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Klosterhäseler  Klosterhäseler : Highlight an der Finne

Von Jana Kainz 03.04.2017, 09:28
Idylle, die nicht trügt. In Klosterhäseler fühlen sich auch junge Menschen wohl. In der  Kulturhalle ist Platz für geselliges Beisammensein. Im Schloss mit sich anschließender Krypta liegen Wohnen und Museum dicht beieinander.
Idylle, die nicht trügt. In Klosterhäseler fühlen sich auch junge Menschen wohl. In der  Kulturhalle ist Platz für geselliges Beisammensein. Im Schloss mit sich anschließender Krypta liegen Wohnen und Museum dicht beieinander. Biel

Idyllisch am Hasselbach, nahe der alten Poststraße liegt Klosterhäseler zwar in einer waldfreien Senke, aber keineswegs vergessen vom Rest der Welt. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts trugen zwei Einwohner den Namen des Ortes über dessen Grenzen hinaus: Orgelbauer Wilhelm Heerwagen und später dessen Sohn Emil. Nach dem frühen Tod seines Vaters, der die Orgelbauwerkstatt 1855 in Klosterhäseler gegründet und mit drei Gesellen betrieben hatte, übernahm der Sohn 1875 18-jährig die Firma. 1892 stand die Orgelwerkstatt trotz des hohen handwerklichen Niveaus, von denen die Instrumente zeugen, vor dem Bankrott. Noch heute erinnern viele, gut erhaltene Heerwagen-Orgeln an die Klosterhäseler Orgelbauer und das nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in Thüringen und Brandenburg.

So wie einst die neuen Orgeln fahren heute ganz andere Produkte von Klosterhäseler aus in die Welt hinaus - jetzt allerdings europaweit in über 20 Länder: der Kloßteig und all die süßen und herzhaften Teigsorten, die in den Produktions- und Lagerhallen der Henglein GmbH mit Hauptsitz in Wassermungenau vom Band rollen. 625 Frauen und Männer sind bei dem Fertigteighersteller, der sich auf einem Hügel angesiedelt hat, derzeit beschäftigt. Die meisten Mitarbeiter wohnen auswärts. Einige haben sich in Klosterhäseler niedergelassen und damit Leben in einen der einst verwaisten Plattenbauten gebracht. Im Schloss und in einer WG über dem florierenden Frisierstübchen von Karin Knorr finden zudem die Henglein-Auszubildenden, 14 gibt es derzeit, eine Bleibe. Sie sind nicht die einzigen jungen Leute, die es - wenn auch hauptsächlich der Ausbildung wegen - in die 312-Seelen-Gemeinde zieht.

„Wir sind ein Dorf, das nicht aussterben wird, inzwischen gibt es wieder an die 16 Kinder im Alter von null bis acht Jahren. Das jüngste ist drei Wochen alt. Das wird hier mal lustig werden“, so Wahl-Klosterhäseler Christian Voigt. Wie der 34-Jährige werden viele junge Menschen in Klosterhäseler sesshaft. Auch jene, die wegen der Arbeit einst in die Ferne gezogen sind, kehren in ihr Heimatdorf zurück. Hier ist die Familie, sind die Freunde, die Vereine, meint die 26-jährige Julia Saal, die nach einem mehrjährigen beruflichen Gastspiel in Wuppertal zurückgekehrt ist. Aber nicht allein, sondern mit ihrer Liebe: dem Gößnitzer Daniel Hetzel. Gemeinsam hielten sie im Ort nach einer Immobilie Ausschau. Gegenüber der Feuerwehr wurden sie fündig. Mit Hilfe von Freunden und Familie bauen sie den 3800 Quadratmeter großen, einstigen Bauernhof aus. „Weihnachten wollen wir einziehen“, meint optimistisch der 29-jährige angestellte Dachdeckermeister. Maggy und Prinz leben schon auf dem Hof - die Jack Russell Terrier des jungen Paares, das vorübergehend bei Voigts Unterschlupf gefunden hat.

Bereits in ihr eigenes Heim eingezogen sind die Mittdreißiger Cordula und Steve Rabe - sie eine Klosterhäselerin, er eine Stadtpflanze. „Auch wenn ich beruflich jetzt täglich pendeln muss“, sagt der Ex-Geraer, „hier habe ich meine Ruhe, kann abschalten, habe ein großes Grundstück.“ „Ja, wir sind hier alle Großgrundbesitzer“, spielt ein verschmitzt lachender Christian Voigt darauf an, dass Klosterhäseler einst ein Bauerndorf war. Er und seine Frau Viktoria kauften 2011 einen Vier-Seiten-Hof. Hinter diesem liegen abwechslungsreiche Zeiten. So war der Hof einst Domizil der LPG, dann Lehrlingswohnheim und schließlich Sitz einer Metallfirma. Jetzt ist er - abgesehen von dem immer ausgebuchten Kosmetikstudio im Erdgeschoss - ein reines Wohnhaus, in dem Voigts Kinder Luzie und Resie, sechs und drei Jahre alt, aufwachsen. „Meine Kinder können meinen Kindheitstraum leben. Sie haben große Kinderzimmer, einen großen Hof zum Spielen und die Natur zum Herumförstern vor der Nase“, sagt der ehemalige Zeitzer.

