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Erinnerungen Erinnerungen: Wer war's?

Von Thomas Budde 01.04.2019, 12:15
Die Rudelsburg - einst ein Raubritternest und bei der Bürgerschaft im Saaletal gefürchtet.
Die Rudelsburg - einst ein Raubritternest und bei der Bürgerschaft im Saaletal gefürchtet. Archiv (Jürgen Stehlik/Welterbeverein)

Bad Kösen - Die Zerstörung der Rudelsburg im Jahr 1348 durch die Naumburger Bürgerschaft ist eine gern erzählte Geschichte, doch Hinweise darauf finden sich in einschlägigen Chroniken kaum - im Gegensatz zu anderen Burgen der Region, die zur Durchsetzung des Landfriedens gestürmt und zerstört worden waren. Das ist ungewöhnlich, zumal es sich um eine Burg des Naumburger Bischofs handelte, mit der der Landgraf von Thüringen und Markgraf von Meißen, Friedrich d. Ernsthafte, belehnt war. In den von Sanitätsrat Dr. Köster, der von 1592 bis 1613 Bürgermeister war, veröffentlichten „Naumburger Annalen des Sixtus Braun“ , wird dieses für die Stadtgeschichte bedeutsame Ereignis auch nicht erwähnt. Lediglich in den Aufzeichnungen des Stadtschreibers Nikolaus Krottenschmidt (gestorben 1561) heißt es beiläufig, dass sich der Rat finanziell an einem Unternehmen gegen die Rudelsburg beteiligt habe.

Kampf dem Raubritternest

Carl Peter Lepsius - Ende des 17. Jahrhunderts Gerichtsherr der Schönbergschen Gerichte zu Kreipitzsch und Rudelsburg, dann Stadtrichter in Naumburg und seit 1816 Landrat des Kreises -, der sich intensiv mit der Geschichte des Kreises und der Stadt Naumburg beschäftigte, verwies in seinen „Ältesten Nachrichten von Rudelsburg“ (Kleine Schriften) darauf hin, dass die in Naumburger Ratskämmerei-Rechnungen gefundenen diesbezüglichen Nachrichten „kurz, unbestimmt und dunkel“ sind, und überließ es seinen Lesern, aus den veröffentlichten lateinischen Sätzen eigene Schlussfolgerungen über eine mögliche Zerstörung der Rudelsburg zu ziehen.

Das übernahm dann Wilhelm Corssen (1820-1875), Lehrer an der Landesschule Pforta, in seiner 1848 veröffentlichten Broschüre „Rudelsburg und Saaleck“ in der dieser heroische Kriegszug ausführlich geschildert wurde. Der Roman „Die letzten Rudelsburger“ von Paul Schreckenbach trug dann endgültig dazu bei, dass das Ereignis im allgemeinen Bewusstsein zur geschichtlichen Tatsache wurde. Demnach hatte die Bürgerschaft, der Überfälle der Rudelsburger auf die Handelswege überdrüssig, zu den Waffen gegriffen und sich unter Führung des bischöflichen Vogtes von Saaleck aufgemacht, um die Rudelsburger zu vertreiben und das Raubritternest zu zerstören.

1977 veröffentlichte die LDZ eine Serie zur Geschichte der Rudelsburg. Im Hinblick auf den Kriegszug meinte der Verfasser „Eine wirklich kriegerische Fehde läßt sich nur einmal aus den Kämmereirechnungen konstruieren. Im Jahre 1348 als Tycze von mercvicz und henze eldeste, d.h. Dietrich von Merwitz und Heinrich d.Ä. Bürgermeister waren, lag der Rat im Rechtsstreit mit einigen Edelleuten der Umgebung. Es sind die Zehrkosten notiert, die sich während der langwierigen Verhandlungen auf dem Rathaus, in Schkölen und Eckartsberga zwischen dem Rat und einem Edlen mit dem auffälligen Namen Kurtefrund und dem Schenken von Tautenburg, den Herren von Dornburg, von Käfernberg und von Tümpling ergaben. Dazu kamen die Kosten für drei Ritter und einige Männer von der Partei der Käfernberger und Kurtefrunds, die im Rathaus gefangen saßen, sowie drei Leichenbegängnisse. Zunächst scheinen die Worte ganz einwandfrei einen ausgedehnten Kriegszug anzudeuten, den die Stadt gegen fünf Rittersitze unternahm und der zur Erstürmung von drei Burgen führte. Doch Naumburg war keine Reichsstadt, dies blieb nur dem weltlichen Schirmvogt des Bistums dem obersten Kriegsherrn, dem Landgraf....“

