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Kirchenkreis Naumburg-Zeitz Kirchenkreis Naumburg-Zeitz: Den Menschen nah

Von Constanze Matthes 04.09.2017, 13:55
Hans-Martin Ilse an seinem Lieblingsort: der Ägidienkapelle am Naumburger Dom. Der 66-jährige Pfarrer geht in den Ruhestand.
Hans-Martin Ilse an seinem Lieblingsort: der Ägidienkapelle am Naumburger Dom. Der 66-jährige Pfarrer geht in den Ruhestand. Torsten Biel

Naumburg/Flemmingen - Langeweile wird es nicht geben. Da ist sich Hans-Martin Ilse wenige Tage vor dem Ende seiner beruflichen Laufbahn ganz sicher. „Ich habe einiges aufzuarbeiten“, sagt der 66-Jährige. „Mein privates Archiv und knapp 10000 Fotos von meinem Vater. Ich werde auch erst einmal Pause machen, mich nicht sofort wieder einspannen lassen. Ich bin selbst gespannt, was nun kommt.“ Am Donnerstagabend wurde der Flemminger feierlich in den Ruhestand verabschiedet. Zuletzt war er Koordinator des Projektes Forum Ehrenamt, das der Kirchenkreis Naumburg-Zeitz und die Diakonie initiiert hatten.

Als Student exmatrikuliert

Geboren in Halle, aufgewachsen in Oppin, war sein Lebensweg nahezu vorgeschrieben. Sein Vater war Pfarrer, Ilse selbst sollte die siebente Generation in diesem Berufsstand werden. Obwohl ihm auch Steine in den Weg gelegt wurden. Er engagierte sich in der jungen Gemeinde, begann in Halle Theologie zu studieren. Nach einem Jahr wurde er exmatrikuliert, weil er sich dem Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee verweigert hatte. Sechs Studenten haben ein ähnliches Schicksal erlebt, Ilse war der einzige angehende Theologe. Nach zwei Jahren als Krankenpflegerhelfer im Heim für behinderte Menschen in Arnstadt nahm er sein Studium an der Evangelischen Hochschule in Naumburg auf, um es in Leipzig auch abzuschließen. Sein Vikariat führte ihn wieder nach Halle, in den Süden der Stadt in das Plattenbau-Wohngebiet Silberhöhe. „Da war kalte Akquise angesagt. Wir klingelten an den Haustüren, um die Gemeinde zusammenzubekommen“, blickt Ilse zurück. Spannende Gesprächen seien damals geführt worden, auch wenn oftmals mit den wenigen Worten „Kein Interesse“ dem Vikar wieder die Haustür vor der Nase zugeschlagen wurde. Ilse kam im Anschluss nach Lossa - er als Pfarrer, seine Frau Carmen als Gemeindepädagogin. 17 Jahren begleitete das Ehepaar die Geschicke der Gemeinde. Zur Wendezeit engagierte sich der Pfarrer im Neuen Forum. Bis heute nennt er sich „Bürgerrechtler“. „Eine Tätigkeit in einer Partei, ein politisches Amt waren mir allerdings fern“, so Ilse.

1997 stand der nächste berufliche Wechsel, wie es in Folge weitere geben sollte, an. Er wurde Geschäftsführer der Diakonie sowie Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt Naumburg, in der vor allem Langzeit-Straftäter inhaftiert waren. Ilse setzte sich ein, dass das anspruchsvolle wie wichtige Amt auf eine Vollzeitstelle ausgedehnt wurde, die später Ulrich Huppenbauer bekleidete.

Wenige Jahre später stand für Ilse erneut ein neues berufliches Feld offen. Und wieder führten ihn die Wege in die Händelstadt: zum sogenannten Schirm-Projekt, das sich um Straßenkinder, später auch um Obdachlose kümmert und zu den ersten Initiativen gehörte, die vom Verein „Wir helfen“ unterstützt wurden. 2008 eröffnete Ilse am Naumburger Lindenring eine Personalberatung, mit der er Arbeitsstellen in verschiedenen Bereichen, wie Handwerk, Industrie und Dienstleistung, vermittelte. Zugleich half er, medizinischen Unternehmen und Einrichtungen geeignete Mitarbeiter zu finden. Fragt man ihn nach den berührendsten Momenten, blickt er zurück auf die frühen Jahre als Pfarrer. „Da waren die erste Beerdigung überhaupt und die Beisetzung eines 15-jährigen Mädchens“, so Ilse. „Ich bin sehr froh, dass ich in meiner Amtszeit als Pfarrer nie ein Kleinkind beerdigen musste.“ In besonderer Erinnerung sind ihm zudem der Herbst 1989, vor allem die Ereignisse in der Lauchaer Kirche, einst Zentrum der Friedlichen Revolution im Altkreis Nebra.

Raum für Kreativität

Für Ilse, der sich ehrenamtlich im Gemeindekirchenrat in Flemmingen und für die Dorfkirche engagiert, war die Profession als Pfarrer eine besondere: „Es ist ein freier Beruf, der Raum für Kreativität bietet. Man kann als Seelsorger nah bei den Menschen sein, bekommt die Akzeptanz zu spüren und erhält oftmals einen Vertrauensvorschuss.“

Die Koordination der Initiative Forum Ehrenamt, die sich seit 2014 der Ausbildung von Seniorenhelfern und der Flüchtlingshilfe verschrieben hat, führt fortan Christian Heyder weiter. Der Theologe stand seit dem Herbst vergangenen Jahres Hans-Martin Ilse zur Seite.