Leerstand kenne das Dorf nicht mehr. Kaum jemand ziehe weg. Wird ein Haus leer, ist ruckzuck ein Käufer da. Das Dorf zu seiner Heimat zu machen, diese Wahl falle leicht, weiß Voigt. Die Klosterhäseler heißen Neuzugezogene willkommen. Und schließlich habe das Dorf auch viel zu bieten: Eine Kindertagesstätte samt Hort, die inzwischen proppenvoll ist, die Bäckerei Block, eine Zahnarztpraxis, Friseur, Kosmetikstudio, die freiwillige Feuerwehr vor Ort, einen Landwirt, einen Hobbybauern und viele Vereine: den Sportverein mit den Fußballern, Volleyballern und der Voltigiergruppe, den Hasseltalverein, der auch das von Rolf Walther im Vorraum der Krypta des ehemaligen Zisterzienserklosters aufgebaute Orgelmuseum mit betreut und Träger der Kita ist, oder den Männergesangsverein. Wenn den jungen Leuten etwas fehlt, schaffen sie selbst Abhilfe. Susanne Taubert beispielsweise sorgte dafür, dass der Nachwuchs in der Kulturhalle wöchentlich zum Kinderzumba zusammenkommt. Andere vermissten gar einen Verein, der für junge Leute etwas auf die Beine stellt. Kurzum gründete Christian Voigt mit 13 Freunden und Bekannten aus Klosterhäseler und Umgebung vor drei Jahren „aus einer Laune heraus“, aber dennoch mit ernsthaftem Gestaltungswillen den Verein Finne-Highlights. Seither richten die inzwischen 19 Frauen und Männer alljährlich ein Kinderfest aus, das sich von den bisherigen Konzepten abheben soll. Zur 1200-Jahrfeier des Ortes vor zwei Jahren hoben sie ein Oktoberfest aus der Taufe, ohne es eins zu eins vom Münchener Original abzukupfern. Ein anderes Mal organisierten sie mit der Naumburger Narrenzunft eine Faschingsveranstaltung. In der Vorbereitung steckt eine Ü-25-Party mit Hits aus den 90er und 80er Jahren. „An Ideen hapert es nicht und wir möchten noch mehr für Rentner anbieten, auch wenn wir bestrebt sind, Alt und Jung zusammenzuführen“, so Voigt. Seit Kurzem hat der Verein die sanierte Kulturhalle in seiner Obhut. „Wir bauen jetzt eine Küche ein, denn viele würden die Kulturhalle für Familienfeiern nutzen, aber es fehlte bisher an einer Küche samt Geschirr und Gläsern“, so Voigt.

Das alles macht den Ort lebendig und lebenswert. Wovon die jungen Leute schwärmen, ist im Vergleich zu manch anderen Orten, die sich zu Schlafdörfern entwickelten oder in denen kaum noch junge Menschen leben, auch sehr viel. Für die Alteingesessen aber sei es in Erinnerung an alte Zeiten recht wenig. Als junge Frau zog es Karin Knorr, von Punschrau nach Klosterhäseler. Das ist 50 Jahre her. „Das Dorf war wie es keines gab. Wir hatten hier alles“, schwärmt sie. Sportlich war immer was los - ob Volleyball, Kegeln oder die Pop-Gymnastik. „Und wir hatten zwei Gaststätten. So kamen wir freitags dort alle zusammen - die Frauen nach ihrem Sport, die Männer nach ihrer Gesangsprobe.“ In der Kulturhalle gab es 14-tägig Tanz, wofür sich schon nachmittags eine Schlange Wartender bildete. Eine Schneiderin im Ort sorgte dafür, dass die Damen immer ein neues Kleid tragen konnten. Für intaktes Schuhwerk sorgte deren Mann - ein Schuster. Medizinische Betreuung samt Mütterberatung wurde von Eckartsberga aus im Ort angeboten. „Und wir hatten unsere Gemeindeschwester Vera, ein Unikat. Sie wusste immer gleich, was einem fehlt, und hatte das passende Medikament“, so Karin Knorr. Mit Wehmut erinnert sie sich an das große Landwarenhaus, in dem es alles gab, was zum Leben wichtig ist, an das Angebot von Grundnahrungsmitteln in der Bäckerei Block, an die Schule, in der ihre Söhne die 1. bis 10. Klasse besuchten, an die Post oder die Raiffeisenbank, auf der nicht nur Geldgeschäfte abgewickelt wurden, sondern auch alles für den ländlichen Bedarf zu haben war. Kurzum: Der Weg in die Stadt für Besorgungen oder Vergnügungen war überflüssig.

In der barocken Kirche aus dem Jahr 1766 hat eine Orgel der Klosterhäseler Orgelbauwerkstatt Heerwagen die Zeigen überdauert.
In der barocken Kirche aus dem Jahr 1766 hat eine Orgel der Klosterhäseler Orgelbauwerkstatt Heerwagen die Zeigen überdauert.
Biel