Dass die Rudelsburger Kastellane, wie viele andere auch, ihren Lebensunterhalt durch Raub und Plünderung aufgebessert haben, ist unbestritten. Auch Überfälle auf Handelsleute, die zur Naumburger Messe wollten, dürften zum Unmut der Bürger beigetragen haben. Üblicherweise versuchte man sich in derartigen Fällen zu vergleichen. Ein kostspieliges und auch unsicheres Unternehmen, wie die Belagerung einer landgräflichen Burg durch ein städtisches Aufgebot, wäre außergewöhnlich, das leisteten sich nur die Reichsstädte im Verein mit dem Landesherren. Wiessner (Germania sacra) der sich hier auf Borkowsky bezog, meinte dagegen, dass der auf Ausgleich bedachte Bischof Withego (23. Bischof von 1327 bis 1347) den Bürgern freie Hand gelassen habe, gegen die Burg vorzugehen. Sein Nachfolger Johann von Miltitz, dem ein derartiges Vorgehen eher zuzutrauen war, wurde erst im Oktober 1348 zum Bischof geweiht. Fraglich ist auch, weshalb nicht die Besatzung der Burg Saaleck, die nachweislich seit 1344 bischöflicher Besitz war, dem Unwesen der Rudelsburger Einhalt geboten hat, zumal der Burgherr der Ritter von Droitzen im Rang eines bischöflichen Hauptmannes stand und bei den bisherigen Differenzen zwischen dem Kurtefrund, den Tautenburgern und den Tümplingern einerseits und den Bürgern von Naumburg stets vermitteln konnte. Zum Aufgebot der Bürgerschaft soll auch ein Büchsenmeister mit einem Feuerrohr gehört haben, dem es zu verdanken war, dass nach fünf Tagen die Mauern gebrochen und die Burg im Sturm genommen werden konnte. Das wiederum gehört nun völlig in das Reich der Legende.

Kaum geeignete Technik

Wohl kannte man seit den Kreuzzügen andere Instrumente. Belegt ist ihr Einsatz bei der Belagerung von Cividale im Jahr 1331 und nördlich der Alpen in der Ritterschlacht von Crecy im Jahr 1346. Die frühesten Nachrichten über einen Einsatz in Thüringen stammen aus dem letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts. Das Kaliber der gegossenen Rohre war klein, Stein- oder Eisenkugeln als Geschosse noch nicht üblich, und die verwendeten Lanzen brachten keine Mauern zum Einsturz. Die effektive Schussdistanz war gering, und die Schussfolge belief sich auf drei pro Tag, denn die erhitzen Rohre mussten langsam abkühlen, sollten sie nicht beim nächsten Schuss zerspringen. Daher war ihr Einsatz eher von moralischer Wirkung. Üblicherweise nutzte man als Mauerbrecher Steinschleudern, sogenannte Bliden, deren Antransport und Aufbau gerade im bergigen Gelände äußerst umständlich und zeitraubend war. Wirkungsvoller war der Einsatz von Brandpfeilen, und nötigenfalls setzte man auf das Aushungern der Besatzung. Allerdings bereitete auch die Versorgung der Belagerer erhebliche Probleme, und nicht selten gaben die dann schon nach wenigen Tagen auf.

Demnach gehört die Zerstörung der Rudelsburg durch die Naumburger Bürgerschaft im Jahr 1348 in das Reich der Fabel. Dies erfolgte rund 100 Jahre später im sächsischen Bruderkrieg (1446-1451), als Kurfürst Friedrich II. gegen die im Lehen seines Bruders Herzog Wilhelm III. stehende Burg zog und auch die nun gebräuchlichen Feuerrohre einsetzte. Nun zeigte sich die Überlegenheit der Technik über den militärischen Wert der Burgen, die dann aufgegeben und dem weiteren Zerfall überlassen wurden.