Fußball Fußball: Gernröder Karsten Eckmayr berichtet von Erfahrungen als DFB-Maskottchen "Paule"

Gernrode - Wenn der Neu-Gernröder Karsten Eckmayr am Sonntag der deutschen Mannschaft gegen die Slowakei die Daumen drückt, dann werden bei ihm wieder Erinnerungen wach: Bei Fußballspielen der Nationalmannschaften war er jahrelang in Stadien und im Fernsehen als „Paule“ präsent, ohne dass zu dieser Zeit jemals einer seinen Namen erfahren durfte.
„Im Zentrum stand allein die Figur des Maskottchens, nicht derjenige, der sich darin verbarg“, erklärt der aus Lübeck stammende Mann. Er durfte damals weder Interviews geben und bis heute in diesem Zusammenhang keine Fotos ohne Kostüm von sich machen lassen, auch nicht für die MZ, so Eckmayr, der zu Jahresbeginn mit seiner Partnerin die Leitung der Harzer Likörmanufaktur in Gernrode übernommen hat. „Diese Vorschriften wurden im Vertrag mit dem Deutschen Fußballbund so festgeschrieben.“
Neue Gucklöcher und verbesserte Lüftung
Seit Anfang 2007 steckte Eckmayr im Kostüm des DFB-Maskottchens - dem agilen Adler „Paule“ mit schwarzem Gefieder und großem gelbem Schnabel. Er kam eher zufällig dazu. „Die Mitarbeiterin einer Sportagentur, welche die Figur für den DFB vermarktete, bot mir den Job kurz vor Weihnachten 2006 an“, erinnert er sich.
Kennengelernt hatte er die Dame aus der Schweiz als Touristin in Australien, wo Eckmayr als gelernter Reiseverkehrs-Kaufmann Gruppen ins Outback führte. „Sie ahnte, dass ich so etwas machen würde“, sagt der heute 44-Jährige und ist ihr dankbar „für die vielen schönen Erinnerungen“.
Zuvor hätten 2006 bereits eine Frau und ein Mann im Kostüm gesteckt, wären aber wieder abgesprungen. „Sie waren viel kleiner, weshalb es für mich angepasst werden musste“, sagt er und brachte seine Wünsche ein. „Die Gucklöcher kamen an die Seite, auch eine bessere Lüftung gab es.“ Das war wichtig, weiß der frühere Hobby-Fußballer des TSV Malente. „Bei den Bewegungen kam man schnell ins Schwitzen.“ Er wollte den Zuschauern eine ordentliche Show bieten, manchmal auch an Stellen, wo er nicht hindurfte. „Da wurde aber oft ein Auge zugedrückt.“
Schöne Erinnerungen aber auch Schläge und Tritte
Nach seinem ersten Auftritt als „Paule“ mit Nationalspieler Piotr Trochowski in einer Hamburger Schule erlebte er 2007 bald auch sein erstes Länderspiel der Herren. „Die Kontakte zu den Nationalspielern beschränkten sich aber auf einen kurzen Gruß“, sagt er. Sie schienen wenig Interesse am Maskottchen „Paule“ zu haben.
Das sei bei Nachwuchs- oder Damenteams anders gewesen. „Ich war der Einzige in ganz Deutschland, der dieses Kostüm tragen durfte“, so Eckmayr, außer einem Ersatzmann für Notfälle. „Manche Tage hatte ich früh einen Auftritt in München, am Abend schon einen in Hamburg.“ In seinen Transporter, mit dem er unterwegs war, baute er sich ein Bett ein und übernachtete darin.
Erst seit 2006 gibt es ein Maskottchen des Deutschen Fußballbundes (DFB), der zuvor ein solches immer abgelehnt hatte. Im Vorfeld der WM 2006 in Deutschland forderte Trainer Jürgen Klinsmann nach seinen Erfahrungen mit der Vermarktung in den Vereinigten Staaten aber eine solche Symbolfigur. Sie sollte bei Spielen der deutschen Nationalmannschaften aller Altersklassen und jeden Geschlechts mitfiebern.
Seine Premiere erlebte „Paule“, wie der Adler im Nationaltrikot mit der Rückennummer 10 genannt wurde, am 22. März 2006 ausgerechnet zum Länderspiel Deutschlands gegen die USA in Dortmund. Spiegel Online war es folgenden Kommentar wert: „DFB hat einen Vogel.“
Nach dem WM-Titel der Deutschen 2014 in Brasilien wurde für „Paule“ schon zwei Tage nach dem Finale in ein etwas modifiziertes, moderneres Kostüm gesteckt und im Frühstücksfernsehen vorgestellt, nun mit den vier Sternen auf dem Trikot. Das war der allerletzte Auftritt von Eckmayr im Kostüm.
Eigentlich sollten die Fans „Paule“ mögen, doch Eckmayr erlebte auch Schattenseiten. „Es war erstaunlich, wie viel Aggression manche gegen den Adler entwickelten.“ Er sei mit Schlägen und Tritten attackiert worden.
Es bleiben aber die schöne Erinnerungen: „Zu den Länderspielen der Frauen und des U21-Teams in Magdeburg herrschte tolle Stimmung durch ein geiles Publikum.“ Auch Schulbesuche zählt er zu den Höhepunkten. „Ich habe immer neue Ideen ausgebrütet, um die Gastgeber zu überraschen.“ Mal sprang er Saltos, mal flog er durch die Luft. Eckmayr steckte auch im Kostüm von „Karla Kick“, dem Maskottchen der Damen-WM 2011 in Deutschland. Gedacht war „Paule“ 2006 als Glücksbringer der DFB-Nationalmannschaft.
Richtig wirkte er erst 2014. „Ich habe das Team zum Weltmeistertitel geführt“, behauptet Karsten Eckmayr stolz, der am Finaltag Geburtstag feierte. Sein letzter großer Auftritt war der Empfang des Teams auf der Fanmeile in Berlin mit Schlagerstar Helene Fischer. Einen Tag später stellte er noch das neue Kostüm und Trikot mit vier Sternen im Frühstücksfernsehen vor - dann war Schluss. Seine Gründe: „Verstärkte Eingriffe in meine Auftritte und andere Absichten des DFB in der weiteren Vermarktung.“ Eigentlich sei er auf dem Höhepunkt gegangen. „Der Titel war der beste Termin für meinen Abschied.“ (mz)