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Dorfreport Dorfreport: "Tiefstapler" mit neuem Elan

Von Andreas Löffler 05.10.2020, 09:56
Mit neuem Elan fürs Gemeinschaftsleben: Der Tageblatt-Treff mit Dorfbewohnern wäre beinahe auch gleich zur - letztlich wohl nur ein bisschen vertagten - Geburtsstunde des Heimatvereins geworden (l.). Ute Findling am Glockenborn (r.).
Mit neuem Elan fürs Gemeinschaftsleben: Der Tageblatt-Treff mit Dorfbewohnern wäre beinahe auch gleich zur - letztlich wohl nur ein bisschen vertagten - Geburtsstunde des Heimatvereins geworden (l.). Ute Findling am Glockenborn (r.). Löffler

Wippach - Zunächst eher zurückhaltend hatte Torsten Möder, der in Wippach die gleichnamige Landbäckerei betreibt und zu den treuen Lesern des „Dorfreport“ gehört, auf unser Ansinnen reagiert, in dieser Rubrik nun endlich auch einmal seinen Heimatort vorzustellen. „Erwarten Sie nicht zuviel - mit Vereinen oder regelmäßigen Veranstaltungen wie anderswo können wir in Wippach nicht aufwarten“, übte sich der 40-Jährige in Understatement. Auch das Gemeinschaftsleben sei ein wenig eingeschlafen.

Nun ist aber erstens unsere Dorfreport-Reihe kein Überbietungs-Wettbewerb. Und haben zweitens unsere beiden Visiten in dem knapp 100 Einwohner zählenden Ortsteil von Bad Bibra allemal so einiges Interessantes zutage gefördert. Beispielsweise, dass trotz der anfänglichen Tiefstapelei der Gemeinschaftssinn im Dorf durchaus stark ausgeprägt ist - oder vielleicht treffender: wieder stark ausgeprägt ist. Beinahe hätte der Tageblatt/MZ-Reporter bei der improvisierten Gesprächsrunde mit einigen Einwohnern am zentralen Dorfplatz „Unter den Linden“ (wo skurrilerweise Kastanien stehen) sogar die Geburtsstunde eines Wippacher Heimatvereins miterlebt!

Dass es letztlich nicht gleich an Ort und Stelle zur Gründung eines solchen Zusammenschlusses kam, darf getrost unter „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ verbucht werden. Denn: Mit der in den kommunalpolitischen Gremien zwar debattierten, gleichwohl offenbar ungewissen Zukunft des Wippacher Bürgerhauses auf dem Areal der - nicht mehr aktiven - Freiwilligen Feuerwehr gibt es neuerdings ein Thema, das die Menschen im Ort emotionalisiert - und mobilisiert.

Sorgen um das Bürgerhaus

„Unsere Befürchtung ist, dass angesichts klammer Kassen die öffentlichen Zuschüsse für das Bürgerhaus heruntergefahren werden könnten. Oder Areal und Gebäude anderweitig verpachtet beziehungsweise sogar verkauft und damit der allgemeinen Nutzung durch die Dorfbevölkerung entzogen werden“, bringt Karl-Heinz Pollmächer die verbreitete Sorge auf den Punkt.

Der beliebte Rentnertreff bei Kaffee und Kuchen an jedem letzten Mittwoch im Monat, die Zusammenkünfte der Jäger im Bürgerhaus, Geburtstags- und andere Familienfeiern zum Selbstkostenpreis - all das wäre dann so nicht mehr möglich. „Und ganz klar könnte ein solcher Verein, wie er jetzt von uns ins Auge gefasst ist, nicht nur bei der Entscheidung über die Zukunft des Bürgerhauses ein sehr viel gewichtigeres Wort mitreden, sondern den Saal mit noch mehr Leben, sprich weiteren Aktivitäten füllen“, meint Ute Findling.

Denn dass der „Veranstaltungskalender“ in Wippach bislang recht überschaubar sei, müsse ja kein Dauerzustand bleiben. Auch dazu gehen von der spontanen „Einwohnerversammlung“ anlässlich des Tageblatt-Besuchs frische Impulse und ein neuer Elan aus.

Als etwa die Rede auf die inzwischen lediglich noch alle sechs bis acht Wochen für Gottesdienste genutzte Dorfkirche kommt, steht mit Blick auf deren funktionstüchtige Orgel plötzlich der Gedanke an Musikabende, konkret an ein Adventskonzert im Gotteshaus an: „Ich bin gern bereit, mich mal an dem Instrument zu versuchen“, gibt Lisa Oberländer ad hoc eine entsprechende Absichtserklärung zum musikalischen Mitwirken ab. Die 26-Jährige ist nach ihrem Lehramtsstudium der Fächer Musik und Biologie gemeinsam mit Ehemann Benjamin und den Kindern Johanna und Erik in ihr Heimatdorf zurückgekehrt.

"Riesenpotenzial an ganz tollen Leuten"

„Vielleicht hat bislang einfach jemand gefehlt, der sich den Hut aufsetzt. Es gibt ein Riesenpotenzial an ganz tollen Leuten hier“, bekräftigt derweil Siegfried Lemke den Eindruck, den er schon bei seiner „Ankunft“ in Wippach vor vier Jahren gewonnen hatte. Der 66-Jährige war vordem in der Kirchengemeinde Lochau bei Halle tätig und ist jetzt Pfarrer i.R. - „nein, nicht in Rente, sondern in Reichweite“, wie er augenzwinkernd sagt. Gemeinsam mit Ehefrau Ingrid ist er in eines der hübschen Häuschen im Ort eingezogen und lädt dort einmal monatlich zu Begegnung und Austausch ein. „Unser ,offenes Haus’ verstehen wir als Pendant zu der Offenheit, mit der uns Wippachs Einwohner empfangen haben“, betont Lemke.

Die Hilfsbereitschaft in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, beispielsweise in handwerklichen Angelegenheiten, sei jedenfalls groß. Übrigens ist der Ex-Pfarrer auch selbst schon zum „rettenden Engel“ avanciert, als er Nachbarin Ursel Höfler bei deren klemmender Säge aus der Patsche half. „Zum ,Dank’ dafür hat sie uns am kommenden Tag quasi aus dem Bett geholt, indem sie bereits ganz früh mit Sägen loslegte“, meint Lemke liebevoll schmunzelnd.
Was sie ausgerechnet nach Wippach gezogen habe, weiß Ingrid Lemke prompt zu sagen: „Die Umgebung hier ist einfach nur idyllisch. Wälder, Wiesen und Felder mit prima ausgebautem Wegesystem laden zum Wandern ein - nach Wangen zum Beispiel oder auch mal nur schnell zum Glockenborn, einer Quelle praktisch um die Ecke. Und vom Orlasberg kann man an klaren Tagen bis zum Kyffhäuser und gar Brocken blicken“, betont die 63-Jährige.

Bei so viel Natur ringsum lässt sich leicht denken, dass Wippach auch ein Paradies für Kinder ist. Der 2012 erneuerte Spielplatz wird rege genutzt. „Und dann haben wir hier den besten Bäcker der Nation“, sagt Benjamin Oberländer anerkennend über Torsten Möder. „Ohje, jetzt werden die Brötchen bestimmt teurer“, flachsen die Umstehenden. Und Torsten Möder? Ist fast ein wenig verlegen ob des Lobes: Ein Meister des Understatements eben.