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Kirchenmusik  Kirchenmusik : Überraschende Wendung

Von Jana Kainz 27.05.2018, 13:02
Vom Assistenten zum Wenzelsorganisten: Hans Christian Martin
Vom Assistenten zum Wenzelsorganisten: Hans Christian Martin Torsten Biel

Naumburg - „Demütig“ wollte er die Assistenz an der Hildebrandt-Orgel in der Naumburger Wenzelskirche angehen. „Glücklich“ wäre er, fügte er hinzu, wenn er nach zwei Jahren als Assistent des Wenzelorganisten David Franke das Gefühl hätte, etwas gelernt zu haben. Dies sagte der gebürtige Zwickauer Hans Christian Martin vergangenen Herbst zu Beginn seiner Assistenz an St. Wenzel. In dem ersten halben Jahr hat er an der Orgel viel entdecken und viel lernen, vor allem das Instrument kennenlernen können. „Man muss sich in das Instrument, in seine Klänge wie in eine andere Person hineinfühlen - vor allem bei der Hildebrandt-Orgel, denn sie gehört zu den wenigen Orgeln, die Charakter haben“, betont Martin.

Eben diese ersten sechs Assistenz-Monate mussten aber, wer hätte es anfangs ahnen können, schließlich ausreichen, um sich mit dem Instrument vertraut zu machen. Inzwischen ist Martin nämlich nicht mehr Assistent. Seit Kurzem fungiert der 31-Jährige als „Amtierender Wenzelsorganist“. Denn nachdem der langjährige Wenzelsorganist David Franke einer Professur nach Freiburg im Breisgau gefolgt war (wir berichteten), übertrug der Evangelische Kirchenkreis Naumburg-Zeitz Martin die Organistenstelle zu 100 Prozent - für den Zeitraum seiner ursprünglichen Assistententätigkeit.

Umzug nach Naumburg

Ob er die Organistenstelle annimmt, habe er schnell entscheiden müssen. Dabei habe sich ihm aber nicht nur die Frage gestellt, ob er als Vollzeit-Organist an St. Wenzel wirken möchte. Denn als solcher, das war ihm klar, müsse er auch vor Ort wohnen. Also stünde Martin, der seit acht Jahren in Weimar zu Hause ist, zudem ein Umzug ins Haus. Aber nicht nur ihm, sondern auch seiner Freundin Friederike Vollert. Für sie wäre der Umzug kein Problem, signalisierte sie ihm. Immerhin sei es gleich, ob sie zwischen Berlin, wo sie an der Musikhochschule im Fach Flöte studiert, und Weimar oder Naumburg pendelt. Vor einem Monat sind Martin und Friederike Vollert nach Naumburg gezogen. Komplett eingerichtet sei ihre neue Wohnung, es ist der Zeitnot geschuldet, allerdings noch nicht.

So weit - noch lange nicht so gut. Immerhin habe sich Martin, der als Assistent nur eine halbe Stelle inne hatte, die andere Hälfte als Freiberufler verplant. Nebenher wollte der Organist, der unter anderem rund vier Jahre einen Lehrauftrag für die Grundlagen des Improvisierens am Institut für Musikpädagogik und Kirchenmusik in Weimar hatte, weiter unterrichten. Hauptsächlich aber wollte er konzertieren - sowohl mit diversen Orchestern als auch mit seinem eigenen, das den Namen „Viel Lärm um nichts“ trägt und sich der Alten Musik widmet. Das Orchester hatte er mit Leopold Nicolaus, (Barockvioline) ursprünglich für eine Nachtkonzertreihe gegründet, die er während seiner sechsjährigen Kantorenzeit an der Weimarer Jakobskirche als neues Format eingeführt hatte.

Viele Konzerte nebenher

Die noch als Freiberufler bundesweit geplanten Konzerte wollte und konnte Martin so kurzfristig nicht absagen. Allein in dieser Woche spielte er neben seiner Tätigkeit an St. Wenzel drei Konzerte. „Ich muss schauen“, sagt er, „dass das kräftemäßig zu schaffen ist.“ Lediglich für Dezember hat er eine anderthalbwöchige Italien-Tournee mit der Internationalen Bachakademie Stuttgart abgesagt. So lange könne er nun nicht ausfallen. Selbst Urlaub habe er für dieses Jahr noch nicht planen können. Da müsse er sich noch mit Franke abstimmen, der hin und wieder als Gast an der Hildebrandt-Orgel musizieren wird.

Sein Vorgänger bleibe Naumburg als künstlerischer Leiter der beiden städtischen Veranstaltungsreihen „Hildebrandt-Tage“ und „Orgelsommer“ erhalten. Martin jedoch hält für den organisatorischen Part den Kontakt mit den mitwirkenden Musikern. Auch wenn er für diese Musikreihen nicht verantwortlich ist, seien viele andere Aufgaben hinzugekommen. Gestiegen ist die Zahl der Dienste. So muss Martin nun zu allen Gottesdiensten auf der Orgel spielen und das Gros der Mittagskonzerte allein bestreiten. Auf Werke, die Franke womöglich für seine Mittagskonzerte geplant habe, kann er nicht zurückgreifen. So einen langen Vorlauf habe die inhaltliche Planung dieser Konzerte nicht. „Was gespielt wird, entscheidet man eine Woche vorher, das reicht für die Vorbereitung aus. Immerhin kann man aus einem reichen Repertoire schöpfen, das man sich seit dem Studium erarbeitet hat“, erzählt Martin, der sich als Junge das Spiel auf der Orgel selbst beigebracht und später Kirchenmusik in Dresden studiert hat.

Neue Formate geplant

Inzwischen hat er die Webseite www.hildebrandt-orgel.de erneuert und wird diese, anders als sein Vorgänger, selbst pflegen. Auch der Newsletter stammt nun aus der Feder des Wenzelsorganisten. Musikalisch möchte er dem Jahr 2019 mehr Struktur geben und plant Zyklen. So könnten die Wochen jeweils einem anderen Komponisten gewidmet sein. Gespannt sein können die Orgelmusik-Liebhaber zudem auf neue Konzertformate. An denen feilt Martin gemeinsam mit Domkantor KMD Jan-Martin Drafehn.