Lange Haft nach Raub Lange Haft nach Raub: Post-Angestellte entführt, gefesselt und zurückgelassen

Freyburg/Halle (Saale) - Wegen schwerer räuberischer Erpressung samt Freiheitsberaubung im Januar 2017 in Freyburg verurteilte gestern die 13. Große Strafkammer des Landgerichts Halle einen 28-Jährigen zu siebeneinhalb Jahren Haft.
Der gebürtige Iraker mit deutscher Staatsangehörigkeit hatte bis zum Schluss mit Hilfe seiner zwei Mann starken Verteidigung, die für Freispruch plädierte, nicht nur jede Schuld von sich gewiesen, sondern sich sogleich als Opfer einer Verschwörung hingestellt. Der Strafkammer jedoch bot sich nach einer mehrtägigen, umfangreichen Beweisaufnahme nicht der geringste Zweifel an seiner Täterschaft.
Postraub von Freyburg: Mit Kabelbindern gefesselt
So sei es der Angeklagte gewesen, der am 18. Januar 2017 in Freyburg aus der Postagentur, die auch ein Bankgeschäft betrieb, 20.000 Euro erbeutet hatte. Um sich unbemerkt Zugang zum Tresor zu verschaffen, hatte er zum Feierabend der Postangestellten, einer Freundin, maskiert an deren Privatauto aufgelauert.
Mit vorgehaltener Waffe habe er sie gezwungen, mit ihm durch Freyburg zu fahren. Dafür hatte er ihre linke Hand mit Kabelbinder ans Lenkrad gefesselt. Nahe der Ehrauberge hielten sie an, wo er ihre Handtasche durchwühlte, die Schlüssel der Postagentur an sich nahm und sich von der Frau erklären ließ, wie der Tresor geöffnet wird, ohne dass Alarm ausgelöst wird.
Er ließ, wieder die Pistole an ihre Rippen pressend, sich zurück zur Postagentur fahren, band dort auch ihre rechte Hand mit Kabelbinder am Lenkrad fest und verschwand in der Agentur.
Mit der Beute zurück im Auto, dirigierte er die Frau, deren rechte Hand er befreit hatte, zu einem abgelegenen Parkplatz an der Saalebrücke bei Almrich. Dort ließ er die Frau zurück. Weinend, mit Kabelbindern um beide Handgelenke fest ans Lenkrad gefesselt und eine angebrochene Wodkaflasche zwischen die Füße geklemmt - so fand ein Polizeibeamter später an dem kalten Januarabend die Frau in dem Auto vor. Eine Spaziergängerin war auf die Frau aufmerksam geworden und hatte die Polizei informiert.
Prozess nach Postraub von Freyburg: Konstrukt aus Lügen
Mehrere DNA-Spuren an den Kabelbindern, an einer Plastikkarte und der Handyhülle der Frau, an einem Stück Plastikfolie auf dem Beifahrersitz und an der Wodkaflasche, die die Frau erst an diesem Tag in ihrer Mittagspause gekauft hatte, führten die Ermittler im April dieses Jahres zu dem 28-Jährigen, der sofort in Untersuchungshaft genommen wurde. Dieser redete sich sofort damit heraus, dass er eine Affäre mit der Postangestellten gehabt habe und so auch öfter in ihrem Auto gewesen sei.
Das war der Anfang eines sich später ausweitenden Lügenkonstrukts. In dem spielte auch eine in Naumburg lebende syrische Großfamilie eine Rolle. Von dieser sei er unter Druck gesetzt worden, weil er Schulden bei ihr hat.
Diese Familie habe dann auch aus seinem Bad Kösener Garten die Kabelbinder gestohlen, um ihn mit der angeklagten Straftat reinzulegen. Die Vorsitzende Richterin ordnete dies als „Räuberpistole“ ein, die als Ablenkung von seiner Täterschaft dienen sollte.
Familie stützt falsches Alibi
Erst im August dieses Jahres verfiel der Tatverdächtige darauf, dass er ein Alibi habe. So habe er sich in jenem Januar in Kiel bei seinen Eltern aufgehalten - aus Angst vor besagter Großfamilie. Seine Mutter sagte als Zeugin, dass er wochenlang die Wohnung nicht verlassen habe - aus Trauer über ein Urteil. Ein Kieler Strafgericht hatte ihn einst zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt, weil er auf seine damalige Freundin stundenlang mit einem Waschmaschinenschlauch samt Metallende eingeschlagen und sie eingesperrt hatte. Auch sein Vater und sein Bruder untermauerten das vermeintliche Alibi. Ebenso präsentierte die Verteidigung Zeugen, die ihren angeklagten Freund entlasteten.
Angeklagter im Freyburger Postraub: Handys in Haft eingeschleust
Seit gestern ist klar, warum: Über Handys, die vermutlich seine Verlobte ins Gefängnis eingeschleust hatte, beeinflusste er seit Juni Freunde und seine Familie, die, so die Richterin, „uns ohnehin nicht so ernst nimmt“. „Sie haben keine enge Beziehung zu ihrer Familie. Die hat nur aus Solidarität gelogen“, so die Richterin weiter.
In der Gefängniszelle des Angeklagten waren in zeitlich großen Abständen Sim-Karte, Akku und zwei Handys - teils in der Deckenleuchte versteckt - gefunden worden, wie erst am gestrigen Verhandlungstag der Strafkammer von der JVA mitgeteilt worden war.
Die Richterin kündigte an, sich wegen eines Besuchsverbotes mit dem JVA-Leiter in Verbindung zu setzen. Einen Alternativtäter mit Ortskenntnis, auf den die Verteidigung beharrte, gibt es nach Überzeugung der Strafkammer nicht. Der Angeklagte, der einst im Freyburger Künstlerkeller gearbeitet hatte, hatte diese Ortskenntnis.
Dass die Frau während des Überfalls ihren Freund selbst an der Stimme nicht erkannt hatte, entlaste den Angeklagten nicht. Das habe an ihrer Todesangst gelegen und daran, dass man sich auch nicht vorstellen könne, dass ein alter Kumpel einen so behandelt. „Das war eine harte Nummer“, so die Richterin.
Laut noch nicht rechtskräftigem Urteil trägt der Angeklagte die Prozesskosten und die Auslagen der Nebenklägerin. Zudem wird von ihm der Wert von 20.000 Euro eingeholt und es bleibt der U-Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr aufrechterhalten. (mz)