Braunkohleabbau in der Region vor dem Aus Braunkohleabbau in der Region vor dem Aus: Wandel oder Bruch?

Weissenfels - Bahnvorstand Ronald Pofalla hat am Wochenende mit einem eigenen Ausstiegsplan aus der Braunkohle bis zum Jahr 2038 unfreiwillig für Wirbel gesorgt. Der ehemalige CDU-Politiker ist einer von vier Vorsitzenden der Kohlekommission, welche bis Ende des Jahres eine Strategie für den Kohleausstieg vorlegen soll. Wie das Nachrichtenmagazin der Spiegel berichtet, gestalten sich die Verhandlungen zwischen Umweltaktivisten, Gewerkschaftern und Betroffenen aber schwierig.
Im mitteldeutschen Revier stößt der von Ronald Pofalla angestrebte Kompromiss und ein Ende der Braunkohle in zwanzig Jahren überwiegend auf Ablehnung. „Ich halte überhaupt nichts davon, wenn man die Diskussion mit einem Datum beginnt“, sagt etwa Hohenmölsens Bürgermeister Andy Haugk (parteilos). Stattdessen müsse zunächst geklärt werden, womit die Region nach dem Auslaufen des Bergbaus punkten soll. Und das möglichst ganz konkret, etwa anhand einer Zahl qualifizierter gut bezahlter Industriearbeitsplätze.
Einst 60.000 - heute nur noch rund 2.400 direkt Beschäftigte in der Braunkohlenindustrie
Der Hohenmölsener Bürgermeister erinnert daran, dass das mitteldeutsche Revier nach der Wende bereits die größte Last des Strukturbruchs getragen hat. Von einst 60.000 Beschäftigten seien heute nur noch rund 2.400 direkt Beschäftigte in der Braunkohlenindustrie übrig geblieben. Erneute Einschnitte seien den Menschen vor Ort vor diesem Hintergrund nur schwer zu vermitteln, argumentiert auch Landrat Götz Ulrich (CDU). „Ich wünsche mir einen möglichst langen Übergangszeitraum, damit es keine Brüche gibt, sondern einen Wandel“, sagt er. Ein verbindliches Aus für die Braunkohle bis 2038 lehnt der Landrat ab.
Anders sieht das die Grünen-Kreisrätin Dorothee Berthold. „Ich bin froh, dass sich etwas bewegt“, sagt sie. Ein verbindlicher Ausstieg bis 2038 wäre nicht nur für die Menschen in Lützen eine Entlastung. „Der Braunkohle-Ausstieg ist unbedingt notwendig“, sagt sie. Das zeige der globale Klimawandel. Gehe es nach ihr, könnte das Ende der Braunkohle sogar noch nach vorne gezogen werden. Den Fürsprechern wirft sie zudem vor, mit geschönten Beschäftigtenzahlen zu argumentieren. In den vergangenen Jahren seien etwa bei der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft Hunderte Mitarbeiter ausgeschieden. Und junge, gut ausgebildete Fachkräfte würden auch andernorts gebraucht.
SPD-Landtagsabgeordneter Rüdiger Erben warnt vor einem Kohleausstieg bis 2038
Der Weißenfelser SPD-Landtagsabgeordnete Rüdiger Erben warnt vor einem Kohleausstieg bis 2038. Denn dadurch müssten Tagebau und Kraftwerke deutlich früher als geplant stillgelegt werden. „Das ist weder strukturpolitisch verantwortbar, noch wäre die Energieversorgung in Deutschland gesichert, wenn erneuerbare Energien nicht zur Verfügung stehen“, so Rüdiger Erben.
Für den SPD-Politiker ist der Vorstoß von Ronald Pofalla ein Tabubruch. Darum sieht er für den bisherigen Vorsitzenden auch keine Zukunft in dem Gremium und hält ihn für untragbar. „Er hat das Vertrauen gebrochen, was für die Arbeit einer solchen Kommission unabdingbar ist“, sagt Rüdiger Erben. Noch weiter geht Hohenmölsens Bürgermeister. „Ich würde die ganze Kommission infrage stellen“, sagt er. Wenn einer der Vorsitzenden schon jetzt glaube, ein Ergebnis vorstellen zu können, wozu braucht es dann noch weitere Zusammenkünfte, fragt sich Andy Haugk. Und sagt: „Hier läuft doch gewaltig was schief.“
Es dürfte also reichlich Gesprächsbedarf geben, wenn Vertreter der Kohlekommission in der kommenden Woche das mitteldeutsche Revier besuchen. Schon, dass dieses Treffen in Halle stattfindet, bedauert der Hohenmölsener Bürgermeister. „Sie geht eben nicht dorthin, wo die Menschen am deutlichsten diese Veränderung gespürt haben“, sagt Andy Haugk über die Kommission. Auch Landrat Götz Ulrich hätte sich einen anderen Ort für das Treffen gewünscht. „Wenn im Zuge des Strukturwandels ein neuer Studiengang an der Martin-Luther-Universität eingerichtet würde, ist so etwas den Menschen im Revier natürlich schwer zu vermitteln“, sagt er. (mz)