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Doppelrolle  Doppelrolle : Durst-Löscher de luxe

Von Andreas Löffler 21.10.2020, 07:42
Enrico Tänzer: Der staatlich geprüfte Weinbautechniker sitzt in seinem eigenen Weinberg in der Großlage Weischützer Nüssenberg. Hauptberuflich ist er als Weinbautechniker im Gleinaer Gut Böhme und Töchter tätig.
Enrico Tänzer: Der staatlich geprüfte Weinbautechniker sitzt in seinem eigenen Weinberg in der Großlage Weischützer Nüssenberg. Hauptberuflich ist er als Weinbautechniker im Gleinaer Gut Böhme und Töchter tätig. Andreas Löffler

Weischütz - Er ist ein Durst-Löscher de luxe: Als angestellter Weinbautechniker bei Böhme und Töchter in Gleina zeichnet der 34-Jährige für die Qualität der Trauben und des später aus diesen entstehenden Rebensaftes verantwortlich. Zudem ist der Weischützer ehrenamtlicher Chef der Freiwilligen Feuerwehr seines Heimatortes. Seinen jüngsten „Großeinsatz“ hatte Enrico Tänzer aber nicht mit den Kameraden seiner Ortswehr, sondern bei der vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen Weinlese für seinen Gleinaer Arbeitgeber.

In nur dreieinhalb Wochen

„Dieses Jahr war es besonders anstrengend. Innerhalb von nur dreieinhalb Wochen haben wir alle Trauben von den Rebstöcken runtergeholt“, schildert der junge Mann. In der Erntephase Tag für Tag bis zu zwölf Stunden im Weinberg zu ackern, das sei allen Beteiligten an die Substanz gegangen. Andererseits: „Wenn man einmal von dem Verlust durch Frostschäden absieht, der in diesem Jahr an unserer Ertragsmenge geknabbert hat, sind die geernteten Trauben von Säure und Mostgewicht, kurz: von ihrer Qualität her wirklich super“, frohlockt der Winzer. „Unser Spätburgunder beispielsweise könnte mit seinen 97, 98 Grad Oechsle sogar ein Kandidat für einen Breitengrad-Wein werden“, erläutert er fachmännisch.

Wie Enrico Tänzer, der bis zum heutigen Tage auch ein passionierter Biertrinker ist und den Blauen Zweigelt als seine Lieblingsrebsorte nennt, beruflich überhaupt zum Thema Wein gefunden hat, ist eine Geschichte für sich. Nach seinem Realschulabschluss hatte er ursprünglich eine Ausbildung zum Physiotherapeuten begonnen.

Zunächst bei Gerd Wölbling

„Das war aber nichts für mich“, bekennt er. Eine Lehre als Informatikassistent schloss er erfolgreich ab, ohne dass sofort ein Berufseinstieg gelang. Eher aus Verlegenheit - „Nichtstun kam nun überhaupt nicht in Frage“ - arbeitete er dann im Weingut von Gerd Wölbling in Weischütz mit und fand zunehmend Gefallen daran. „Die Tätigkeit machte mir Spaß; aber weil ich natürlich nicht ewig bloß als Hilfsarbeiter bezahlt werden wollte, habe ich bei Dr. Hage in Zeuchfeld dann noch richtig klassisch die Ausbildung zum Winzer absolviert“, berichtet Enrico Tänzer, der anschließend wieder bei Wölbling arbeitete und später ans Landesweingut Pforta wechselte. Um perspektivisch noch mehr Verantwortung übernehmen zu können, sattelte er schließlich von 2015 bis 2017 zudem eine Vollzeit-Weiterbildung zum Staatlich geprüften Weinbautechniker an der Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg in Baden-Württemberg obendrauf.

Es war dann wohl fast so etwas wie Bestimmung, dass der frischgebackene Absolvent kurze Zeit nach der Rückkehr in die Heimat einen Anruf aus Gleina von Kellermeisterin Marika Böhme erhielt, die ihn als ihren Verantwortlichen für die Arbeit im Weinberg engagierte. „Ich bin wirklich froh und stolz, bei Böhmes zu arbeiten. Meine Chefs sind in meinem Alter und die Atmosphäre ist ausgesprochen familiär. Und vom 84-jährigen Seniorchef des Hauses, noch heute ein wahrer Virtuose beim Traktorfahren im Weinberg, kann ich mir da echt noch was abgucken“, sagt Enrico Tänzer begeistert.

Er selbst wiederum löst mit seinem Ehrenamt bei Marikas bald vierjährigem Sohn helle Begeisterung aus: „Gustav ist ein absoluter Feuerwehr-Fan. Als er bei unserer jüngsten Übung zusehen durfte und von mir sogar einen echten Schutzhelm aufgesetzt bekam, war das für ihn das Größte“, schildert Enrico Tänzer.

Nach zuvor sechs Jahren als stellvertretender Leiter ist er seit September vorigen Jahres Chef der Weischützer Ortswehr, einer prima ausgebildeten Truppe mit gleich vier speziell qualifizierten Atemschutzgeräteträgern in ihren Reihen. „Während du im Weinberg Zeit hast, dir Gedanken zu machen, musst du als Feuerwehrmann ganz schnell entscheiden“, sagt der Weischützer über die Herausforderungen seiner Doppelrolle.

Auch in der Brandbekämpfer-Materie habe er sich daher regelmäßig weitergebildet. „So feuerwehrverrückt, dass ich quasi mit Stiefeln ins Bett gehe, bin ich dann aber doch nicht“, erklärt Enrico Tänzer lachend. Dann fügt er nachdenklich hinzu: „Der beste Einsatz ist: keinen zu haben.“

Schließlich gibt es da noch seinen eigenen Weinberg mit 0,9 Hektar bestockter Fläche in der Großlage Weischützer Nüssenberg, der nebenher gepflegt und entsprechend fachmännisch bearbeitet werden will.

Rebschnitt steht bald an

Auf dem Areal, das er vor drei Jahren von einem alten Weischützer erworben hat, könne er sich in seiner Freizeit austoben. „Ich bin gern an der frischen Luft und scheue ja auch die körperlich fordernde Arbeit im Weinberg, etwa beim bald anstehenden Rebschnitt, nicht. Ganz ehrlich: Nach Abschluss der Lese und ein paar freien Tagen habe ich fast schon Entzugserscheinungen“, erklärt Tänzer fröhlich.

Enrico Tänzer, der Chef der Freiwilligen Feuerwehr Weischütz, sitzt am Steuer des Einsatzwagens.
Enrico Tänzer, der Chef der Freiwilligen Feuerwehr Weischütz, sitzt am Steuer des Einsatzwagens.
Löffler