit mit dem Historiker Rolf Straubel als einen Glücksfall. Für ihn aber sicher kein ganz unverdienter, dürfte er als einstiger Lehrer in Burgscheidungen doch einen Grundstein für die spätere Entwicklung seines Schülers Rolf Straubel gelegt haben.

Historisches Material
Historisches Material
Privat