Ein Leben mit Krebs Ein Leben mit Krebs: "Habe mich hochgearbeitet"

Freyburg - Eine Frage und eine Bemerkung mag Hans-Georg Fischer derzeit weder beantworten, noch allzu gern hören: Wann kommen Sie wieder? Sie sehen aber gut aus. „Es kann aber keiner in mich hineinschauen“, sagt der Naumburger, der in Freyburg eine Buchhandlung führt.
Hans-Georg Fischer hat Krebs. Die Diagnose trifft ihn im Frühjahr des vergangenen Jahres. Da er unter Müdigkeit und Schlappheit leidet, geht er zum Arzt, zu mehreren, ehe der damals 55-Jährige endlich den Grund für seine Beschwerden erfährt. Doch eine Hiobsbotschaft kommt selten allein: Der Darmkrebs hatte bereits gestreut. Seitdem ist sein Geschäft am Freyburger Markt geschlossen, steht die Vielzahl der dortigen Regale leer, seitdem absolviert er im Saale-Unstrut-Klinikum eine Chemo nach der anderen; am vergangenen Freitag erneut. Für die Strahlentherapie fährt er nach Jena.
Auf der Palliativstation
Zuvor lag er nach einer OP mehrere Wochen im Krankenhaus, auch auf der Palliativstation. „Ich habe mich von dort wieder hochgearbeitet. Ich habe Patienten sterben sehen. Das war schwer. Sie können so etwas nur schaffen, wenn Sie einen Partner oder eine Partnerin haben“, sagt Fischer bestimmt und meint seine Frau Carola, die ihm nicht nur Trost und Kraft gibt und es aushält, wenn ihr Mann das gekochte Wunschessen wegen Appetitlosigkeit nicht anrührt. „Sie kümmert sich einfach um alles“, erzählt Fischer. Da gilt es, Termine zu koordinieren, den ganzen Schreibkram zu regeln. Wer ernsthaft erkrankt, kennt die Auswüchse der Bürokratie im Gesundheitssystem. „Wir haben mehrere Aktenordner zu Hause stehen.“
Doch Fischer weiß an seiner Seite weit mehr Menschen, die ihn unterstützen. „Das persönliche Umfeld und Freunde sind eine Basis, die Kraft geben“, sagt der Naumburger, der im Claudius-Männerchor singt und als Buchhändler in der Vergangenheit regelmäßig Vorlesewettbewerbe ausgerichtet hat.
Sozialwerk unterstützt
Mit der medizinischen Betreuung im Naumburger Krankenhaus zeigt er sich zufrieden. Mit der Krankenkasse hadert der selbstständige Geschäftsinhaber jedoch. Nach 78 Wochen gibt es kein Krankengeld, keine Erwerbsminderungsrente. Immer wieder trifft er auf Hürden, die ihm das Leben schwermachen, obwohl er die Kraft für sich selbst braucht. Als Mitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels unterstützt ihn das vereinseigene Sozialwerk. Im Hintergrund läuft zudem der Online-Handel seines Geschäfts. Hätte er diese beiden Geldquellen und das Einkommen seiner Frau nicht, es stände finanziell schlecht um ihn.
Stammkunden halten ihm per Mausklick die Treue; darunter Großkunden wie das Freie Gymnasium Mücheln und die Freyburger Grundschule, die Schulbücher einkaufen, die Kreisverwaltung, die Rechtsbücher benötigt, sowie die Bibliothek in Freyburg. „Andere, die eher im Laden einkaufen, wollen wiederkommen, wenn ich wieder öffne.“
Offen mit Krankheit umgehen
Wann das sein wird, weiß er noch nicht. „Ich kann nicht in eine Glaskugel schauen.“ Sein Ziel ist es, gesund zu werden. Angst habe er indes vor der Nachricht, austherapiert zu sein. Für ihn sei es wichtig, offen und offensiv mit seiner Krankheit und deren Begleiterscheinungen umzugehen. „Mal könnte ich die Welt einreißen, mal zehn Eimer vollkotzen. Jeder Tag ist anders“, sagt Fischer, der lesend in Büchern Ablenkung findet, sich durch und durch als Fan von den Abenteuerromanen Karl Mays bekennt. „Da kann ich in eine andere Welt abtauchen.“